Petrus Teil 1

Der Herr aber sprach: »Simon, Simon! Siehe, der Satan hat euer begehrt, euch zu sichten wie den Weizen. Ich aber habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht aufhöre. Und wenn du einst zurückgekehrt bist, so stärke deine Brüder!« Lukas 22,31-32 Im Neuen Testament finden wir vier Auflistungen der zwölf Apostel: Matthäus 10,2-4, Markus 3,16-19, Lukas 6,13-16 und Apostelgeschichte 1,13. Hier die Liste aus dem Lukas-Evange-lium: »Und [er] erwählte aus ihnen zwölf, die er auch Apostel nannte: Simon, den er auch Petrus nannte, und Andreas, seinen Bruder, und Jakobus und Johannes und Philippus und Bartholomäus und Matthäus und Thomas und Jakobus, des Alphäus Sohn, und Simon, genannt Eiferer, und Judas, des Jakobus Bruder, und Judas Iskariot, der zum Verräter wurde.« In allen vier biblischen Auflistungen werden die Zwölf mit Namen genannt; ihre Reihenfolge weist eine bemerkenswerte Ähnlichkeit auf. Petrus wird in allen vier als Erster genannt. Er sticht als Anführer und Sprecher der gesamten Gruppe hervor. Die Zwölf sind in drei Vierergruppen angeordnet. Die erste Gruppe mit Andreas, Jakobus und Johannes wird immer von Petrus angeführt. Der Erste der zweiten Gruppe ist jedes Mal Philippus, dann kommen Bartholomäus, Matthäus und Thomas. An der Spitze der dritten Gruppe steht Jakobus, der Sohn des Alphäus, ihm folgen Simon, der Eiferer, Judas, der Sohn des Jakobus (Markus nennt ihn »Thaddäus« und Matthäus »Lebbäus, mit dem Beinamen Thaddäus« [Schl2000]) und schließlich Judas Iskariot. (In der Liste in Apostelgeschichte 1 fehlt Judas Iskariot, da er zu diesem Zeitpunkt bereits tot war. In den anderen drei Auflistungen erscheint sein Name immer als letzter, zusammen mit dem Hinweis darauf, dass er zum Verräter wurde.) Die drei Namen an der Spitze jeder Gruppe scheinen jeweils ihre Anführer gewesen zu sein. Die drei Gruppen tauchen immer in der gleichen Abfolge auf: Petrus’ Gruppe ist die erste, dann kommt die von Philippus angeführte Gruppe und schließlich die von Jakobus.  Matthäus 10,2-4 Markus 3, 16-19 Lukas 6,14-16Apg. 1,13  PetrusAndreas JakobusJohannes   PetrusJakobusJohannesAndreas   PetrusAndreasJakobusJohannes  PetrusJohannesJakobusAndreas  PhilippusBartholomäusThomasMatthäus  PhilippusBartholomäusMatthäusThomas  PhilippusBartholomäusMatthäusThomas  PhilippusThomasBartholomäusMatthäus Jakobus1ThaddäusSimonJudas IskariotJakobus1ThaddäusJudas Iskariot   Jakobus1SimonJudas2Judas Iskariot Jakobus1SimonJudas2 1 Sohn des Alphäus2 Bruder des Jakobus Die Gruppen sind scheinbar in absteigender Reihenfolge aufgeführt, nach dem Grad ihrer Vertrautheit mit Christus. Aller Wahrscheinlichkeit nach bestand die erste Gruppe aus den ersten Jüngern, die Jesus zu sich rief (Joh 1,35-42). Daher waren sie am längsten bei ihm und nahmen eine besondere Vertrauensstellung in seinem inneren Kreis ein. In den entscheidenden Situationen findet man sie häufig in Christi Gegenwart. Aus dieser ersten Gruppe bilden drei (Petrus, Jakobus und Johannes) einen noch engeren Kreis. Sie begleiten Jesus bei bedeutenden Ereignissen seines Dienstes, bei denen die anderen Apostel entweder gar nicht anwesend oder zumindest nicht so nah dabei sind. Beispielsweise waren die drei des inneren Kreises zusammen auf dem Berg der Verklärung und im Garten Gethsemane (vgl. Mt 17,1; Mk 5,37; 13,3; 14,33).Die zweite Gruppe hat ein geringeres Profil, setzt sich aber dennoch aus bedeutenden Persönlichkeiten der Evangelien zusammen. Die dritte Gruppe hat mehr Distanz zu Jesus; die Einzelpersonen werden bei der Beschreibung des Wirkens Jesu kaum genannt. Mehr aus dieser Gruppe wissen wir nur über Judas Iskariot – und dies nur aufgrund seines Verrats am Ende. Obgleich es zwölf Apostel waren, schienen nur drei eine sehr vertraute Beziehung zu Christus gehabt zu haben. Die anderen genossen scheinbar ein etwas weniger vertrautes Verhältnis zu ihm. Das deutet darauf hin, dass wohl selbst eine relativ kleine Gruppe von zwölf für eine Person zu groß ist, um mit jedem enge Vertrautheit zu pflegen. Jesus hielt drei Personen in seiner unmittelbaren Nähe – Petrus, Jakobus und Johannes. Als nächster kam Andreas, dann die anderen, offenbar in einem abnehmenden Freundschaftsverhältnis. Wenn Christus in seinem vollkommenen Menschsein nicht jedem das gleiche Maß an Zeit und Energie zukommen lassen konnte, sollte keine Führungsperson erwarten, dazu in der Lage zu sein.Die Zwölf waren eine erstaunlich gemischte Gruppe. Ihre Persönlichkeiten und Interessen deckten das ganze Spektrum ab. Die vier der ersten Gruppe scheinen die Einzigen zu sein, die durch Gemeinsamkeiten miteinander verbunden waren. Die beiden Brüderpaare waren Fischer, stammten