Leere Versprechungen gibt's aber auch von Menschen, die uns besonders nahe stehen. Ehepartner wollen sich mehr Zeit für einander nehmen. Kinder versprechen, sich mehr um ihre Hausaufgaben zu kümmern. Und Eltern, dass sie ihren Kindern dabei helfen werden. Doch in der Hektik des Alltags bleibt es bei den guten Vorsätzen, und Enttäuschung macht sich breit. Ganz ähnlich war es wohl auch in der Beziehung zwischen Gott und dem Volk Israel. Die schönsten Versprechungen hat Gott den Israeliten gemacht. Sie sollen zahlreich werden wie die Sterne am Himmel. Das Land, das Gott ihnen gegeben hat, soll für immer in ihrem Besitz bleiben. Und den gottlosen Völkern soll es an den Kragen gehen, so dass sie für Israel keine Gefahr mehr bedeuten. Doch die Realität sieht anders aus. Gott scheint seine Versprechen nicht einzulösen. Zur Zeit des Propheten Jesaja werden die Assyrer für das Südreich Juda zu einer ernsthaften Gefahr. Immer größer wird ihr Einflussgebiet. Die Machthaber in Juda versuchen verzweifelt gegenzusteuern: Sie erkennen die Oberherrschaft der Assyrer an, um nicht platt gemacht zu werden. Dann ändern sie ihre Taktik und verbünden sich mit anderen Völkern gegen die Assyrer. Doch es nützt alles nichts: Zum Schluss ist ganz Juda in der Hand der Assyrer und Jerusalem von deren Heer eingeschlossen. Warum macht Gott seine Verheißungen nicht wahr? Der Prophet Jesaja gibt darauf eine klare Antwort: Weil Gottes Volk nicht mehr auf Gott, sondern auf die eigene Stärke und auf politisches Kalkül vertraut. Erst als dem König von Juda überhaupt keine andere Wahl mehr bleibt als auf Gottes Hilfe zu hoffen, wird wenigstens die Hauptstadt Jerusalem mitsamt dem Tempel in letzter Stunde gerettet. Fast schon am Ende des Jesajabuches, in Kapitel 63 taucht die Frage auf: Hätte Gott sein Volk nicht davor bewahren können, dass es in den eigenen Untergang rennt? Jesaja gibt darauf keine Antwort. Was bleibt, ist die Bitte um Gottes gnädiges Eingreifen: "Ach dass du den Himmel zerrissest und führest herab!" Die Einsicht, dass Gott seine Verheißungen tatsächlich erfüllen will, kommt spät. Die Einsicht, dass menschliche Sünde und menschliche Vermessenheit Gottes Eingreifen verhindern können, kommt fast zu spät. Vielleicht hätten auch wir als Christen schon viel mehr von Gottes Wirken erlebt, wenn wir ihn nicht daran gehindert hätten. Einziger Trost: Auch das größte Unglück kann uns nicht von Gottes Liebe trennen. Wenn Menschen völlig am Ende sind, fangen Gottes Möglichkeiten erst richtig an!
Datum: 06.09.2003
Autor: Kai-Uwe Woytschak
Quelle: ERF Deutschland