Von Jesus reden

«Wir sind gefragt, Samen zu säen»

Julia Garschagen
Wie erzählt man Menschen von Jesus, die dem Glauben eher skeptisch gegenüberstehen? Das haben wir Julia Garschagen gefragt, die sich mit ihrem Team vom Pontes Institut genau darüber Gedanken macht.

Julia, du verbringst einen Grossteil deiner Arbeitszeit damit, Menschen vom christlichen Glauben zu erzählen. Wie hast du selbst Jesus kennengelernt?
Mir ist der Glaube nicht direkt in die Wiege gelegt worden. Ich bin in einem Elternhaus aufgewachsen, das sehr viel Wert darauf gelegt hat, Dinge zu hinterfragen und selbst zu denken. Später bin ich in eine Gemeinde eingeladen worden, hatte aber viele Fragen. Wenn ich den Eindruck gehabt hätte, dass ich das, was die Leute mir in der Gemeinde erzählen, nur glauben kann, wenn ich mein Gehirn an der Garderobe abgebe, wäre ich schnell weg gewesen. Aber da waren Menschen, die sich mit mir auf den Weg gemacht und meine Fragen wertgeschätzt haben. Sie hatten auch nicht alle Antworten, haben aber gesagt: Da können wir gemeinsam weiterforschen. Ich war aber schon von Anfang an sehr fasziniert von Jesus. Wie er aufsteht für Gerechtigkeit, liebt, als hätte er zu viel davon, für Ausgeschlossene und Aussenseiterinnen einsteht und Wahrheit und Liebe verbindet. Da dachte ich: Wenn Gott so ist, dann will ich mit ihm unterwegs sein.

Du begegnest regelmässig Menschen, die vieles in Frage stellen, was dir wichtig ist. Wieso bist du trotz der Anfragen immer noch von einem Leben mit Jesus überzeugt?
Ich würde nicht sagen «trotz» der Anfragen, sondern eher «durch» die Anfragen hindurch. Natürlich habe ich nicht auf alle Fragen eine gute Antwort. Die Frage nach dem Leid, warum es Schmerz und Not in dieser Welt gibt, wird mich bis ans Ende meiner Tage bewegen. Darauf gibt es keine perfekte Antwort. Ich erlebe aber durch all das Nachfragen immer wieder, wie tragfähig mein Glaube eigentlich ist.

Und mich fasziniert immer wieder Jesus als Person. Es ist nicht so, dass ich ihn jeden Tag von morgens bis abends spüre. Auch in meinem Leben gibt es Durststrecken und Wüstenzeiten. Und ich habe mich auch schon von Gott im Stich gelassen gefühlt. Aber in all dem merke ich immer wieder: Ich bin durch all das hindurch gehalten. Auch in der Wüste ist er da. Das ist für mich der feste Anker im Leben. Nicht in dem Sinne, dass er unbeweglich bleibt, sondern sich dynamisch immer wieder auf mich einlässt. Jesus ist einerseits sehr nahbar, gleichzeitig aber auch der Heilige. Und mit diesem Herrn des Universums unterwegs zu sein, ist einfach total spannend!

Wenn wir anderen von unserem Glauben erzählen, sagen wir, dass wir eine «Gute Nachricht» für sie hätten. Viele Menschen verbinden Christsein allerdings oft eher mit Missbrauchsskandalen und einengenden Regeln…
Ich erlebe das tatsächlich auch so, dass es für viele eine schlechte Nachricht ist. Intellektuell naiv, emotional überflüssig und moralisch verkommen. Da finde ich es immer spannend, den Blick zurückzulenken auf die Schönheit, die Kraft und die Wahrheit der guten Botschaft. Und am hellsten strahlt die uns ja in Jesus entgegen.

Wie würdest du das Gute an der «Guten Nachricht» konkret beschreiben?
In Jesus begegnet uns eine Wahrheit, die klar und vor allem wahrhaftig ist. Im Hebräischen hat das Wort für «wahr» ganz viel mit Verlässlichkeit zu tun – es ist also ein Beziehungsbegriff. Gott erweist sich als der Wahrhaftige und Treue, auf dessen Wort man sich verlassen kann. Das ist aber keine Wahrheit, die ich Leuten um die Ohren klatschen kann wie einen nassen Waschlappen, sondern da treffen sich Wahrheit und Liebe. Wahrheit ist nur Wahrheit, weil und wenn sie liebt – und die Liebe ist nur Liebe, weil sie wahr und wahrhaftig ist. Das finde ich faszinierend an Jesus.

Was begeistert dich noch an Jesus?
Sein ganzer Einsatz für Gerechtigkeit ist nicht ideologisch, sondern vom Menschen her gedacht. Ich glaube, dass wir in einer Zeit leben, in der Menschen nach Kraft für Veränderung suchen, weil wir alle merken, dass wir darauf angewiesen sind. Viele versuchen es aus sich selbst heraus mit Selbstoptimierung. Wir merken aber zunehmend, wie anstrengend das ist und wie uns das völlig überfordert. Aber in Jesus ist diese Kraft, mit der es wirkliche Veränderung gibt.