aus dem gleichen Umfeld und waren anscheinend schon lange miteinander befreundet. Im Gegensatz dazu war Matthäus ein Zöllner und Einzelgänger, Simon ein Zelot – ein politischer Aktivist – und auf seine Weise ebenso Einzelgänger; die Hintergründe der anderen sind unbekannt. In ihren Persönlichkeiten wiesen sie ebenfalls starke Unterschiede auf. Petrus war voller Eifer, ungestüm, mutig und direkt. Er neigte dazu, seinen Mund zu öffnen, ohne vorher nachzudenken. Ich habe ihn häufig den Apostel mit dem voreiligen Mundwerk genannt. Johannes sprach andererseits nur sehr wenig. In den ersten zwölf Kapiteln der Apostelgeschichte sind er und Petrus ständige Gefährten, aber von Johannes sind uns überhaupt keine Äußerungen überliefert. Bartholomäus (auch als Nathanael bekannt) war ein echter Gläubiger, der schnell zum Glauben an Christus kam und ihn öffentlich bekannte (vgl. Joh 1,47-50). Bezeichnenderweise ist er in derselben Gruppe wie Thomas (und bildet manchmal ein Team mit ihm); dieser war ein ausgesprochener Skeptiker und Zweifler und wollte alles bewiesen haben.Auch ihre politischen Hintergründe waren verschieden. Matthäus, der ehemalige Zöllner (manchmal auch Levi genannt), gehörte vor seiner Berufung zu den verachtetsten Menschen in Israel. Er arbeitete für die römische Regierung und zwang sein eigenes Volk zur Abgabe von Steuern. Das eingetriebene Geld diente zur Bezahlung der römischen Besatzungsarmee. Auf der anderen Seite wird der weniger bekanntere der beiden Simons als »der Zelot« bezeichnet (s. Lk 6,15; Apg 1,13). Die Zeloten waren eine politische Partei, die ein extremer Hass auf die römische Herrschaft, die sie zu stürzen suchten, miteinander verband. Viele von ihnen waren gewalttätig. Da sie keine Armee besaßen, griffen sie zu Sabotage und Attentaten, um ihre politische Ziele durchzusetzen. In Wirklichkeit waren sie Terroristen. Eine Splittergruppe der Zeloten war als Sikarier (wörtlich: »Dolchmänner«) bekannt, da sie kleine, gebogene Klingen bei sich trugen. Diese Waffen versteckten sie unter ihren Gewändern und benutzten sie zur Beseitigung politischer Feinde – wie z.B. Zöllner. Auch römische Soldaten bildeten ein bevorzugtes Ziel ihrer Attentate. Normalerweise verübten die Sikarier diese Hinrichtungsakte bei öffentlichen Anlässen, um Angst zu verbreiten. Dass Matthäus, ein ehemaliger Zöllner, und Simon, ein früherer Zelot, zur Gemeinschaft der zwölf Apostel gehörten, bezeugt die lebensverändernde Kraft und Gnade Christi. Interessanterweise wurden die Schlüsselfiguren aus den ersten beiden Apostelgruppen ursprünglich zu Beginn des Wirkens Jesu berufen. Johannes 1,35-42 beschreibt, wie Jesus Johannes und Andreas berief. Noch am selben Tag brachten sie Petrus, Andreas’ Bruder, zu ihm. Jakobus, der verbliebene Jünger dieser Gruppe, war der Bruder von Johannes; so besteht kein Zweifel, dass auch er von Andreas und Johannes zu Christus gebracht wurde. Mit anderen Worten: Die Beziehung der ersten Gruppe zu Jesus bestand seit den Anfängen seines öffentlichen Wirkens.Gleichermaßen beschreibt Johannes 1,43-55 die Berufung von Philippus und Nathanael (auch als Bartholomäus bekannt). Sie wurden »am folgenden Tag« berufen (V. 43). Somit reicht die Geschichte dieser Gruppe ebenfalls bis zum Anfang des Wirkens Jesu zurück. Es waren Männer, die Jesus gut kannten und ihm lange eng nachfolgten. Die erste Person der ersten Gruppe – der Mann, der Sprecher und Anführer der Gesamtgruppe wurde – war »Simon, den er auch Petrus nannte« (Lk 6,14). »Simon, den er auch Petrus nannte« Simon war ein weit verbreiteter Name. Allein in den Evangelien gibt es mindestens sieben Männer namens Simon. Unter den Zwölfen fanden sich zwei mit diesem Namen (Simon Petrus und Simon, der Zelot). In Matthäus 13,55 werden Jesu Halbbrüder aufgelistet, und einer von ihnen hieß Simon. Auch der Vater von Judas Iskariot wurde Simon genannt (Joh 6,71). In Matthäus 26,6 wird erwähnt, dass Jesus in Betanien zu Gast bei Simon, dem Aussätzigen, war. Ein weiterer Simon, ein Pharisäer, lud Jesus zu einem ähnlichen Gastmahl ein (Lk 7,36-40). Und der Mann, der Jesu Kreuz einen Teil des Weges nach Golgatha tragen musste, war Simon von Kyrene (Mt 27,32).Der vollständige Geburtsname von unserem Simon lautete Simon, Bar Jona (Mt 16,17), was »Simon, Sohn des Johannes« bedeutete (Joh 21,15-17). Somit hieß Petrus’ Vater Johannes (manchmal wird er auch Jonas oder Jona genannt). Das ist alles, was wir über seine Eltern wissen. Aber der Herr gab ihm einen anderen Namen. Lukas stellt ihn uns so vor: »Simon, den er auch Petrus nannte« (Lk 6,14). Lukas’ Wortwahl ist von Bedeutung. Jesus gab ihm nicht einfach einen neuen Namen, um den alten zu ersetzen. Er nannte ihn »auch« Petrus. Dieser Jünger war manchmal als Simon bekannt, ein andermal als Petrus oder Simon Petrus.»Petrus« war eine Art Spitzname. Er bedeutet »Fels«. (Petros ist das griechische Wort für »Felsstück, Stein«.) Das aramäische Äquivalent war Kephas (vgl. 1Kor 1,12; 3,22; 9,5; 15,5; Gal 2,9). Johannes 1,42 beschreibt das erste Treffen von Jesus und Simon Petrus: »Jesus blickte ihn an und sprach: Du bist Simon, der Sohn des Johannes; du wirst Kephas heißen – was übersetzt wird: Stein.