Ist die Gemeinde Reich Gottes?
Das Reich Gottes oder das "Reich der Himmel" meinen das gleiche: Die Herrschaft Gottes, die in der himmlischen Welt wirksam ist, soll auch auf der Erde Realität werden. Bereits im Alten Testament sei die Herrschaft Gottes auf der Welt ein wichtiges Element gewesen, betonte Max Schläpfer, Präsident des Verbandes Evangelischer Freikirchen und Gemeinden (VFG), in Bern. Im Neuen Testament spricht Jesus vom kommenden und gegenwärtigen Reich Gottes. "Es ist inwendig in euch", sagte Jesus. "Christen sind aufgefordert, diese Herrschaft in ihrem Leben zuzulassen, in welcher Gesellschaft und Kultur sie auch leben", so Schläpfer.
Reich Gottes ist nicht die Kirche
Das Reich Gottes darf aber nicht mit "der Kirche" gleichgesetzt werden. Augustinus habe dies getan, mit verheerenden Folgen. Die Idee habe eine intolerante Kirche hervorgebracht, welche alle Andersdenkenden verfolgte, warnte Schläpfer. Das Reich Gottes sei eben nicht physisch zu orten, sondern in der Form von "Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist" (Paulus im Brief an die Christen in Rom) in Menschen lebendig, die sich Gottes Herrschaft aussetzen.
Wichtig sei auch, dass das Reich Gottes in der Gemeinde zwar in einer vorläufigen Form erlebt werden könne, in seiner ganzen Fülle aber erst noch kommen werde. Vollmächtige Taten Gottes, zum Beispiel Heilungswunder, seien daher nicht selbstverständlich, auch wenn sie sich immer wieder ereigneten. "Wir sind seine Botschafter auf der Welt", bereit, das Evangelium weiterzutragen, betonte Schläpfer.
Reich Gottes und Gemeinde
Daniel Moser, Leiter der Freien Charismatischen Gemeinden in der Schweiz (FCGS), fragte anhand der Sendschreiben in der Offenbarung (Offb. 2-3) nach dem Verhältnis von Gemeinde und Reich Gottes. Zwar geschähen in der Gemeinde Zeichen und Wunder. Das Reich Gottes sei aber immer mehr als die christlichen Gemeinden. Die Gemeinde sei jedoch "die zentrale Organisation" innerhalb des Reiches Gottes.
Christen seien Bürger des Reiches Gottes und normalerweise auch Glieder einer Gemeinde. Der Hebräerbrief mahne die Christen, sich "in der Liebe und zu guten Werken anzuspornen", indem sie die Zusammenkünfte nicht verliessen. Die Gemeinden ihrerseits täten gut daran, sich auf die biblischen Dienste zu besinnen, betonte Moser, Vorstandsmitglied des VFG.
Reich Gottes als Gegengesellschaft
In der folgenden Diskussion wurde die Frage aufgeworfen, wie viel Reich Gottes denn in unseren Gemeinden auch sichtbar werden müsste und wie viel Einfluss die Gemeinde auf die öffentliche Ordnung und die Gesellschaft haben könne (Der VFG hat vor zwei Jahren ein detailliertes Politikpapier vorgelegt). Dabei sei die Grundsatzfrage zu stellen, ob die Gemeinde überhaupt in die Gesellschaft hineinwirken wolle. Nach seiner Beobachtung habe in den letzten Jahren eher ein Rückzug aus dem öffentlichen Engagement stattgefunden, gab ein Leiter zu bedenken.
Vorbild kann das Reich Gottes gegenüber der Gesellschaft sein, indem Gemeinden als Gegengesellschaft Werte aufzeigen, welche in der Gesellschaft nicht bekannt sind. Zum Beispiel indem man bereit ist, allen den gleichen Lohn zuzugestehen, auch wenn nicht gleich viel gearbeitet wurde (Matthäus 20). Oder wenn weniger das Geld als vielmehr die gelebte Freundschaft zählt (Lukas 16). Die Christen als Bürger des Reiches Gottes können sich in diesem Sinne als Gegengesellschaft konstituieren, was allerdings in jeder Weltgegend wieder etwas Anderes bedeute, sagte Markus Bach, Delegierter der Evangelisch-methodistischen Kirche.
Datum: 29.09.2008
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet.ch