Gibt es ein Gott-Gen?
Das renommierte amerikanische Time-Magazin berichtet über eine sensationelle Studie, die beweisen will: Religiöse Empfindungen und Spiritualität sind Teil unseres genetischen Programms.
Es gibt ein "Gott-Gen“. Damit greift auch die „Berliner Morgenpost “in einem Artikel dieses Thema auf. Bei einer Studie zum Suchtverhalten von Rauchern habe Dean Hamer, Molekularbiologe am Nationalen Krebsinstitut der USA, 1000 Männern und Frauen einen Katalog mit 240 Fragen vorgelegt. Darunter auch Fragen, die auf die Spiritualität der Probanden abzielten.
Hamer habe dann das Genmaterial der Befragten untersucht. aus den 35 000 Genen habe er hinterher jene 9 herausgepickt, die für die Produktion von Monoaminen zuständig sind - das sind Chemikalien wie Serotonin oder Dopamin, die im Hirn Stimmungen und Gefühle steuern. Er habe herausgefunden, dass bei besonders spirituell eingestellten Probanden bei einem Gen die Base "Cytosin" vorherrsche. Bei den weniger spirituellen Befragten sei die Base "Adenin" mehr präsent.
Spirituelle Gefühle im Genpool verankert?
Hat uns Gott sozusagen einen Chip ins Hirn gepflanzt hat, mit dem wir mit ihm in Verbindung treten können. Warum auch nicht? Warum sonst sollte ein göttliches Konzept in allen Kulturen der Welt existieren, wenn es dafür nicht gute Gründe gäbe?
Reine Chemie?
Eine zweite Studie, die die Hirnaktivität bei religiöser oder meditativer Versenkung untersuchte, bestätigt Hamer: Im Gebet sind der Stirnlappen (zuständig für Konzentration) und das limbische System (kanalisiert starke Gefühle) aktiv. Und die Aktivität der hinteren Hirnregionen, die das Selbst in Raum und Zeit verankert, wird heruntergefahren. Das heisst im Grunde: Religiöse Erfahrungen sind reine Chemie. Das Gott-Gen bezeihungsweise der Chip im Hirn steuert nach diesen Untersuchungen jedoch nur die grundsätzliche Bereitschaft zur Spiritualität. Durch die Tür zur Religion muss immer noch jeder selbst gehen.
Ist Gott ein Magnetfeld?
Auch Erfahrungen mit Epileptikern haben Wissenschaftler auf eine weitere Idee gebracht, wie man Gottesvorstellungen von Menschen im Gehirn lokalisieren kann. Man nimmt von vielen Religionsstiftern an, dass sie Epileptiker und daher für religiöse Visionen anfällig waren: Die Bekehrung des Paulus vor Damaskus wurde etwa so versucht zu erklären.
Spekulativer wird es bei den Forschungen des Neuropsychologen Michael Persinger: Er stimuliert die Schläfenlappen von Versuchspersonen, die davon eine religiöse Empfindung erhalten sollen, ein Gefühl, dass man nicht allein im Raum ist. Persinger macht dann aber auch keinen Unterschied zwischen Gott und Geistern - Magnetfelder sollen es sein, die all das hervorrufen. Der Herausforderung des Schläfenlappentests stellt sich übrigens auch der Evolutionsbiologe Richard Dawkins, ein streitbarer Atheist, der zu bedenken gibt, dass seine Frau "droht, mich zu verlassen, sollte ich jetzt tief gläubig werden".
Kommentar
Von Ulrich Eibach
Gott ist mehr als nur ein „Hirngespinst?
Neue technische Verfahren ermöglichen es, neurophysiologische Prozesse so abzubilden, dass man genau beobachten kann, welche Regionen des Gehirns bei bestimmten seelisch-geistigen Prozessen aktiv oder welche Funktionen ausgeschaltet sind. Vor allem amerikanische Wissenschaftler wollen auf diese Weise die neurophysiologischen Bedingungen von „religiösem Erleben“ erforschen und beschreiben. Sie werden daher als „Neurotheologen“ bezeichnet.
Abstrakt begriffliches Denken und von Gefühlen geprägte Vorstellungen und Empfindungen, die Menschen existentiell betreffen, spiegeln sich in unterschiedlichen Regionen des Gehirns wider. Letzteres ist zum Beispiel für den Glauben charakteristisch. So kann es sein, dass ein mit Gefühlen verbundener Begriff wie „Gott“ in bestimmten Hirnregionen besondere neurophysiologische Aktivitäten hervorruft.
Man kann aber diese Beobachtung verschieden deuten, je nach dem, von welchen weltanschaulichen Voraussetzungen man ausgeht. Man kann alles geistige Geschehen auf blosse Nebenprodukte materieller physiologischer Vorgänge reduzieren. Dann wäre „Gott“ nichts anderes als eine Ausgeburt dieser Hirnfunktionen, als ein „Hirngespinst“ ansehen.
