Der Schlüssel sind starke Beziehungen
Hans-Jörg Strahm (54) lebt in Seftigen (BE), ist verheiratet und hat drei erwachsene Töchter. Die Frage, wie Menschen zu hingegebenen Christen und tragenden Persönlichkeiten in der Gesellschaft werden können, begleitet ihn seit Jahrzehnten. Und er wollte nicht nur Antworten finden, sondern auch einen Beitrag leisten, damit dies geschehen kann.
Weichenstellung in der Jugendzeit
«Ich bin als Jugendlicher zum Glauben gekommen. Die Jugendgruppe war lebendig und aus dieser Gemeinschaft kamen Träume von einem gemeinsamen Leben.» Die Gründung einer eigenständigen Gemeinde war eine Konsequenz. «Wir achteten auf motivierte Mitarbeiter, die ihre Gaben entdecken und in der Gesellschaft Verantwortung übernehmen wollten.»
Irgendwann wurde er Pastor dieser jungen Gemeinde. Parallel dazu studierte er am IGW Theologie. Hier erhielt er viele Impulse – insbesondere auch zum Thema Gemeinschaft. Immer mehr wuchs in Hans-Jörg die Erkenntnis von der Wichtigkeit zwischenmenschlicher Beziehungen. «Wenn wir uns auf Verbindungen mit Menschen einlassen, haben wir einen wesentlichen Faktor für eine gute Entwicklung.»
Arbeitsfelder zum Lernen und Prägen
Während seines letzten Jahres als Theologiestudent übernahm Hans-Jörg als Studienleiter-Assistent Verantwortung für Studenten. Bald trug er die Hauptverantwortung fürs Studiencenter. Letztlich war er 13 Jahre in dieser Aufgabe, wobei ihm Themen wie Mentoring oder Coaching wichtig waren. Dabei lernte er nicht nur selbst viel, sondern prägte auch andere.
In all diesem Wirken kam jedoch der Wunsch auf, sich vermehrt auf seine wichtigsten Beziehungen zu fokussieren und so gab er 2011 die Arbeit als Pastor und den Job am IGW ab. «Ich realisierte, dass ich nicht auf eine gute Bindung zu meinen Kindern setzen und gleichzeitig so viel arbeiten kann.» Er nahm eine Auszeit und Familie Strahm verbrachte ein Jahr im Ausland. Es war ein Abenteuer, denn sie hatten weder einen klaren Plan, noch genügend Ersparnisse. «Wir hatten einander und Gott.»
Veränderte Sicht für Familie
In Neuseeland besuchten Strahms als Familie eine Jüngerschaftsschule. Es folgten ein praktischer Einsatz und Besuche in erwecklichen Gemeinden in den USA. «In dieser Zeit erkannte ich, welche Freude es ist, gemeinsam als Familie unterwegs zu sein.»
Diese Erfahrung war nicht nur als Familie bindungsstärkend, sondern für Hans-Jörgs weiteres Leben richtungsweisend. Zurück in der Schweiz entschieden sie, die nächsten Jahre Homeschooling zu machen. «Es wurde zu unserem zentralen Thema, dass die Eltern die Verantwortung für die Entwicklung und Bildung ihrer Kinder übernehmen.» Hans-Jörg betont, dass dies auch den Entscheid beinhalte, welchen Einflüssen und welchen Personen (Lehrer, usw.) sie ihre Kinder aussetzen wollen.
Die Wichtigkeit zwischenmenschlicher Beziehungen
In späteren Jahren vertiefte sich Hans-Jörg in die Pädagogik von Gordon Neufeld und lernte dabei viel über die Bedeutung der Beziehung von Kindern zu einem fürsorglichen Erwachsenen. «Für eine gesunde Entwicklung ist dies sehr wichtig. Doch auch im Erwachsenenalter sind wir auf zwischenmenschliche Verbindungen angewiesen. In Beziehungen werden wir reif und entwickeln Widerstandskraft, Disziplin und vieles andere.» An dieser Stelle unterstreicht Hans-Jörg auch die Wichtigkeit der Gottesbeziehung. «Gott nimmt uns an, tröstet und ermutigt uns. Er kümmert sich um uns. Genau dies sollen auch wir miteinander tun.» Besonders Kinder, aber auch Erwachsene, brauchten viel Anteilnahme – Menschen, die zuhören, trösten und ermutigen.
«Wir führen durch die Beziehung»
2016 schloss Hans-Jörg die Ausbildung von Gordon Neufeld ab und ist seither zertifizierter Neufeld-Kursleiter. Unter dem Namen «Wurzel und Flügel» gründete er eine Beratungsstelle; die Kurse und Beratungen zielen immer darauf ab, Eltern auszurüsten, um die Beziehung zu ihren Kindern zu stärken.
Seit 2018 ist Hans-Jörg Lehrer in der SAAT (Schulalternative Region Aaretal), wo er mitgeholfen hat, die Oberstufe aufzubauen. Er liebt es, seine Schüler zu kritischem Denken herauszufordern und auf ein verantwortungsvolles Leben vorzubereiten. Und natürlich geht es auch hier wieder um starke Beziehungen. «Nichts, was wir tun, darf auf Kosten von Bindungen gehen», sagt er als Klassenlehrer der Oberstufe. «In der SAAT gibt es auch keine Strafen. Wir führen durch die Beziehung. Wenn mein Handeln die Beziehung stärkt, wird das Erreichen des Ziels wahrscheinlicher.»
Das Lernen über Beziehungen hört nie auf
«Wir sind im Prozess», sagt Hans-Jörg in Bezug auf Beziehungen. «Es gilt dranzubleiben, wir sind nie fertig.» Gerade bei seinen Töchtern wird ihm deutlich, wie sich Beziehungen verändern und es immer neu darum geht, zu lernen und zu pflegen. «Eine gute Entwicklung bedingt, dass wir gute Bindungen haben. Manchmal genügt schon unsere Beziehung mit Gott, doch meistens brauchen wir auch verbindliche Bindungen mit Menschen, die uns die nötige Sicherheit geben.»
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Datum: 13.05.2024
Autor:
Markus Richner-Mai
Quelle:
Livenet