Kanton Bern: Freikirchen haben besonders grossen Zulauf
Freikirchen im Kanton Bern stellen eine «bunte Vielfalt» dar. Wie der Zeitungsartikel der Berner Zeitung BZ festhält, reicht die Bandbreite von den traditionellen Täufergemeinden über Vineyard bis hin zu jungen Gruppen wie die Generation postmodern Church (GPMC) in Thun. Das ICF, das in Bern, Thun und anderen Orten eine (recht grosse) Multisite-Church hat, kommt interessanterweise nicht vor.
Meiste freikirchliche Gruppierungen
Eine Studie über das Verhältnis von Kirche und Staat, die der Kanton im letzten Jahr in Auftrag gab, stellte fest, dass Bern wohl der Kanton mit den meisten freikirchlichen Gruppen ist. Ergänzend erklärt Stefan Rademacher, Autor des Handbuchs «Religiöse Gemeinschaften im Kanton Bern», dass sich Freikirchen besonders im Oberland und im Emmental konzentrieren. Rademacher stellt rund 200 solcher Vereinigungen im ganzen Kanton fest. Die genaue Zahl sei allerdings schwer festzustellen – einerseits weil Freikirchen sich nicht registrieren müssten und andererseits, weil es immer mehr kleine Gemeinden gebe, von denen die Öffentlichkeit z.T. kaum etwas wisse.
Trend zu Hausgemeinden
EVP-Grossrat und Grossratspräsident Marc Jost ist gleichzeitig Generalsekretär der Schweizerischen Evangelischen Allianz, die etwa 640 landes- und freikirchliche Ortsgemeinden in der Schweiz verbindet und repräsentiert. Jost stellt einen neuen Trend zu sogenannten Hausgemeinden fest: «Das sind kleine Gruppen von Christen, die sich an Hausversammlungen treffen.» Die vorhin erwähnte GPMC zum Beispiel sei «als Hausgemeinde organisiert und spricht vor allem Junge an: Die Mitglieder treffen sich wöchentlich in Gruppen von 5 bis 15 Personen zum sogenannten Livegroove, wo gemeinsam gegessen, gebetet und gefeiert wird. Die Predigten am Sonntag heissen Interface.em», erklärt der BZ-Artikel.
Das liebe Geld
Bekanntlich unterscheiden sich Freikirchen strukturell in zwei Punkten wesentlich von den Landeskirchen: die Mitglieder treten der Gemeinde freiwillig bei und werden nicht durch Geburt bzw. Taufe automatisch aufgenommen. Und Freikirchen erhalten kein Geld vom Staat. Jost: «Alle Freikirchen im Kanton Bern, die mir bekannt sind, werden durch Spenden der Mitglieder finanziert»
Der Kanton Bern hat es zwar für den Moment abgelehnt, weitere Religionen und Freikirchen zu unterstützen. Aber vom Tisch ist das Thema nicht – wenn die Revision des Kirchengesetzes unter Dach sei, wolle sich der Kanton diesen Fragen neu widmen.
Grosses Engagement für die Gesellschaft
Die reformierte Landeskirche hätte keine Mühe damit, dass auch Freikirchen vom Staat finanziell unterstützt würden. Allerdings müsse der Kanton «Kriterien und Bedingungen festlegen, die denen der Landeskirchen entsprechen», sagte Adrian Hauser, Sprecher der Reformierten Kirche Bern-Jura-Solothurn. Das bedeutet: Die Freikirchen müssten gemeinnützige Leistungen erbringen, einen hohen Standard in der Ausbildung haben, transparent arbeiten, ihre Mitglieder nicht vereinnahmen und Respekt vor Andersgläubigen haben.
Marc Jost ist überzeugt, dass fast alle Freikirchen im Kanton Bern diese Bedingungen erfüllen. Es gebe nur «ganz wenige religiöse Gemeinschaften, die sich von der Gesellschaft abspalten und keinen Dienst an der Gesellschaft erbringen.» Die grosse Mehrheit der Freikirchen «leisten oft Kinder- und Jugendarbeit, bieten Lebens-, Ehe- und Familienberatung an, Sprachkurse für Ausländer, Besuchsdienste für alte Menschen, machen Krankenbesuche, begleiten Beerdigungen und Trauungen oder engagieren sich anderweitig im Quartier, im Dorf oder in der Stadt».
«Sekten» ist überholt
In einer wohltuenden Klärung stellt die BZ in einer erklärenden Seitenspalte fest, dass Freikirchen und Sekten zwei recht verschiedene Dinge seien. «Die meisten Freikirchen im Kanton Bern grenzen sich klar von Sekten ab. Sie sind als Verein organisiert. Das erschwere eine guruhafte Führung, sagt der Verband Schweizer Freikirchen. Und dieser Verband betont auch, dass Freikirchen zwar ihre Auffassungen verkünden und verbreiten würden, dass sie damit aber niemanden vereinnahmen wollten, sondern bloss Entscheidungshilfen böten.»
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Datum: 27.09.2015
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet / Berner Zeitung BZ