Nicht alle, die die neurophysiologische Basis religiösen Erlebens erforschen, interpretieren ihre Erkenntnisse auf dem Hintergrund derartig weltanschaulicher Vorgaben. Viele erheben weder den Anspruch, damit die Bedeutung religiösen Erlebens und Denkens klären zu können, noch leugnen sie, dass den neurophysiologischen Vorgängen eine eigenständige „geistige“ Welt zugrunde liegt, ja manche werten ihre Erkenntnisse als eine Art „Gottesbeweis“, indem sie darauf hinweisen, dass das menschliche Gehirn nur deshalb auch ein „Empfangsorgan“ für diese eigenständige geistig-religiöse Welt hat, weil es diese Welt auch gibt.
Die Frage, wie und wo Gott sich in der leiblichen Wirklichkeit des Menschen zeigt, hat eine theologische Berechtigung. Der Apostel Paulus schreibt im Brief an die Römer (Kapitel 8, Vers 16): Gottes „Geist selber bezeugt unserem Geist, dass wir Gottes Kinder sind“. So ist es nicht verwunderlich, dass sich auch auf der neurophysiologischen Ebene das blosse Hören einer nur den Verstand ansprechenden Predigt von einem Gottesdienst unterscheidet, in dem insbesondere die Gefühle angesprochen werden, oder von einem meditativen Gebet.
Die Tatsache, dass Neurowissenschaftler durch Stimulationen bestimmter Regionen des Gehirns stark gefühlsgeladene religiöse Empfindungen ebenso erzeugen können, sagt wenig über die hinter diesem Erleben stehende Wirklichkeit und nichts über die Bedeutung und richtige Deutung solcher Erlebnisse aus. Auch ein tiefgehendes religiöses Erlebnis ist vieldeutig, schafft noch keinen religiösen Inhalt. Damit aus ihm Glaube oder gar eine auch andere Menschen überzeugende Religion wird, muss es geistig so verarbeitet werden, dass das mitgeteilte Erleben auch von ihnen überzeugend nachvollzogen und grundsätzlich auch erlebt werden kann.
Natürlich werfen die Kenntnisse über die neurophysiologische Basis religiösen Erlebens eine Reihe theologisch ernst zu nehmender Fragen auf. Hier sei nur auf ein Problem verwiesen. Wenn es für religiöse Erfahrungen eine vererbte „Veranlagung“ im Gehirn geben muss, so könnte sich die Frage stellen, ob diejenigen, die die Religion ablehnen, diese Veranlagung nicht ererbt haben oder ob sie durch Erziehung und Lernen „inaktiviert“ wurde. Dann gäbe es Menschen, die „von Natur aus“ glauben können oder auch müssen, und andere, die zum Zweifel und Unglauben verurteilt sind. Sowohl die Glaubenden wie auch die Ungläubigen und Gottesleugner folgten dann nur den ihnen im Gehirn vorgegebenen „Programmierungen“. Das Problem ist – theologisch gesehen – allerdings nicht neu. Warum die einen Menschen glauben, die anderen aber nicht glauben können und wollen, diese Frage hat die christliche Kirche seit Jesus und Paulus, über die Reformation bis in die Gegenwart immer beschäftigt.
Kommentar
Von Bruno Graber
Ist Glaube nur Einbildung?
Mit beachtlichem Aufwand wird in der Schmerztherapie an dem so genannten Placeboeffekt geforscht. Der Name „Placebo“ bezeichnet ein Medikamente, das in sich keine nachweisliche Wirkung hat. Es ist ein eigentümliches Phänomen, dass schmerzgeplagten Menschen unter gewissen Umständen auch die Verabreichung von Placebotabletten Linderung verschafft.
Leider halten viele Leute den Glauben an Gott ebenfalls für einen Placebo, weil sie in Wirklichkeit nicht mit ihm rechnen, obwohl sie die positive Wirkung des Gottvertrauens feststellen. Christen erleben, dass es nichts Realeres als Gott gibt. Gott nimmt unsere Probleme ernster als wir selbst. Aufrichtiges Gebet stösst bei ihm auf offene Ohren und lässt sich nachprüfen. Doch nicht nur das eigene Erleben zählt. Auch ausserhalb unseres Hirns, können wir Gott erkennen.
Der Glaube an Gott oder an eine „höhere Macht“ kann auch auf etwas Reales ausserhalb meiner Person gerichtet sein. Das kann man auch überprüfen. In Jesaja, Kapitel 44, Verse 6-8 steht: ...Keiner kann tun, was ich seit Menschengedenken getan habe. Kann etwa ein anderer Gott voraussagen, was die Zukunft bringt?... Ich habe schon lange gezeigt, wer ich bin und was ich tue...
Wer sich mit Ereignissen auseinandersetzt, die sich tatsächlich so abspielen, wie die Bibel das vorausgesagt hat, der muss zum Schluss kommen, dass Gott kein Hirngespinst sein kann, den diese Dinge geschehen real in der Welt und nicht in einem „vorprogrammierten“ Hirn.
Quellen: Time-Magazin/Berliner Morgenpost/Livenet
Datum: 26.11.2004
Autor: Bruno Graber