Der Tod kommt mit der Post

Markus Finkels Kampf gegen Legal Highs und andere Modedrogen

Bis vor 20 Jahren war Markus Finkel selbst auf Heroin, Kokain und Amphetamin. Mit Gottes Hilfe schaffte er den Ausstieg. Heute ist er Vater von fünf Kindern und arbeitet in der christlichen Drogenarbeit in München. Im Interview spricht er über sein Buch «Der Tod kommt mit der Post» und seinen Kampf gegen die Drogen-Mafia.
Markus Finkel
Markus Finkel mit seiner Familie
Cover von Finkels Buch

ethos: Markus Finkel, Sie gebrauchen im Zusammenhang mit Drogen harte Worte wie «Terroristen». Ist das nicht alles etwas übertrieben?
Markus Finkel: Nein, keineswegs! Menschen, die an der Sucht anderer verdienen, sind skrupellose Verbrecher, Wölfe im Schafspelz. Ich möchte sie sogar mit Soldaten vergleichen, die computergesteuerte Drohnen dazu verwenden, andere Menschen zu töten. Es sind ja nicht mehr die Dealer an der Ecke, die dir deinen Stoff grammweise vor deinen Augen abwiegen, sondern es handelt sich um eine gut aufgestellte Drogenmafia, die sehr geschäftstüchtig und vor allem anonym ganz neue Generationen von Drogen im Internet anbietet. Sie geben sich dabei sehr seriös und beschreiben ihre Ware so, als wäre es das Harmloseste der Welt, harte Drogen zu konsumieren. Namen wie Badesalz oder Kräutermischung suggerieren einen entspannten Rausch. Doch das ist eine Lüge, denn diese Substanzen zerstören Körper und Persönlichkeit der User. Händler dieser Ware kümmern sich nicht im Geringsten um den Zustand ihrer Kunden. Es geht, wie so oft, nur um Geld – um sehr, sehr viel Geld!

Wer ist der klassische Konsument, der sich solche Substanzen via Internet besorgt?
Meistens handelt es sich um langjährige Süchtige, die schon alles ausprobiert und jegliche Hemmschwellen längst hinter sich gelassen haben. Aber genau dieses Klientel beschreibt die Wirkung beispielsweise von «Badesalz» als das Verheerendste und Schlimmste, was sie jemals erlebt haben. Es handelt sich um synthetische Cannabinoide, die ungleich stärker wirken und Horror-Trips verursachen können. Alles dreht sich und man bekommt Angst, denn man hat überhaupt nichts mehr unter Kontrolle. Organe können sich anfühlen, als würden sie brennen, die Menschen sind plötzlich Riesen oder Zwerge. Selbst langjährige und erfahrene Kiffer warnen vor Psychosen und Nebenwirkungen wie Herzrasen, Übelkeit, Panikattacken und Koma.

Sehr schlimm ist die Tatsache, dass kein Drogenkonsument mehr weiss, was er letztlich wirklich nimmt. Stellen Sie sich vor, der 16-Jährige erleidet eine anhaltende Psychose, was bei unbedarften Erstkonsumenten öfter vorkommt als bei hartgesottenen Drogenfreaks. Sein ganzes Leben ändert sich schlagartig! Die schulische Laufbahn geht zu Ende und eine Behandlung mit Psychopharmaka begünstigt ein Dasein als Süchtiger. Das ist schrecklich! Viele Eltern begreifen gar nicht, was da abgeht. Aufklärung und Prävention sind daher dringend nötig!

Man spürt bei diesem Thema Ihre persönliche Betroffenheit. Weshalb engagieren Sie sich so stark in der Drogenaufklärung?
Ich bin mittlerweile 52 Jahre jung. Bis zu meinem 32. Lebensjahr kriegte ich nichts weiter auf die Reihe, als Drogen zu konsumieren. Ich war auf Heroin, Kokain, Amphetamin – eben auf allem, was der Markt so hergab. Wenn mir vor zweiundzwanzig Jahren jemand gesagt hätte, dass ich einmal glücklich verheiratet sein würde mit fünf eigenen Kindern, hätte ich vermutlich einen hysterischen Lachanfall bekommen. Heute fühle ich mich fitter und gesünder als vor 25 Jahren! Die Süchtigen liegen mir am Herzen, weil ich selbst einer von ihnen war. Ich weiss, wie elend und einsam sich die meisten fühlen. Neben meinen Tätigkeiten als Buchhändler, Autor und Verleger arbeite ich bei der Christlichen Drogenarbeit in München mit. So bin ich seit fast 40 Jahren mit dem Thema Drogen auf Tuchfühlung: 18 Jahre auf der finsteren Seite und nunmehr 20 Jahre auf der hellen Seite des Lebens.