« Anscheinend waren das Jesu erste Worte an Petrus; von da an war »Fels« sein Spitzname. Mitunter nannte der Herr ihn auch weiterhin Simon. Dies war dann oftmals ein Zeichen dafür, dass Petrus etwas getan hatte, was Tadel oder Korrektur bedurfte.Der Spitzname war bezeichnend, und der Herr hatte einen besonderen Grund, ihn zu wählen. Von Natur aus war Simon ungestüm, unbeständig und unzuverlässig. Er neigte zu großen Versprechungen, die er nicht erfüllen konnte. Er gehörte zu jenen Menschen, die sich voll und ganz in etwas hineinzustürzen scheinen, dann aber einen Rückzieher machen, bevor sie es zu Ende gebracht haben. Normalerweise war er der Erste, der sich für etwas begeistern ließ; und nur allzu oft auch der Erste, der wieder aufgab. Als Jesus ihm begegnete, passte auf ihn Jakobus’ Beschreibung eines wankelmütigen Mannes, der unbeständig in allen seinen Wegen ist (Jak 1,8). Anscheinend veränderte Jesus Simons Namen, um ihn durch seinen Spitznamen stets daran zu erinnern, wie er sein sollte. Von da an war in der Art, wie Jesus ihn nannte, immer eine versteckte Botschaft enthalten. Nannte er ihn Simon, so signalisierte er ihm, dass er entsprechend seiner alten Natur handelte. Wollte er ihn für die richtige Handlungsweise loben, nannte er ihn »Fels«. Tommy Lasorda, ehemaliger Manager der Los Angeles Dodgers, erzählte einmal die Geschichte von einem jungen, dürren Werfer, einem Neuling in der B-Mannschaft der »Dodgers«. Der Junge war ein wenig schüchtern, verfügte aber über einen außergewöhnlich kraftvollen und präzisen Wurf. Lasorda war davon überzeugt, dass der junge Werfer das Potenzial zu einem der Allergrößten besaß. Allerdings, sagte Lasorda, musste er bissiger und konkurrenzfähiger werden und seine Schüchternheit verlieren. Deshalb gab Lasorda ihm einen Spitznamen, der für das exakte Gegenteil seiner Persönlichkeit stand: »Bulldogge«. Und genau das wurde Orel Hershiser mit den Jahren – einer der zähesten Gegner, die je das Spielfeld der ersten Liga betraten. Sein Spitzname erinnerte ihn ständig daran, was er sein sollte – und es dauerte nicht lange, bis er seine ganze Haltung verändert hatte.Dieser junge Mann namens Simon, aus dem Petrus wurde, war stürmisch, impulsiv und übereifrig. Er musste zu einem Fels werden, deshalb nannte Jesus ihn so. Von da an konnte der Herr ihn behutsam schelten oder loben, je nachdem, welchen Namen er benutzte.Nach Jesu erster Begegnung mit Simon Petrus finden wir zwei verschiedene Zusammenhänge, in denen er immer Simon genannt wird. Der eine ist säkularer Natur. Die Schrift spricht von seinem Haus normalerweise als dem »Haus Simons« (Mk 1,29; Lk 4,38; Apg 10,17). Ähnliches gilt in Bezug auf seine Schwiegermutter: »die Schwiegermutter Simons« (Mk 1,30; Lk 4,38). In Lukas 5 ist von ihrem Fischereibetrieb die Rede: »Eins der Boote, das Simon gehörte« (V. 3); Lukas sagt auch, Jakobus und Johannes waren »Gefährten von Simon« (V. 10). In all diesen säkularen Zusammenhängen wird er mit seinem Geburtsnamen Simon genannt. Auf diese Weise wird angedeutet, was zu seinem normalen Leben gehörte – seine Arbeit, sein Zuhause und seine familiären Bindungen. Das waren »Simons« Angelegenheiten. Der zweite Kontext besteht aus Situationen, in denen Petrus Merkmale seines alten Wesens zeigt und durch Wort, Einstellung oder Tat sündigt. Immer wenn er aus seinem alten Ich heraus handelt, kehren Jesus und die Schreiber der Evangelien zu seinem ursprünglichen Namen Simon zurück. In Lukas 5,5 heißt es beispielsweise: »Und Simon antwortete und sprach zu ihm: Meister, wir haben uns die ganze Nacht hindurch bemüht und nichts gefangen, aber auf dein Wort will ich die Netze hinablassen.« Hier spricht der junge Simon, der Fischer. Er ist skeptisch und widerwillig. Doch als er gehorcht und seine Augen für die wahre Identität Jesu geöffnet sind, benutzt Lukas in Vers 8 seinen neuen Namen: »Als aber Simon Petrus es sah, fiel er zu den Knien Jesu nieder und sprach: Geh von mir hinaus! Denn ich bin ein sündiger Mensch, Herr.«Wenn er auf sein Versagen in Schlüsselsituationen Bezug nimmt, nennt Jesus ihn Simon. In Lukas 22,31 sagt Jesus seine Verleugnung voraus: »Simon, Simon! Siehe, der Satan hat euer begehrt, euch zu sichten wie den Weizen.