"Zwischen Mann und Frau gibt es vor Gott keinen Unterschied"
Mit erstaunlicher Gelassenheit sieht sie jenem Ereignis entgegen, das sie schon bald in den Clinch mit der römisch-katholischen Kirche bringen wird: Am 24. Juni lässt sich Monika Wyss – zusammen mit zwei weiteren, aus Amerika stammenden Frauen – auf einem Bodensee-Schiff zur ersten römisch-katholischen "Priesterin" der Schweiz weihen. Am 31. Juli sollen in Pittsburg/USA zwölf weitere "Priesterinnenweihen" stattfinden.
"Bloss die Initialzündung für Kommendes"
Dass sie damit die Exkommunikation riskiert, scheint Monika Wyss nicht weiter zu stören. "Die Zeit ist ganz einfach reif, dass auch in der römisch-katholischen Kirche endlich Frauen zu Priesterinnen geweiht werden. Wir setzen bloss die Initialzündung für etwas, das früher oder später in der römisch-katholischen Kirche ohnehin kommen wird."
Die "Priesterinnenweihe" auf dem Bodensee soll streng nach katholischem Ritus durch Handauflegung und Weihegebet erfolgen. Weihespenderinnen sind drei Frauen, die bereits im Juni 2002 durch einen argentinischen "Bischof" illegal zu "Priesterinnen" geweiht wurden (Gisela Forster, Patricia Fresen und Ida Raming) und inzwischen selber zu "Bischöfinnen" avanciert sind. Seit 2002 sind in Europa und in den USA bereits rund zwanzig Frauen zu römisch-katholischen "Priesterinnen" geweiht worden.
Prägendes Kindheitserlebnis
Monika Wyss ist gelernte Goldschmiedin und lebt heute als allein erziehende Mutter mit ihrer zehnjährigen Tochter in Riehen. Die bevorstehende "Priesterinnenweihe" ist in ihren Augen die logische Fortsetzung einer bewegten Lebensgeschichte, auf die sie zurückblicken kann. "Als fünfjähriges Kind lag ich nach einer Operation während einer Woche im Koma und hatte dabei eine so genannte Nahtoderfahrung, die mein künftiges Leben ganz entscheidend geprägt hat", erzählt die 47-Jährige: "Am Ende eines Tunnels machte ich die unbeschreibliche Erfahrung von absoluter Ruhe und hellem Licht eine Erfahrung, an die ich mich auch später immer wieder erinnerte."
Aufgewachsen in einer streng katholischen Familie, sei für sie die Auseinandersetzung mit religiösen Fragen schon immer von grosser Bedeutung gewesen. "Bereits mit zwölf Jahren las ich die ganze Bibel. Und ich konnte überhaupt nicht verstehen, dass meine drei Brüder Ministranten werden durften, während ich als Mädchen vom Dienst am Altar ausgeschlossen war." Das hatte zur Folge, dass sie die "heilige Messe" eben zu Hause inszenierte: "Meine drei Brüder waren die Ministranten und ich spielte den Pfarrer."
Frauen sind gleichwertig
Die innere Berufung, "Priesterin" zu werden, ist schliesslich viele Jahre später wieder neu erwacht: Nach ihrer Tätigkeit als Goldschmiedin und später als Computer-Fachfrau entschloss sie sich, doch noch Theologie zu studieren: Von 1999 bis 2003 war sie an der Theologischen Fakultät der Universität Luzern immatrikuliert und arbeitete gleichzeitig als Religionslehrerin in der Pfarrei St. Gallus in Kriens LU.
Während ihrer Ausbildung habe sie mit anderen Theologiestudierenden und auch mit Professoren und Professorinnen immer wieder über die Frage der Frauenordination diskutiert und sei dabei zum Schluss gekommen: "Zwischen Mann und Frau gibt es vor Gott keinen Unterschied und das gilt auch für das Priesteramt." Mit dieser Auffassung steht die angehende "Priesterin" im Widerspruch zur offiziellen Lehrmeinung der römisch-katholischen Kirche: Gemäss Kirchenrecht ist eine Frauenordination unmöglich, denn die "heilige Weihe empfängt gültig nur ein getaufter Mann".
Bischof Koch schweigt
Wie reagieren die Verantwortlichen des Bistums Basel auf die angekündigte "Priesterinnenweihe" auf dem Bodensee? – Wie Hans-Ernst Ellenberger, Medienbeauftragter des Bistums Basel, auf Anfrage erklärte, gibt das bischöfliche Ordinariat in Solothurn überhaupt keine Stellungnahme ab. Anlässlich der "Priesterinnenweihe", die vor vier Jahren auf dem Donauschiff stattgefunden hat, sei zu diesem Thema schon genügend gesagt worden, meinte Ellenberger.
Im Sommer 2002 hatten sich sieben Katholikinnen aus Deutschland und Österreich erstmals vom umstrittenen "Bischof" Romulo Braschi aus Argentinien weihen lassen. Die Reaktion des Vatikans kam postwendend. Diese Weihe sei "ungültig und nichtig" und stelle "einen schweren Verstoss gegen die göttliche Verfassung der Kirche dar", schrieb damals Kardinal Joseph Ratzinger als Präfekt der Glaubenskongregation und verfügte nach Ablauf einer Bedenkfrist die Exkommunikation der sieben Frauen, die seither freiberuflich tätig sind.
Monika Wyss ist nicht weiter erstaunt darüber, dass die geplante "Priesterinnenweihe" auf dem Bodensee von den offiziellen Kirchenverantwortlichen ignoriert wird: Sie habe bereits vor ihrer "Diakonatsweihe" im Jahr 2004 Bischof Kurt Koch geschrieben, aber nie eine Antwort erhalten.
"Veraltetes Priesterbild"
Die Luzerner Theologin Li Hangartner, Leiterin der Fachstelle feministische Theologie der Frauenkirche Zentralschweiz, hat durchaus Verständnis für die Anliegen der Ordinationsbewegung von Frauen. Der eingeschlagene Weg löst bei ihr allerdings auch ambivalente Gefühle aus. In der Art und Weise, wie die Weihe auf dem Bodensee stattfindet, werde ein veraltetes Priesterbild übernommen, betont Hangartner: "Hier kommt ein zu individualistisches Priesterverständnis zum Ausdruck. Ein Priestertum ohne Gemeinde macht für mich aber keinen Sinn."
Andererseits ist für sie klar, dass eine Sensibilisierung für die Frauenanliegen in der Kirche heute dringend notwendig ist. Selbstverständlich müsse immer wieder daran erinnert werden, dass es "keine biblisch begründeten Argumente gegen die Priesterweihe von Frauen gibt".
Möglicherweise gar kontraproduktiv
Auch Xaver Pfister, Medienbeauftragter der Römisch-katholischen Kirche Basel-Stadt, ist nicht ganz glücklich über das Vorgehen der Initiantinnen der bevorstehenden "Priesterinnenweihe": "Ich frage mich, ob derartige Grenzüberschreitungen uns in der Sache wirklich weiterbringen werden, oder ob sie womöglich gar kontraproduktiv sind."
Autor: Benno Bühlmann
Bearbeitung Livenet
Datum: 24.06.2006
Quelle: Kipa