John Mulinde in Thun

Was bewegt uns zu beten?

Beten wir, dass Gott zum Zug kommt – oder beten wir, damit unsere Probleme gelöst werden? Der ugandische Gebetsleiter und Autor John Mulinde warf in Thun diese Grundfrage des christlichen Lebens auf und durchleuchtete damit die Gebetsbewegung in seinem Land.
Ugandas Krisen, Ugandas Wunder: John Mulinde schilderte die letzten Jahrzehnte als geistliche Achterbahn.
„Beten wir, damit sich unser Verlangen erfüllt?“ John Mulinde.
Uganda
Freunde und Partner: John Mulinde und Walter Bernhard
An den Thuner „Gebets- und Transformationstagen“ nahmen von Mittwoch bis Samstag insgesamt über 500 Personen teil.
Walter Bernhard wies im Gebet störende Mächte aus der Halle.

In seiner ersten Predigt an der Thuner „Gebetskonferenz warf Mulinde am Donnerstag Nachmittag Schlaglichter auf die soziale und geistliche Entwicklung Ugandas seit Idi Amin. Als der Diktator das Land terrorisierte, hätten die Christen zu Gott geschrien, dass er ihnen Frieden schenke. Idi Amin verlor seine Macht, aber mit der Freiheit für die Kirchen breiteten sich in den 80er Jahren auch Hexerei und Ahnenkulte aus. „Das Land kam nicht zu Gott; es erlaubte ihm nicht, seine Herrschaft aufzurichten.“

Heraus aus der Krise – hinein in die nächste

Als die Christen später, in einer Zeit der Anarchie, da sich nachts niemand auf die Strasse traute, zu Gott riefen, habe er wieder Stabilität geschenkt – aber während die Kirchen wuchsen, hätten auch Promiskuität und Prostitution zugenommen. „War das Gebet wirksam?“ fragte Mulinde. Und antwortete: „Ja! Er gab uns, was wir erbeten hatten. Aber breitete sich seine Herrschaft aus? Geschah sein Wille mehr und mehr auf Erden wie im Himmel? Nein!“ Mulinde folgert daraus, dass es möglich ist, „dass wir für die Erfüllung unseres Verlangens beten, aber dabei Gottes Vorhaben verfehlen“.

Mehr als Erfolge im Kampf gegen Aids

Dies ist in der Wahrnehmung des ugandischen Pastors, der in der Hauptstadt Kampala die „World Trumpet Mission“ leitet, ein weiteres Mal geschehen. Die Aids-Seuche habe Uganda ins Elend gestossen und die Christen ins Gebet getrieben. Gott habe tatsächlich eingegriffen; heute gelte Uganda wegen seines Kampfs gegen Aids international als Modell (ein Bericht dazu folgt). „Gott hat unsere Gebete beantwortet“, sagte Mulinde. Aber nun kam etwas Anderes ins Bild: Gott sagte uns: Seid nicht weiter fixiert auf eure Probleme! Wendet eure Aufmerksamkeit meinen Plänen für dieses Land zu!”

Welchen Fokus hat das Gebet?

John Mulinde streifte in der Folge das Wirken der Christen Ugandas in der Öffentlichkeit. Politiker, Geschäftsleute und Stars hätten in den letzten Jahren ihr Leben Christus gegeben. Christlich umgeprägt, seien Institutionen gesundet. Die Gesetzgebung werde zunehmend von Christen beeinflusst. Trotz alledem müssten sich die Gläubigen fragen, ob ihr Beten richtig motiviert und ausgerichtet ist. Bei dem Gewicht, das sie auf intensives, anhaltendes und wirksames Beten gelegt hätten, seien sie am Wichtigsten vorbeigegangen: “Gebet allein kann die Herrschaft Gottes nicht herbeibringen.”

In einer mehrmonatigen Sabbatzeit kamen John Mulinde und sein Team zur Einsicht, dass es nicht auf die Gebetsleistung, sondern die Offenheit für Gottes Wirken ankommt: “dass wir zu einem Ort gelangen, an dem wir uns ausliefern (surrender) – nicht für unser Leben, sondern für unser Land. Dann kommt Gott durch: wenn es uns nicht mehr um uns selbst geht.“

“Wir ringen mit unserer Natur”

Nach Jahren des Gemeindewachstums sieht Mulinde vermehrt wohlstands- und erfolgsorientierte Christen in seinem Land. “Es wird immer noch viel gebetet. Aber sich auszuliefern – das tritt in den Hintergrund. Wir wachsen, Christus nimmt ab…” Der ugandische Pastor liess keinen Zweifel daran, dass Gebet wesentlich ist. „Denn durch Gebet kommen wir an den Ort, wo wir uns Christus ausliefern.“ Aber Christen sollten sich dabei nicht über ihre Neigung, um sich zu kreisen, hinwegtäuschen. „Wir ringen alle mit unserer menschlichen Natur. Solange wir ihr verhaftet bleiben, können wir die Herrlichkeit Gottes nicht berühren. Vielleicht riechen, aber nicht berühren.“

Augen auf für die Wirklichkeit Gottes

Am Vormittag hatte Walter Bernhard, der Organisator der Gebetstage, die Teilnehmenden aufgerufen, sich „nach Hause“ in die Gegenwart Gottes führen zu lassen – und allem abzusagen, das dem im Weg stehen könnte: Angst, Unreines, Finsteres, der Wille zur Kontrolle. Um die Pläne Gottes zu erkennen und anderseits Abwegiges zu bemerken, brauchen Christen „geöffnete Augen“, sagte der Thuner Gebetsleiter und verwies auf das Gebet von Paulus in Epheser 1. Offene Augen in zwei Richtungen: den Blick für die Herrlichkeit Gottes im Himmel – aber auch das Wissen um die Schrecken der Hölle, der Gottferne. „Wir alle haben es nötig, dass mehr Licht kommt, damit wir klarer sehen.“

„Trainingscamp für wirksames Gebet“

Bernhard las den Psalm 84 und dankte dann Gott dafür, „dass du uns zum Ende bringst unserer eigenen Werke, auch unserer Gebetswerke“. Jesus sei gekommen, „dass Menschen freigesetzt werden und in ihre Würde als Königskinder hineinkommen“. Walter Bernhard mahnte die Teilnehmenden, die zwischendurch zum persönlichen Gebet zu zweit und dritt zusammenstanden, Gott an sich wirken zu lassen: „Gott bringt durch seinen Geist sein Wort in unserem Herz zur Anwendung. Wir haben viel zu lange in unseren Breitengraden ein verkopftes Christentum gelebt. Wir haben keine Ahnung, wie reich wir sind.“

Wer noch an inneren Verletzungen leide, solle immer wieder „in die Arme des Vaters laufen“, sagte der Thuner Gebetsleiter. Wer sich über Versagen schäme, solle es Gott bekennen und dann dem „König wieder in die Augen schauen“. Laut Bernhard haben Christen allen Grund, einer „schamgeprägten Grundhaltung“ den Abschied zu geben. „Ist Gott für uns, wer kann gegen uns sein?“

Weitere Berichte folgen.

Datum: 04.09.2006

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