« Später im Garten Gethsemane, als Petrus mit Christus wachen und beten sollte, schlief er ein. Markus schreibt: »Und er [Jesus] kommt und findet sie schlafend, und er spricht zu Petrus: Simon, schläfst du? Konntest du nicht eine Stunde wachen? Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung kommt! Der Geist zwar ist willig, das Fleisch aber schwach« (Mk 14,37-38). Benötigte Petrus Tadel oder Ermahnung, so nannte Jesus ihn Simon. Wahrscheinlich ging das sogar so weit, dass Petrus jedes Mal schauderte, wenn Jesus »Simon« sagte. Er musste gedacht haben: Bitte, nenne mich Fels! Und der Herr hätte antworten können: »Ich werde dich Fels nennen, wenn du wie einer handelst.« Aus den Evangelien wird deutlich, dass der Apostel Johannes Petrus sehr, sehr gut kannte. Sie waren lebenslange Freunde, Geschäftspartner und Nachbarn. Interessanterweise nennt Johannes seinen Freund fünfzehn Mal »Simon Petrus« in seinem Evangelium. Anscheinend konnte Johannes sich nicht entscheiden, welchen Namen er benutzen sollte, da er immer beide Seiten von Petrus sah. So verwendete er einfach beide Namen. In der Anrede seines zweiten Briefes nennt Petrus sich selbst Simon Petrus: »Simon Petrus, Knecht und Apostel Jesu Christi« (2Petr 1,1). Er nahm Jesu Spitznamen und machte ihn zu seinem Nachnamen (vgl. Apg 10,32).Nach der Auferstehung erteilte Jesus seinen Jüngern die Anweisung, nach Galiläa zurückzukehren, wo er sie treffen wollte (Mt 28,7). Anscheinend wurde der ungeduldige Simon das Warten leid und verkündete, er würde wieder Fischen gehen (Joh 21,3). Wie üblich folgten die anderen Jünger gehorsam ihrem Anführer. Sie stiegen in ein Boot, fischten die ganze Nacht und fingen nichts. Am folgenden Morgen begegnete Jesus ihnen am Ufer, wo er ihnen schon das Frühstück zubereitet hatte. Die Hauptabsicht dieses Frühstücks schien, Petrus wiederherzustellen (der schwer gesündigt hatte, als er Christus in der Nacht seines Verrats verleugnete). Dreimal sprach Jesus ihn mit Simon an und sagte: »Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich?« Und dreimal bestätigte Petrus seine Liebe.Das war das letzte Mal, dass Jesus ihn Simon nennen musste. Einige Wochen später wurden Petrus und die anderen Jünger zu Pfingsten mit dem Heiligen Geist erfüllt. Es war Petrus, der Fels, der an diesem Tag aufstand und predigte. Petrus war genauso wie die meisten Christen – sowohl fleischlich als auch geistlich. Manchmal erlag er den Gewohnheiten des Fleisches; ein anderes Mal handelte er im Geist. Gelegentlich sündigte er, aber zu anderen Zeiten verhielt er sich wie ein Gerechter. Dieser unbeständige Mann – manchmal Simon, ein andermal Petrus – war der Anführer der Zwölf. »Kommt mir nach, und ich werde euch zu Menschenfischern machen!« Simon Petrus war Fischer von Beruf. Er und sein Bruder Andreas waren die Erben eines familieneigenen Fischereibetriebs in Kapernaum. Zum Fischfang fuhren sie auf den See von Galiläa hinaus. Zur Zeit Jesu fingen Berufsfischer dort drei Fischarten. Die »zwei Fische«, die in Johannes 6,9 mit der Speisung der Fünftausend in Verbindung stehen, waren Sardinen. Sardinen und eine Art Fladenbrot waren die Hauptnahrungsmittel in dieser Region. Eine andere Fischart, bekannt als Barben (wegen ihrer fleischigen Bartfäden am Oberlippenrand), ist eine Art Karpfen und hat viele Gräten. Diese Fische können recht groß werden und bis zu 7 kg wiegen. (Wahrscheinlich war der Fisch, den Petrus in Matthäus 17,27 mit einer Münze im Maul fing, eine Barbe. Im See von Galiläa ist es der einzige Fisch, der groß genug war, um eine Münze schlucken und gleichzeitig am Haken gefangen werden zu können.) Die dritte und für den Handel wichtigste Fischart ist der Buntbarsch – er schwimmt und frisst in Schwärmen und besitzt eine kammartige Rückenflosse. Buntbarsche von essbarer Größe reichen von 15 bis 45 cm. In den Restaurants am Ufer des Sees von Galiläa werden noch heute gebratene Buntbarsche verkauft; sie sind allgemein als »Petrusfische« bekannt. Simon und Andreas verbrachten ihre Nächte damit, diese Fische ins Netz zu bekommen. Ursprünglich kamen die Brüder aus einem kleinen Dorf namens Betsaida am Nordufer des Sees (Joh 1,44); allerdings waren sie nach Kapernaum gezogen, einer größeren Stadt in der Nähe (Mk 1,21.29). Damals war Kapernaum die wichtigste Stadt am Nordufer des Sees von Galiläa. Jesus machte Kapernaum mehrere Monate lang zu seinem Zuhause und zum Ausgangspunkt für seinen Dienst. In Matthäus 11,21-24 spricht er jedoch ein Wehe über Kapernaum und Betsaida aus. Heute sind diese beiden Städte nur noch Ruinen. Die Reste der Synagoge von Kapernaum stehen noch immer. Ganz in der Nähe fanden