Welches Ereignis bedeutete den Wendepunkt in Ihrem Leben?
Vor zwanzig Jahren war ich verwahrlost, einsam und scheinbar hoffnungslos süchtig. Mit 32 schien mein Leben am Ende. Mehrere Entzüge und Therapien nützten nur kurze Zeit; nach jedem Rückfall wurde es schlimmer. Ich wollte aufgeben und verabreichte mir massenweise Drogen. Irgendein Impuls liess mich jedoch noch einmal kämpfen. Ich wollte wieder einmal versuchen, ohne dieses Gift zu leben. So legte ich mich aufs Bett und wartete. Der Entzug kam. Und wie! Neben irrsinnigen Schmerzen bekam ich Todesangst. Für einen Moment hatte ich das Gefühl, über die Schwelle des Todes sehen zu können. Mir wurde klar, dass mich dort etwas erwartete, was viel grausamer war als alles, was ich bisher erlebt hatte. In meiner Not schrie ich zu Gott: «Wenn es dich wirklich gibt, dann musst du mir jetzt sofort helfen!» Noch während ich flehte, erfasste mich ein unglaublicher Friede. Die Schmerzen waren weg und ich wusste: Es gibt einen Gott und es wird alles gut. Nur hatte ich noch keine Ahnung, wie das geschehen sollte. Doch Gott liess mich seit dieser Zeit nie mehr los.

Warum haben Sie es geschafft und andere scheitern?
Man sagt: Einmal süchtig, immer süchtig, und das ist leider nur allzu wahr! Wir Menschen glauben in unserem Hochmut, dass wir alles erreichen können und alles im Griff haben, aber das stimmt nicht. Man kann die Sucht nur mit Gottes Hilfe bezwingen. Ein Süchtiger ohne Gott bleibt süchtig, auch wenn er zeitweise clean lebt. Nur ein Mensch, der die Gnade Gottes gefunden hat, wird frei von seiner Sucht. Das Geheimnis liegt im Kreuz, an dem Jesus auch für mich und meine Sünden gestorben ist. Dort hat er für jeden Schuss Heroin, für jeden Diebstahl, für jede Lüge, jeden Betrug, ja sogar für jeden bösen und unreinen Gedanken bezahlt. Das war und ist die Basis für mein Leben nach der Sucht: Jesus ist am Kreuz gestorben und mit ihm auch meine Sünde. Die Sünde ist quasi im Tod geblieben, aber Jesus Christus, der Sohn Gottes, ist auferstanden. Er lebt und ich lebe mit ihm und in ihm! Das ist die Kraft Gottes, die er mir täglich gibt. Deshalb habe ich es geschafft, von den Drogen freizukommen. Es war nicht mein Verdienst, sondern Gottes Werk!

Was Sie erlebt haben, möchten Sie anderen weitergeben und ihnen helfen. Wie geschieht das?
Da gibt es viele Möglichkeiten. Mein Buch eignet sich sehr gut, um es an Schulen, Universitäten und bei Rock- und Popfestivals und -konzerten zu verteilen. Auch stehe ich für Schulungen, Präventiv-Vorträge und natürlich für Evangelisationen zur Verfügung.

Ich bin längst nicht der einzige ehemalige, gläubige Drogenabhängige. Gemeinsam mit anderen Christen organisieren wir immer wieder Einsätze, bei denen wir möglichst viele Menschen mit der guten Botschaft Gottes erreichen wollen. Wer ein Herz für Evangelisation hat, den wollen wir ermutigen, voranzugehen, und ihn gerne dabei unterstützen. In den Räumen unserer christlichen Drogenarbeit haben wir auch die Möglichkeit, Menschen von der Strasse aufzunehmen. Diejenigen, die bleiben, nehmen meistens den christlichen Glauben an und werden frei von ihrer Sucht. Es ist jedes Mal ein Wunder! Die letzten Jahre durften wir das vielfach miterleben und ich habe Freunde gewonnen, die ich schätze und liebe!

