Missverständnisse übers Pastorendasein
«Das war nur ein Missverständnis», ist eine klassische Entschuldigung. Man wollte etwas anderes und hat sich vertan. Alles nicht so schlimm, ist die Botschaft dahinter. Doch unabsichtliche Fehler können trotzdem gravierende Folgen haben. Wer an Atemnot und Übelkeit leidet und dazu noch Schmerzen im Rücken und einem Arm hat, kann natürlich noch übermüdet von der anstrengenden Arbeit sein, aber es könnte sich eben auch um einen Herzinfarkt handeln. Das wäre dann unter Umständen ein tödliches Missverständnis…
Derart dramatisch sind die Missverständnisse nicht, die über das Berufsbild von Gemeindeleitern im Umlauf sind, doch auch diese haben Auswirkungen: Sie verhindern oftmals, diese Menschen in ihrer Berufung ernst zu nehmen – oder sie auf der anderen Seite nicht zu ernst zu nehmen, sprich: sie nicht zu Superheiligen zu stilisieren. Einige typische Missverständnisse sind die folgenden:
Pastoren arbeiten hauptsächlich sonntags
«So gut möchte ich es auch einmal haben», hört ein Pastor manchmal nach der Predigt am Sonntag. «Nur ein richtiger Arbeitstag. Wenn ich da an mich denke…» Natürlich ist es allen klar, dass Pastoren mehr tun als predigen, aber weil das meiste davon allein in ihrem Büro oder in diversen Gruppen, Gremien und Kreisen stattfindet, in denen die wenigsten Gemeindemitglieder sind, fällt dieser Arbeitsanteil leicht unter den Tisch: Konfirmanden- und vielleicht Religionsunterricht, Treffen mit der Gemeindeleitung, dem Kirchenvorstand, dem Bauausschuss, Vorbereitungen für Veranstaltungen, Seelsorge, Coaching oder einfach nur geplantes Miteinander. Die Liste liesse sich beliebig verlängern. Kaum ein Pastor erreicht es, seine Arbeitszeit auf 40 Wochenstunden zu reduzieren. Damit ist er in guter Gesellschaft, was engagierte Gemeindemitglieder angeht, aber er ist eben kein Sonderfall, der Arbeit nur aus der Ferne kennt.
Pastoren haben es eher leicht
In unseren Breiten landet man nicht dafür im Gefängnis, dass man als Pastor einer Gemeinde vorsteht. Das Schlimmste, was man erntet, wenn er den eigenen Beruf nennt, ist ein abschätziger Blick. Kaum jemand kann sich wie Paulus hinstellen und erklären: «Ich habe weit mehr Mühsal, über die Massen viele Schläge ausgestanden, war weit mehr in Gefängnissen, öfters in Todesgefahren. Von den Juden habe ich fünfmal 40 Schläge weniger einen empfangen; dreimal bin ich mit Ruten geschlagen, einmal gesteinigt worden; dreimal habe ich Schiffbruch erlitten; einen Tag und eine Nacht habe ich in der Tiefe zugebracht.» Das braucht er auch gar nicht. Was schon Paulus, Petrus & Co damals als wirklich belastend empfanden, ist etwas ganz anderes: «die Sorge für alle Gemeinden». Das ist auch heute der Schwerpunkt. Denn als Pastor steht man ständig vor der Herausforderung, Dinge zu tun oder wenigstens anzustossen, die man nicht bewältigen kann: Menschen verändern, Hoffnung geben, Glauben wecken. Leicht ist das nicht.
Pastoren leben nicht in der Realität
Es stimmt: Manche Pastoren sind weltfremd. Aber das gilt auch für Maurer, Lehrerinnen und Biologen. Die meisten sind dagegen nicht nur selbst Menschen (welche Überraschung!), sondern stehen auch vor den gleichen Herausforderungen wie Menschen mit anderen Berufen. Was sie permanent versuchen, ist dagegen, Gottes Realität auf die umgebende Wirklichkeit zu beziehen. Das ist allerdings nicht weltfremd, sondern im Gegenteil eine breitere Realität.
Pastoren sind die heiligeren Menschen
Auch hier gibt es Einzelne, die selbst an diesem Nimbus arbeiten. Sie wollen gern als Gläubige wahrgenommen werden, die schon «einen Schritt weiter» sind. Das grosse Missverständnis liegt darin, dass hierbei persönliche Reife und theologische Kompetenz verwechselt werden. Pastoren haben ihr Fach studiert und damit den meisten Gemeindemitgliedern durchaus einiges voraus. Das betrifft nicht nur ihre Hebräischkenntnisse, sondern auch vieles andere, was ihre Arbeit betrifft. Christsein wird jedoch durch die Frucht des Geistes bestimmt – die alle Gläubigen erfahren können und sollen: «Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Selbstbeherrschung.» Tatsächlich stehen Pastoren vor den gleichen Herausforderungen, erleben Niederlagen, kämpfen mit den Geistern ihrer Vergangenheit, sind von sich selbst enttäuscht und enttäuschen andere. Sie folgen Jesus. Vollkommen sind sie nicht.
Pastoren haben einen direkteren Draht zu Gott
Wenn der Pastor für dein Anliegen betet, dann ist es schon halb erhört, denn er ist ja «gesalbt». Das klingt geistlich, ist aber eine der grösseren Gefahren in Kirchen und Gemeinden. Tatsächlich stellt das Neue Testament an etlichen Stellen klar, dass alle Gläubigen «ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum, ein heiliges Volk, ein Volk des Eigentums» sind. Was bedeutet, dass Pastoren eben nicht die Abkürzung zum Herzen Gottes kennen, keinen direkteren Draht zu ihm haben und schon gar keine besonderen Vermittler seiner Gnade sind. Sie sind einfach «nur» Pastoren, also Hirten, Seelsorger, Lehrerinnen, Evangelistinnen. Begleitpersonen, die Gott gebraucht – vor allem, wenn sie nicht missverstanden werden.
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Datum: 21.06.2025
Autor:
Hauke Burgarth
Quelle:
Livenet