Archäologen die Ruinen einer alten Kirche. Frühe Überlieferungen, die mindestens ins dritte Jahrhundert zurückdatieren, behaupten, die Kirche wurde an der Stelle errichtet, an der einst Petrus’ Haus stand. Tatsächlich haben Archäologen viele Hinweise dafür gefunden, dass Christen im zweiten Jahrhundert diesen Ort in Ehren hielten. Gut möglich, dass Petrus’ Haus dort stand. Von dieser Stelle aus ist es nur ein kleines Stück bis zum Seeufer.Simon Petrus war verheiratet. Das wissen wir, weil Jesus Petrus’ Schwiegermutter in Lukas 4,38 heilte. In 1. Korinther 9,5 sagte der Apostel Paulus, dass Petrus seine Frau auf seine Missionsreisen mitnahm. Das könnte darauf hinweisen, dass sie entweder keine Kinder hatten oder diese schon erwachsen waren, als ihn seine Frau begleitete. Allerdings sagt die Schrift nicht ausdrücklich, ob sie Kinder hatten. Petrus war verheiratet – das ist alles, was wir mit Bestimmtheit über sein häusliches Leben sagen können. Wir wissen, dass Simon Petrus der Anführer der Apostel war – und das nicht nur deshalb, weil sein Name bei jeder Auflistung der Zwölf als Erster genannt wird. Wir haben außerdem die klare Aussage in Matthäus 10,2: »Die Namen der zwölf Apostel aber sind diese: Der erste Simon, der Petrus genannt wird.« Der griechische Ausdruck protos wird hier mit dem Wort »erste« übersetzt. Er bezieht sich nicht auf den Ersten in einer Liste, sondern auf den Leiter, den Anführer einer Gruppe. Außerdem wird Petrus’ Leiterschaft dadurch deutlich, dass er normalerweise als Sprecher der Gesamtgruppe fungiert. Er steht immer im Vordergrund und übernimmt die Führung. Anscheinend besaß er von Natur aus eine dominante Persönlichkeit, und der Herr gebrauchte sie zum Nutzen der Zwölf. Und schließlich war es der Herr selbst, der ihn zum Anführer erwählte. Durch Gottes souveränen Plan wurde Petrus zum Leiter geformt und für dieses Amt ausgestattet. Christus selbst formte Petrus und bildete ihn zum Leiter aus. Wenn wir uns Petrus anschauen, dann sehen wir, wie Gott Führungspersonen schafft.Häufiger als Petrus wird in den Evangelien nur der Name Jesus erwähnt. Niemand spricht so oft wie Petrus oder wird so oft vom Herrn angesprochen. Kein Jünger wird vom Herrn so häufig zurechtgewiesen wie Petrus, und kein Jünger außer ihm wagt es, den Herrn zu tadeln (Mt 16,22). Niemand legte ein mutigeres Bekenntnis für Christus ab und erkannte sein Herrsein deutlicher an; aber auch kein Jünger verleugnete Christus so nachdrücklich und öffentlich wie Petrus. Christus lobte und segnete niemanden so sehr wie Petrus; und dennoch sprach Christus keinen anderen mit »Satan« an als nur ihn. Gegenüber Petrus benutzte der Herr härtere Worte als bei allen anderen. All dies trug dazu bei, ihn zu der Führungskraft zu machen, die Christus sich wünschte. Gott nahm einen gewöhnlichen Mann mit einer unbeständigen, impulsiven und widerspenstigen Persönlichkeit und formte ihn zu einem felsähnlichen Anführer – zum größten Prediger unter den Aposteln und zur dominantesten Figur in den ersten zwölf Kapiteln der Apostelgeschichte, als die Gemeinde entstand.In seinem Leben finden wir drei wesentliche Elemente, die eine echte Führungspersönlichkeit ausmachen: das richtige Rohmaterial, die richtigen Lebenserfahrungen und die richtigen Charaktereigenschaften. Im Folgenden möchte ich genauer aufzeigen, was ich damit meine. Das Rohmaterial, das einen echten Leiter ausmacht Seit Urzeiten wird darüber diskutiert, ob ein echter Leiter geboren oder gemacht wird. Petrus liefert ein starkes Argument für die Überzeugung, dass Führungspersonen mit gewissen angeborenen Eigenschaften ausgestattet sind, aber dennoch zu wirklichen Führern geformt werden müssen.Von Beginn an besaß Petrus in seiner Persönlichkeit die gottgegebenen Voraussetzungen zur Leiterschaft. Er war aus dem richtigen Rohmaterial. Natürlich war es der Herr, der ihn auf diese Weise im Mutterleib gebildet hatte (vgl. Ps 139,13-16). In Simon Petrus’ natürlicher Veranlagung gab es ein paar offensichtliche Grundzüge, die für seine Leitungsqualitäten von entscheidender Bedeutung waren. Im Großen und Ganzen sind es keine Merkmale, die allein durch eine Ausbildung entwickelt werden können – sie waren bereits in seinem Wesen angelegt.Das erste Merkmal ist Wissbegier. Hält man nach einem Leiter Ausschau, dann sucht man sich am besten eine Person, die viele Fragen stellt. Menschen, die nicht wissbegierig sind, geben einfach keine guten Führungspersonen ab. Neugier ist für Leiterschaft äußerst wichtig. Menschen, die mit ihrem Unwissen zufrieden sind, qualifizieren sich nicht für Führungspositionen. Sie wollen die Dinge nicht tiefer gehend verstehen oder analysieren und lieber weiter mit