«Einfach Gebet»: Wenn ich keine Ruhe zum Beten finde
Johannes Hartl ist aktuell einer der ganz begehrten christlichen Redner. Auch in der Schweiz. Es wundert nicht, dass sein neustens erschienene Buch «Einfach Gebet» bereits ebenfalls hoch im Kurs ist. Doch wieso eigentlich? Gibt es übers Gebet überhaupt noch etwas zu sagen, das nicht bereits von unzähligen Betern und Lehrern erörtert wurde?
Die Aufmachung ist erfrischend anders
Wer «Einfach Gebet» in den Händen hält, hat sofort das Gefühl von etwas Neuem. Der Umschlag ist rau und die Seiten grün umrandet. Ein kurzes Durchblättern zeigt viele Zeichnungen und Illustrationen. Immer wieder folgen grüne Seiten, auf welchen praktische Übungen beschrieben sind. Dieser Wegweiser zum Gebet will bestimmt nicht durch hohen intellektuellen Anspruch bestechen. Der ewige Ruf, das Gebet als die wichtigste Sache der Welt ernst zu nehmen, kann schon ermüden. Da kommt eine frische Aufmachung richtig gelegen.
Auch der Schreibstil ist nicht 08/15
Von Anfang an verzichtet Hartl darauf, Gebet zu definieren. Zurecht scheint er davon auszugehen, dass der Leser ohnehin schon genug abstrakte Ausführungen gehört und gelesen hat. Stattdessen werden zahlreiche Bilder und Begebenheiten sehr bildhaft geschildert. Es ist Hartls Stil, auf diese Weise Themen zu entfalten. Die Spuren seines Philosophiestudiums sind dabei sehr wohl erkennbar. Dieser Stil mag vielleicht nicht allen Lesern in gleichem Masse entsprechen, auf jeden Fall aber ist er erfrischend anders.
Hartl scheut sich auch nicht, umstrittene Ausdrücke wie «Visualisieren» oder «sich leer machen» aufzunehmen. Wer sich daran stösst und fürchtet, unter den Einfluss esoterischen Gedankenguts zu kommen, kann aber einfach darüber hinweglesen. Diese Ausdrücke sind für Hartls Verständnis von Gebet nicht zentral.
12 praktische Anregungen zum Einstieg ins Gebet
Das Buch besteht aus zwölf praktischen Ansätzen zum Entwickeln einer lebendigen Gebetskultur. Der grössere Teil davon zielt auf den Einstieg ins Gebet. Ein inneres Zur-Ruhe-Kommen, tiefes Wahrnehmen der Schöpfung oder das Bewusstsein einer höheren Realität – Dinge, welche eine Gebetskultur fördern. Hartl verliert dabei verhältnismässig wenig Zeit, sich mit Gott selbst zu beschäftigen. Nachdem der Leser gelernt hat, wie er zur Ruhe kommen kann, wird die Beziehung zu Gott angesprochen. Aber eigentlich erst gegen Ende des Buches. Dadurch erhält «Einfach Gebet» eine gewisse Einseitigkeit. Das darf aber so sein, denn es versteht sich eindeutig nicht als umfassendes Werk übers Gebet. Es ist eine praktische Hilfe, um persönliche Gewohnheiten zu entwickeln.
Kein Klassiker, aber eine gute praktische Hilfe
«Einfach Gebet» wird kaum ein Klassiker unter den vielen Büchern übers Gebet werden. Wer ein umfassendes und doch tiefgreifendes Werk zu diesem Thema sucht, sollte besser «Im Gebet wachsen» von Mike Bickle lesen. Trotzdem ist Johannes Hartl ein Werk gelungen, welches eine Lücke im aktuellen Buchmarkt schliesst. Es geht nicht um eine umfassende Lehre oder ein tiefes Verständnis der Beziehung mit Gott. Das Buch soll als praktische Hilfe verstanden werden, um einen neuen, lebendigen Zugang zum Gebet zu finden. Wer das Buch mit dieser Erwartung zur Hand nimmt, wird mit Sicherheit einen Gewinn davon haben. Es eignet sich besonders für Menschen, die sich nach einem tieferen Gebetsleben sehnen, dieses in der Hektik des Alltags aber nicht finden können.
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Datum: 07.02.2017
Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet