Heilmittel Gemeinschaft

Caleb Campbell – ein Neonazi kehrt um

Caleb Campbell
Der US-Pastor Caleb Campbell hat eine Vergangenheit als Neonazi, doch er kam zum Glauben und konnte diese Ideologie verlassen. Inzwischen entdeckt er allerdings ähnliche Tendenzen in Kirchen und Gemeinden.

Caleb Campell ist seit 2006 Pastor der Desert Spring Bible Church in Phoenix/Arizona. Die Gemeinde wirbt mit dem Slogan: «You are welcome here» – Du bist hier willkommen. Bewusst will man dort für diejenigen da sein, die innerlich «zerbrochen» sind – also eigentlich für alle. Campbell erzählt dem lokalen Radiosender KJZZ, dass er vor ein paar Jahren realisierte, dass einige Initiativen der Gemeinde, die sich an Geflüchtete richteten, weniger Unterstützung fanden. Gleichzeitig wurde er nach Predigten immer öfter gefragt, warum er solch eine «liberale Agenda» hätte. Der Gemeindebesuch schrumpfte von 800 auf die Hälfte zusammen. 

Auf der Suche nach den Ursachen wiesen ihn ehemalige Gemeindemitglieder auf «Erweckungsveranstaltungen» hin, die in der Nähe stattfanden. Campbell besuchte sie, um sich zu informieren. Veranstalter war «Turning Point», eine rechtskonservative Organisation, die eine stark nationalistische Agenda mit christlichen Gedanken und gottesdienstlichen Elementen mischte. Dem Journalisten Alex Henderson von AlterNet beschrieb Campbell diese Veranstaltungen als «gemeinen, vulgären Griff nach Macht mit gewalttätiger Rhetorik». Er war tief getroffen. Nicht nur, weil seine Gemeinde litt, sondern weil er dadurch einen Blick zurück in seine eigene Vergangenheit tat – in seine Zeit als Neonazi.

Nazi-Vergangenheit

Caleb Campbell wuchs in Phoenix auf. Er erzählt, dass er zusammen mit seinen Eltern dort die Kirche besuchte und deren gesamtes Programm durchlief. Als Teenager bemerkte er irgendwann, dass einige Leute, die sonntags sehr fromm taten, unter der Woche anders unterwegs waren. Das stiess ihn ab und er besuchte die Gottesdienste nicht länger. In seiner Highschool-Zeit kam er in Kontakt mit Skinheads. Das Reden von der Vormachtstellung der Weissen imponierte ihm. Er beschäftigte sich mit Genetik und der Rassenfrage. Vor allem aber genoss er das Zusammensein mit den «harten Typen», die ihm zu Vorbildern wurden. So rasierte er sich seinen Kopf, grölte mit ihnen nationalistische Parolen, trank und feierte mit ihnen und wollte doch hauptsächlich irgendwo dazugehören. Bald wurde ihm klar, dass auch diese Gemeinschaft seine Erwartungen nach Sicherheit und Zugehörigkeit nicht erfüllen konnte, doch ein Ausstieg kam für ihn nicht infrage. Er hätte Folgen gehabt. Und was sollte er ohne die Gruppe tun? 

Damals machte er als Schlagzeuger auch Musik mit einer Band. Und eines Tages klingelte sein Telefon und eine Frau fragte ihn an, ob er ihr Musikteam verstärken könnte, das jeweils sonntags in einem Gottesdienst spielen würde. Eigentlich war das nicht seine Welt, doch er hatte zwar mit seiner ehemaligen Kirche abgeschlossen, aber nicht mit Gott, und so sagte er zu und kam in die Desert Spring Bible Church. Das Miteinander unter den Musikern gefiel ihm. Ein Bandmitglied lud ihn regelmässig ein, anschliessend noch zum Essen zu ihm nach Hause zu kommen. Campbell war immer noch misstrauisch, was die Kirche anging, doch bei dieser Gemeindefamilie konnte er sein, wer er war. So sass er mit seiner Glatze am Esstisch und sprach über das, was ihn damals am meisten beherrschte: seine Wut. Die Gastgeber stimmten ihm längst nicht immer zu, aber sie lehnten auch nicht prinzipiell ab, was er sagte – und vor allem luden sie ihn immer wieder ein. Diese Akzeptanz überzeugte ihn. In diesem Haus begegnete Campbell Jesus und fand zu einem lebendigen Glauben. Dass er heute in derselben Kirche als Pastor arbeiten kann, erfüllt ihn immer noch mit Freude.

Vergangenheit bringt Verantwortung

Seine eigene Geschichte und die Erfahrungen mit der Mischung aus rechten Parolen und scheinbarer Gemeinschaft liessen Campbell sensibel reagieren auf die Entwicklung in der Gemeinde und der Gesellschaft. Dort mitzugehen und Träume eigener Grösse über Nächstenliebe zu stellen, kam für ihn nie infrage. Doch er wusste ja von sich selbst, dass die Wenigsten diesen Kurs aus vollem Herzen vertraten. So fragte er sich: Wie kann ich sie zurückgewinnen? 

Zum einen klärt er über die Hintergründe der nationalistischen Bewegung auf. Dazu schrieb er das Buch «Disarming Leviathan». Doch auf Basis dessen, was er selbst erlebt hat, ist sein Schlüssel nicht nur Information, sondern Gemeinschaft. Campbell beschreibt dies mit einem Bild. Es kam ihm, als er einmal einen toten Hirsch fand, der sich in Stacheldraht verfangen hatte. Wie hätte er ihn befreien können, wenn er ihn rechtzeitig gefunden hätte? Zunächst einmal ist es nötig, ihn zu überzeugen, dass er nicht als Feind, sondern als Freund kommt. Dazu muss man ihn beruhigen und ihm klarmachen: «Ich bin auf deiner Seite. Ich will dein Bestes.» Danach sind die richtigen Werkzeuge nötig, ohne die das Losschneiden schwierig wird. Und schliesslich muss man auch noch wissen, wie diese Werkzeuge eingesetzt werden können, um nicht noch mehr Verletzungen zu verursachen. Also sucht Caleb Campbell nach Wegen, anderen das zu zeigen, was ihn selbst wieder in Gottes Nähe gebracht hat: ein gewinnendes Miteinander, das keine Angst vor gegenteiligen Meinungen hat.

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Datum: 28.05.2025
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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