ungelösten Problemen leben. Leiter brauchen eine unstillbare Wissbegier. Sie müssen Menschen sein, die nach Antworten hungern. Wissen ist Macht. Wer die Information besitzt, geht voran. Wenn Sie also einen Leiter finden wollen, dann suchen Sie jemanden, der die richtigen Fragen stellt und aufrichtig nach Antworten sucht. Diese Art Wissbegier zeigt sich normalerweise schon in frühester Kindheit. Viele von uns kennen Kinder, die eine Frage nach der anderen stellen – sie ermüden Eltern und andere Erwachsene ununterbrochen mit harten Brocken. (Einige unter uns können sich noch erinnern, selbst ein solches Kind gewesen zu sein!) Das ist der Stoff, aus dem Führungspersonen gemacht sind. Menschen, die in ihrem unstillbaren Enthusiasmus Dinge wissen und verstehen wollen, zeigen die besten Voraussetzungen dafür, Probleme lösen zu können.In den Evangelien stellt Petrus mehr Fragen als alle anderen Apostel zusammen. Meistens war er derjenige, der den Herrn bat, seine schwer verständlichen Gleichnisse zu erklären (Mt 15,15; Lk 12,41). Petrus fragte, wie oft er vergeben sollte (Mt 18,21) und welchen Lohn die Jünger empfangen würden, da sie alles verlassen hatten, um Jesus nachzufolgen (Mt 19,27). Er erkundigte sich nach dem verdorrten Feigenbaum (Mk 11,21) und stellte dem auferstandenen Herrn Fragen (Joh 21,20-22). Er wollte immer mehr wissen, um die Dinge besser verstehen zu können. Diese Art Wissbegier ist ein grundlegendes Kennzeichen eines wahren Leiters.Ein weiteres erforderliches Merkmal ist Initiative. Für die Leiterschaft muss ein Mensch Tatendrang, Ehrgeiz und Energie besitzen. Eine echte Führungsperson muss Dinge in Bewegung bringen. Er macht immer den Anfang. Petrus stellte nicht nur Fragen, sondern war normalerweise auch der Erste, der die Fragen von Christus beantwortete. Oft stürzte er sich in etwas hinein, wo sich sonst niemand herangewagt hätte. Einmal fragte Jesus seine Jünger: »Was sagen die Menschen, wer der Sohn des Menschen ist?« (Mt 16,13). Im Volk kursierten mehrere Meinungen darüber. »Sie aber sagten: Einige: Johannes der Täufer; andere aber: Elia; und andere wieder: Jeremia oder einer der Propheten« (V. 14). Anschließend fragte Jesus die Jünger: »Ihr aber, was sagt ihr, wer ich bin?« (V. 15, Hervorhebung hinzugefügt). Hier meldete sich Petrus vor allen anderen zu Wort: »Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes« (V. 16). Die anderen Jünger zögern noch mit ihrer Antwort – so wie Schulkinder, die sich fürchten, etwas Falsches zu sagen. Petrus war mutig und entschlossen. Das ist ein entscheidendes Merkmal für alle großen Führungspersönlichkeiten. Manchmal musste er einen Rückzieher machen oder zurechtgewiesen werden. Doch die Tatsache, dass er die Ge-legenheiten beim Schopf packte, zeichnete ihn als Menschen mit natürlichen Führungsqualitäten aus.Die drei synoptischen Evangelien berichten übereinstimmend, dass im Garten Gethsemane eine »große Menge mit Schwertern und Stöcken« gewesen sei, als die römischen Soldaten von der Festung Antonia Jesus festnehmen wollten (Mt 26,47; Mk 14,43; Lk 22,47.52). Eine typische römische Kohorte bestand aus sechshundert Soldaten; aller Wahrscheinlichkeit nach befanden sich in dieser Nacht Hunderte von kampfberei-ten römischen Soldaten im Garten oder nicht weit davon entfernt. Ohne Zögern zog Petrus sein Schwert und erhob es gegen Malchus, den Diener des Hohenpriesters. (Der Hohepriester und seine persönlichen Mitarbeiter gingen der Menge voran, weil er der Würdenträger war, der die Festnahme angeordnet hatte.) Zweifellos hatte Petrus vor, dem Mann den Kopf abzuschlagen – doch er war ein Fischer, kein Soldat. Malchus wich aus, so dass nur sein Ohr abgeschlagen wurde. Jesus »rührte sein Ohr an und heilte ihn« (Lk 22,51). Anschließend wandte er sich an Petrus: »Stecke dein Schwert wieder an seinen Ort! Denn alle, die das Schwert nehmen, werden durchs Schwert umkommen« (Mt 26,52). (Dadurch bestätigte er die Todesstrafe als ein göttliches Gesetz.) Stellen Sie sich die Situation einmal vor. Dort war eine ganze Abordnung römischer Soldaten, die möglicherweise aus Hunderten von Männern bestand. Was hatte Petrus eigentlich vor? Wollte er sie alle enthaupten – einen nach dem anderen? In seinem ungestümen Tatendrang hatte Petrus gelegentlich die Realität nicht mehr vor Augen. Trotz seiner forschen Art besaß Petrus die Grundvoraussetzungen für eine Führungsperson. Es ist besser, mit einem solchen Mann zu arbeiten, als mit jemandem, der ständig passiv und zögerlich ist. Genauso, wie es ja auch wesentlich leichter ist, einen Fanatiker zu mäßigen, als einen Toten aufzuerwecken. Manche Menschen müssen zu allem gezwungen werden. Nicht so Petrus. Er wollte