Ich kenne viele Leute, die in den letzten Jahren zum Glauben gekommen sind und sagen: Wow, hätte ich das mal früher gewusst! Damit meine ich nicht: Wenn du Jesus triffst, dann bist du von aller Krankheit geheilt und hast nie wieder eine Depression. Christinnen und Christen erleben Schmerz und Verletzungen und das heisst nicht, dass etwas mit dir oder deinem Glauben nicht stimmt. Und doch erlebe ich zum Beispiel in meiner Arbeit mit traumatisierten Menschen, dass sie sagen: Jesus kennezulernen hat so viel für mich verändert, es eröffnet sich eine Tür für mich, heiler zu werden! Darum finde ich es wichtig, nicht mit einer glorreichen Theologie daherzukommen, aber auch nicht zu verschweigen, wie Jesus wirkliche Veränderung ins Leben bringt. Und das sehe ich nicht nur bei Einzelnen, sondern auch in grösseren Zusammenhängen, wie der Glaube ganze Gemeinschaften verändert.

Theoretisch sind die meisten Christen davon überzeugt, dass der Glaube an Jesus eine gute Nachricht für unsere Freunde ist. Dennoch bleibt es herausfordernd, mit ihnen darüber ins Gespräch zu kommen. Wie geht dir das als «Profi», der regelmässig in Predigten und auf Bühnen von Jesus spricht? Fällt dir das auch in deinem privaten Umfeld leicht?
Ja, klar, ich bau dann immer so eine kleine Bühne auf (lacht). Nein, das fällt mir nicht immer leicht. Ich kenne die Gesprächssituationen so gut, in denen ich denke: Das ist jetzt aber peinlich, vom Glauben zu reden. Dann komme ich mir vor wie eine Staubsaugerverkäuferin, die den Leuten etwas andreht, was die gar nicht wollen. Was mich sehr befreit hat, ist zu lernen: Ich muss anderen gar kein Gespräch überstülpen. Ich brauche einfach nur gute Fragen stellen. Das heisst erst mal, dass ich mich (hoffentlich) für Leute interessiere und von ihren Erfahrungen lerne. Und dann bete: «Jesus, schenk doch, dass wir in unserem Gespräch irgendwie auf dich kommen.» Das passiert immer wieder und ist dann viel organischer und leichter. Leute erzählen mir zum Beispiel von ihren Sehnsüchten oder ihrer spirituellen Suche. Da kann ich dann meine Erfahrungen dazulegen. Oder wir kommen auf Lebensfragen, die die andere Person beschäftigen. Oft sind das Fragen, die ich auch selbst habe, und wir können uns austauschen darüber, was uns weiterhilft. Ich denke, es geht darum, authentisch mein Leben zu teilen und am Leben der anderen interessiert zu sein.

Erinnerst du dich an ein konkretes Beispiel?
Neulich hat mir eine Frau von ihren Meditationstechniken erzählt und wie sie versucht, durch Meditation ein besserer Mensch zu werden. Ich finde es wichtig, das erst mal wertzuschätzen. Da sitzt mir ein Mensch gegenüber, der sucht und Erfahrungen macht – das ist doch genial! Das habe ich ihr auch so gesagt und dann ergänzt: Ich selbst merke immer wieder, dass ich an meine Grenzen komme, wenn ich versuche, ein besserer Mensch zu werden, und dann doch wieder meine Kollegin anmotze. Ich merke, ich brauche so sehr das liebende Gegenüber, weil ich glaube, dass die Kraft von woanders und nicht aus mir selbst kommt. Darauf guckt mich diese Frau an und sagt: Krass, das habe ich noch nie gehört! Das nehme ich jetzt in meine Meditation auf. Natürlich habe ich ihr damit nur einen kleinen Anstoss gegeben und nicht das ganze Evangelium auf einmal erzählt. Aber sie ist dann später noch einmal darauf zurückgekommen.

Was ist deiner Meinung nach unsere Aufgabe in solchen Gesprächen?
Mit anderen Menschen über unser Suchen und Ringen, um die grossen Fragen ins Gespräch zu kommen, finde ich unheimlich bereichernd und inspirierend – auch wenn wir zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Druck hat bei Jesus keinen Platz. Ich denke, wir sind gefragt, Samen zu säen. Was Gott daraus macht, ist seine Sache – und das ist immer wieder überraschend und oft wunderschön zu sehen.

Julia Garschagen ist Theologin und Leiterin des Pontes Instituts für Wissenschaft, Kultur und Glaube in Köln. Die Mitarbeitenden bauen Brücken («Pontes») zwischen Themen der Wissenschaft, Fragen, die die Gesellschaft bewegen, und dem Glauben. Ihr Ziel ist es, mit Menschen ins Gespräch zu kommen, die mit dem christlichen Glauben bisher nichts zu tun haben. So sind sie zu Veranstaltungen in Universitäten, der Wirtschaft oder Politik unterwegs, vor Ort und auch digital. Ausserdem leitet Julia Garschagen truestory, das evangelistische Projekt von ProChrist.

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Datum: 20.11.2025
Autor: Melanie Carstens
Quelle: Magazin Joyce 04/2025, SCM Bundes-Verlag

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