Filmtipp

Im Kreuz-Feuer: Das Schweizer Christentum heute

CVP-Präsident Gerhard Pfister, die «Metalchurch», katholische und reformierte WortführerInnen, aber auch ein atheistischer Künstler werden im Dokufilm «Wohin mit dem Kreuz?» begleitet und zur Zukunft des Christentums in der Schweiz befragt.
Jesus-Statue in Bad Ragaz (St. Gallen) (Bild: Pixabay)

Erzählt werden Geschichten von umstrittenen Kapellen, imposanten Statuen und weiteren Blickfängen an diversen Orten. Ein aktueller Spiegel der Entwicklung zur post-christlichen Gesellschaft, mit eindrücklichen Bildern eingefangen.

In Zeiten, in denen der Mensch an seine Grenzen kommt und auch der Wissenschaft die Top-Lösung fehlt, wird wieder mehr nach dem Übernatürlichen gefragt. Die Doku zeigt den schweren Stand einer Kapelle, wie eine grosse Christus-Statue einem Leuchtturm weichen muss und wie nach neuen Formen von Kirche gesucht und bereits gelebt wird. Dabei wurde sogar auf den Klassiker verzichtet: das aus dem Schulzimmer verbannte Kreuz.

Aber auch hoffnungsvolle Bewegungen und Neuanfänge im Schweizer Volk zeigt der Film auf und fragt treffend: «Und überhaupt, wie steht es um die christliche Religion in der Schweiz?»

Wenn eine Mond-Sichel stichelt

Als Erstes bringt die Doku eine Geschichte einer provokativen «Mond-Sichel». Religions-Allergiker und Künstler Christian Meier provoziert bewusst: «Wenn man nicht fragt, darf man alles», sagt er und liess so seine Sichel auf den Berg-Gipfel fliegen. Ganz gezielt setzte er einen Kontrapunkt, denn omnipräsente Kreuze regen ihn auf. Die Religion sei eine Tröstungs-Maschinerie, ein Powertool zur Kontrolle. «Unsere Computer, Spülmaschinen werden uns bald die besseren Weihnachts-Geschichten erzählen. Ich glaube, wir werden nicht mehr lange relevant sein. Bis dahin will ich aber fröhlich sein.»

Das unerwünschte Urner Chappeli

Der Zuschauer wird weiter zu einer Gruppe geführt, die privat, und auch ohne Genehmigung, eine kleine Kapelle zu bauen begann. Beim Bauherrn ist die Kapelle ein langjähriger Wunsch und Ausdruck seines Glaubens. Doch ihr «Chappeli» muss wohl wieder verschwinden. Es gab bürokratischen Widerstand. Dafür erhielt Erstfeld später eine multireligiöse Autobahn-Kapelle, worin die einheimische Bevölkerung aber nicht einen speziellen Nutzen sieht.

Deutungs-Kompetenz entwickeln

Die 40-jährige reformierte Pfarrerin Sabrina Müller sucht nach frischen Formen des Christentums. Atheistisch aufgewachsen, entdeckt sie in einer reformierten Kirche und deren Jugendarbeit ihren persönlichen Glauben. Um neue Gefässe für den heutigen Menschen zu finden, befasst sie sich mit «Fresh X», frische Ausdrucksformen von Kirche, die sie auch umsetzen möchte. Sie erzählt, wie digital neue Formen und Netzwerke entstehen und die Theologie explodierend wächst – aber nicht mehr unter der Kontrolle der Kirche. Eine Deutungskompetenz der einzelnen Personen werde delegiert und entwickelt, so Sabrina Müller.

Eine andere Form von Glaubensgemeinschaft stellt der Film mit der «Metalchurch» vor, wo gerade das Lied «Heavy Metal Jesus» in die schwarzgekleidete Menge reingeschrien-gesungen wird. Der Metalpfarrer Sam Hug stellt sich und dem heutigen Christentum die Frage: «…denn, was ist eigentlich unser, der Auftrag der Kirche in dieser Welt?»

Katholische Wünsche

Schwarz, denn schwarz-katholisch, werden teilweise auch konservative Katholiken genannt. Der römisch-katholische Gerhard Pfister fand damals klarere Worte zum christlichen Glauben, als in letzter Zeit, wo das C aus dem Parteinamen der CVP verschwinden musste. Er spricht sich gegen das Kreuze-Verbannen aus öffentlichen Gebäuden etc. aus und bemängelt, wenn man die eigenen Wurzeln verleugne, habe man im Dialog dem religiösen Gegenüber auch nichts zu bieten.

Der Benediktiner Markus Muff folgt im «Globalen Zentrum» für die 800 Klöster in St. Anselmo seiner Berufung. Um von hoher Theologie und Kirchenpolitik wegzukommen und sich wieder den wichtigen Kernthemen des Lebens zu widmen, stellt er die zentrale Frage: «Wie findet der heutige Mensch Zugang zu Gott?»

Ein Christus wie in Rio, nur kleiner

Spektakuläre Bilder, wie der Schweizer Christus über das Dorf geflogen und abgesetzt wird, ziehen den Betrachter in den Bann. Er ist durchaus vergleichbar mit dem grossen Bruder in Brasilien, dem Cristo Redentor – Christus, der Erlöser. Und die Besucher-Echos waren überwältigend, ja es entwickelte sich zu einem Pilgerort: «Ein Segen geht davon aus, sie bietet Schutz, sie ist einfach schön.»

Trotzdem musste die Christus-Statue schlussendlich weichen; und zwar einem rotweissen Leuchtturm. Widerstände verbannten sie, jedoch nicht ganz, was ein Blick zum neuen Plätzchen auf der Gegenseite des Dorfes beweist. So hat die mächtige Statue weiterhin ihren Wirkungsort, ein Hotel hat sie unter seine Fittiche genommen – und ist nun selber unter den Fittichen Jesu.

Der neutrale Schweizer Boden befahl denn zuletzt auch, die nicht-genehmigte Mond-Sichel zu entfernen. Der Zuschauer sieht, wie der atheistische Künstler vom Gipfel runtergeht – im Hintergrund ein Gipfel-Kreuz.

Zum Dokumentarfilm: Spieldauer 1 Stunde, in der SRF-Mediathek zu finden:

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Datum: 14.01.2021
Autor: Roland Streit
Quelle: Livenet

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