immer vorwärts gehen. Das, was er nicht kannte oder begriff, wollte er wissen und verstehen. Er war der Erste, der Fragen stellte und der Erste, der Fragen beantworten wollte. Er war ein Mann, der immer die Initiative ergriff, den Augenblick nutzte und losstürmte. Das ist der Stoff, aus dem Führungspersönlichkeiten sind. Bedenken Sie, dass diese Merkmale nur das Rohmaterial sind, aus dem Leiter gemacht werden. Petrus musste ausgebildet und geformt werden und heranreifen. Doch für die Aufgabe, die Jesus ihm gegeben hatte, brauchte er Mut, um zu Pfingsten aufzustehen und das Evangelium vor der Jerusalemer Bevölkerung zu predigen, die erst kurz zuvor ihren Messias getötet hatte. Aber Petrus war genau der Richtige, der zu einer solch mutigen Aufgabe ausgebildet werden konnte.Ein drittes Merkmal für einen echten Leiter heißt Engagement. Echte Führungskräfte befinden sich immer mitten im Geschehen. Sie sitzen nicht im Hintergrund und sagen allen anderen, was sie zu tun haben, während sie ein angenehmes Leben führen und sich aus dem Kampf heraushalten. Sie sind immer von einer Staubwolke umhüllt. Genau aus diesem Grund folgen ihnen die Leute. Niemand wird Menschen folgen, die sich auf Distanz halten. Ein echter Leiter muss den Weg zeigen. Er geht seinen Nachfolgern im Kampf voran. Eines Nachts kam Jesus seinen Jüngern auf dem See von Galiläa entgegen; inmitten eines gewaltigen Sturms wandelte er auf dem Wasser. Welcher Jünger sprang aus dem Boot? Petrus. Dort ist der Herr, muss er gedacht haben. Ich bin hier; ich muss dahin, wo was los ist. Die anderen Jünger fragten sich, ob sie ein Gespenst sahen (Mt 14,26). Aber Petrus sagte: »Herr, wenn du es bist, so befiehl mir, auf dem Wasser zu dir zu kommen!« Jesus antwortete ihm: »Komm!« (V. 28-29). Bevor es jemand merkte, war Petrus auch schon aus dem Boot gestiegen und ging auf dem Wasser. Die restlichen Jünger klammerten sich noch ans Boot, um im Sturm nicht über Bord zu fallen. Doch Petrus war ausgestiegen, ohne darüber einen weiteren Gedanken zu verlieren. Das ist Engagement – ernsthaftes Engagement. Erst nachdem er das Boot verlassen hatte und ein paar Schritte gegangen war, dachte Petrus über die Gefahr nach und begann zu sinken.Häufig wird Petrus’ fehlender Glaube in dieser Situation erwähnt. Doch wir sollten auch seinen Glauben anerkennen, der ihn überhaupt veranlasste, aus dem Boot zu steigen. Bevor wir Petrus für die Schwäche tadeln, die ihn fast das Leben kostete, sollten wir uns daran erinnern, wo er sich befand, als er zu sinken begann. Ähnliches gilt für seine Verleugnung Christi: Er und ein anderer Jünger (wahrscheinlich sein lebenslanger Freund Johannes) waren die Einzigen, die Jesus bis zum Haus des Hohenpriesters folgten, um zu sehen, was mit ihm geschehen würde (Joh 18,15). Und im Hof des Hauses war Petrus Jesus so nah, dass dieser sich umdrehen und ihm in die Augen schauen konnte, als der Hahn krähte (Lk 22,61). Nachdem die anderen Jünger Christus längst verlassen hatten und um ihr Leben geflohen waren, befand sich Petrus nahezu allein in einer solch großen Versuchung. Trotz seiner Furcht und Schwäche konnte er Christus nicht ganz verlassen. Das ist ein Kennzeichen einer echten Führungsperson. Als nahezu jeder andere abgesprungen war, versuchte er, dem Herrn so nahe wie möglich zu sein. Er gehörte nicht zu den Anführern, die ihren Truppen aus der Ferne Nachrichten zukommen lassen. Er wollte sich persönlich engagieren, daher wurde er immer im Zentrum des Geschehens gefunden.Das war der Stoff, aus dem Petrus gemacht war: eine unstillbare Wissbegierde, die Bereitschaft zur Initiative und der Drang zum persönlichen Engagement. Nun lag es am Herrn, ihn auszubilden und zu formen, denn ein solches Rohmaterial kann ausgesprochen gefährlich sein, wenn es nicht unter der Kontrolle des Herrn steht. Lebenserfahrungen, die einen echten Leiter formenWie macht der Herr aus einem solchen Rohmaterial eine Führungspersönlichkeit? Zunächst ließ er Petrus die Lebenserfahrungen durchmachen, die ihn zu einem Leiter nach seinen Vorstellungen formen würden. In diesem Sinn werden Führungskräfte gemacht und nicht geboren. Erfahrung kann ein strenger Lehrmeister sein. Im Fall von Petrus war das Auf und Ab seiner Erfahrungen dramatisch und oftmals unangenehm. Sein Leben zeichnete sich durch einen gewundenen Zickzack-Kurs aus. Der Herr führte ihn durch drei Prüfungsjahre und schwierige Lebenserfahrungen, die jede wahre Führungspersönlichkeit durchmachen muss.Warum tat Jesus das? Bereitete es ihm Freude, Petrus zu quälen? Nicht im Geringsten. Diese Erfahrungen – auch die harten – waren allesamt notwendig, um Petrus zu dem Mann zu machen, der er werden musste.Vor kurzem