Worin bestehen die Kernpunkte dieser christlichen Drogenarbeit?
In Johannes, Kapitel 8, Verse 31-32 steht: «Da sprach Jesus zu den Juden, die an ihn glaubten: Wenn ihr in meinem Wort bleibt, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger, und ihr werdet die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch frei machen.» Diese Aussage trifft den Kern unserer Arbeit. Wir wollen den Süchtigen Gottes Wort nahebringen, das die Macht hat, ihnen ein neues Leben zu geben. Wenn dies geschehen ist, werden sie wieder beziehungsfähig. Dadurch reifen sie und beginnen Verantwortung für sich zu übernehmen, bis sie schliesslich fähig sind, auch anderen zu helfen und eine Familie zu gründen. Auf diesem Weg begleiten wir die Menschen, die sich uns anvertrauen, bis sie eigenverantwortlich ein gutes, gottgefälliges Leben führen.

Wie viele schaffen einen wirklichen Ausstieg?
Wenige. Aber auf den Einzelnen kommt es an. Bei uns sind es momentan zwei bis drei pro Jahr, die von ihrer Sucht frei werden.

Was ist entscheidend, dass jemand von den Drogen wegkommt?
Erstmal muss derjenige es selbst wollen und dann sollte er Gott und seinem Bodenpersonal Vertrauen schenken.

Was raten Sie Eltern, die ein Kind an die Drogen verloren haben?
Das ist ein undankbares Thema, weil es viel zu viele Eltern gibt, die ihre Kinder endgültig an die Drogen verloren haben. Aber trotzdem gilt es, einiges zu beachten. Sie sollen die Hoffnung nicht aufgeben und ihren Kindern signalisieren, dass sie sie lieben und bereit sind, ihnen zu helfen, wenn sie wirklich Hilfe brauchen. Geben Sie jedoch kein Bargeld und lassen Sie dieses und wertvolle Gegenstände nicht offen herumliegen. Geld zu geben ist falsch verstandene Liebe. Meistens werden da Mütter bei ihren süchtigen Söhnen schwach («Mama, bitte, ich verspreche dir, nur noch einmal» – das ist natürlich eine Lüge). Wie schuldig muss sich eine Mutter fühlen, wenn sich der Sohn genau mit diesem Geld den tödlichen Schuss setzt... Holen Sie sich professionelle Hilfe. Und wenn Sie bisher noch nicht an Gott geglaubt haben, dann haben Sie jetzt allen Grund dazu. Flehen Sie zu ihm, dass er Ihr Kind rettet.

Wie können Eltern ihre Kinder «aufklären», um zu verhindern, dass diese mit Drogen in Kontakt kommen?
Zuerst müssen die Eltern aufgeklärt werden, bevor sie ihre Kinder unterweisen. Aber es gibt ein paar grundsätzliche Dinge, die helfen. Gewinnen Sie die Herzen Ihrer Kinder, sorgen Sie für ein liebevolles Zuhause. Seien Sie ehrlich und nicht moralisierend. Reden Sie mit Ihrem Kind über Sucht, selbst wenn Sie mit schlechtem Vorbild vorangegangen sind und vielleicht Probleme mit Alkohol und Zigaretten haben. Dann bekennen Sie sich als Versager und wünschen Ihrem Kind, dass es ihm nicht passiert. Im Idealfall geben Sie diese Dinge um der Liebe willen auf. Ermutigen Sie Ihr Kind, im Leben etwas Sinnvolles zu erreichen, für das es sich zu leben lohnt, und reden Sie mit ihm über (erreichbare) Ziele (tägliche, wöchentliche, monatliche, jährliche). Und schliesslich: Verbringen Sie viel Zeit mit Ihrem Kind! Die ist sehr, sehr kostbar, denn sie verrinnt uns zwischen den Fingern wie feiner Sand.

Zur Person:

Markus Finkel ist am 29. April 1963 in Deutschland als drittes von vier Kindern geboren. Seit 2002 ist er mit Stefanie verheiratet. Die beiden haben fünf Kinder: Vincent (12), Noel (10), Elias (9), Jeremy (7) und Valerie (4). Seit zehn Jahren ist er in einer christlichen Drogenarbeit in München engagiert und vertreibt Bücher im eigenen Verlag (Soulbooks). Er schreibt Bücher und Artikel für Zeitschriften.

Zum Buch:
Schweiz
Deutschland

Zur Webseite:
Soulbooks
Christliche Drogenarbeit e.V

Zum Thema:
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Datum: 23.10.2015
Autor: Daniela Wagner
Quelle: Ethos

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