habe ich die Ergebnisse einer Studie über junge Amokläufer an amerikanischen Schulen gelesen. Dabei stellte sich als gemeinsamer Nenner Folgendes heraus: Um ihre Verhaltensprobleme unter Kontrolle zu halten, wurde nahezu allen Ritalin oder ein anderes Antidepressivum verschrieben. Anstatt für falsche Einstellungen und schlechtes Benehmen bestraft zu werden, erhielten sie Beruhigungsmittel. Anstatt sie zu Benehmen und Selbstbeherrschung anzuleiten, verordnen Kinderpsychologen Betäubungsmittel, die ihr widerspenstiges Verhalten nur kurzfristig unterbinden. Die trotzigen, aufsässigen Einstellungen, die die Wurzel des Problems sind, werden weder angesprochen noch behandelt. Schon in der Kindheit wurden diese Jugendlichen auf künstliche Weise vor den Konsequenzen ihrer Rebellion geschützt. Ihnen wurden die Lebenserfahrungen genommen, die ihren Charakter anders hätten formen können. Der Apostel Petrus lernte viel durch harte Erfahrungen. Beispielsweise lernte er, dass auf unsere größten Siege oftmals zerschmetternde Niederlagen und tiefe Demütigungen folgen. Kurz nachdem Christus ihn für sein wunderbares Bekenntnis gelobt hatte (»Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes« – Mt 16,16), musste Petrus den strengsten Tadel ertragen, den je ein Jünger im Neuen Testament bekam. In einem Augenblick nannte Christus ihn glückselig und verhieß ihm die Schlüssel des Reiches der Himmel (V. 17-19). Und schon bei nächster Gelegenheit bezeichnet er ihn als Satan und sagt: »Geh hinter mich!« (V. 23) – anders ausgedrückt: »Steh mir nicht im Weg!«Diese Begebenheit ereignete sich kurz nach Petrus’ triumphalen Bekenntnis. Jesus kündigte den Jüngern an, er werde nach Jerusalem gehen, wo er den Hohenpriestern und Schriftgelehrten überliefert und getötet werden würde. Als er das hörte, »nahm Petrus ihn beiseite und fing an, ihn zu tadeln, indem er sagte: Gott behüte dich, Herr! Dies wird dir keinesfalls widerfahren« (Mt 16,22). Seine Gedanken sind durchaus verständlich. Allerdings entspringen sie einer menschlichen Sichtweise. Er kannte Gottes Plan nicht. Ohne es zu wissen, versuchte er, Christus von seinem irdischen Auftrag abzubringen. Wie üblich redete er, wenn er hätte zuhören sollen. Solche ernsten Worte wie zu Petrus sprach Jesus zu keiner anderen Einzelperson: »Er aber wandte sich um und sprach zu Petrus: Geh hinter mich, Satan! Du bist mir ein Ärgernis, denn du sinnst nicht auf das, was Gottes, sondern auf das, was der Menschen ist« (V. 23). Gerade noch hatte Petrus erfahren, dass Gott ihm Wahrheit enthüllen und seine Worte leiten würde, wenn er sich dieser Wahrheit unterstellt. Er war nicht von einer menschlichen Botschaft abhängig, vielmehr wurde ihm die Botschaft, die er aussprach, von Gott eingegeben (V. 17). Ihm sollten auch die Schlüssel des Himmelreichs gegeben werden – dies bedeutete, dass sein Leben und seine Botschaft vielen den Zugang ins Reich Gottes eröffnen würde (V. 19).Doch durch den schmerzhaften Tadel des Herrn lernte er jetzt auch, dass er für den Teufel angreifbar war. Der Teufel konnte seinen Mund ebenso gebrauchen wie der Herr. Sollte Petrus die Absichten der Menschen verfolgen und nicht die Dinge Gottes und seinen Willen, so könnte er zu einem Werkzeug des Feindes werden. Später, in der Nacht, als Jesus festgenommen wurde, war Petrus wieder ein Opfer Satans geworden. Dieses Mal lernte er auf die harte Weise, dass er ein schwacher Mensch war und sich nicht auf sich selbst verlassen konnte. All seine prahlerischen Versprechen und ernsthaften Vorsätze verhinderten nicht seinen Fall. Nachdem er vor allen erklärt hatte, Christus niemals zu verleugnen, tat er es dennoch und untermauerte seine Verleugnung mit leidenschaftlichen Flüchen. Satan sichtete ihn wie den Weizen. Auf diese Weise lernte Petrus, wie viel Spreu und wie wenig Substanz in ihm war und wie wachsam und vorsichtig er sein musste, dass er sich nur auf die Kraft des Herrn verlässt.Zur selben Zeit lernte er, dass der Herr ihn in jedem Fall gebrauchen, stützen und bewahren wollte – trotz seiner Neigung zur Sünde und seiner geistlichen Schwachpunkte. All das wurde ihm durch die Erfahrung beigebracht. Manchmal war sie bitter, schmerzhaft und demütigend; ein andermal ermutigend, erhebend und absolut herrlich – so wie der Blick auf die göttliche Herrlichkeit Christi auf dem Berg der Verklärung. In beiden Fällen machte Petrus das Beste aus seinen Erfahrungen und zog aus ihnen Lehren, die ihn zu einer großen Führungspersönlichkeit werden ließen.Fortsetzung: Petrus Teil 2 - Der Apostel mit dem voreiligen Mundwerk

Datum: 02.07.2007
Autor: John MacArthur
Quelle: 12 ganz normale Männer

Verwandte News
Werbung
Werbung
Livenet Service