Eine Handschrift mit einem Teil aus dem Pentateuch (3. Mose 5,18-6,5) aus dem Anfang des 10. Jhdts. n. Chr., versehen mit den Randbemerkungen der Masoreten. Nach der "Quellenscheidungstheorie" entstand um 1900 die "Formgeschichte". Die Befürworter dieser Auffassung analysieren die Bibel vor allem aufgrund literarischer Stilformen. Kuenen ging es vor allem um die evolutionistische Rekonstruktion der Geschichte Israels. Hierin folgte ihm auch der bedeutendste Vertreter der Quellenscheidungstheorie: J. Wellhausen (1876-78). Dieser fügte keine neuen Elemente hinzu, sondern überprüfte und formulierte mit viel Glanz die Theorie von Graf und Kuenen und gab ihr die klassische Form, durch die sie in Windeseile die Alttestament-Studien Europas und später auch Amerikas eroberte. Er "datierte" J auf ca. 850 v. Chr. und E auf ca. 750 v. Chr.; um 650 v. Chr. sollte daraus eine zusammenhängende Geschichte erstellt worden sein: JE. Während der Erweckung unter Josia (621 v. Chr.) sollte D zusammengestellt worden sein (vgl. 2. Chr. 34,14-33) und schliesslich sei P in der Zeit zwischen Hesekiel und Esra allmählich herangewachsen. Bereits in diesem Stadium unserer Forschung entdecken wir einige bemerkenswerte Widersprüche. Ein unterschiedlicher Gottesname sollte auf verschiedene Quellen hinweisen (Astruc, Eichhorn); doch gibt es unterschiedliche Quellen mit demselben Gottesnamen, nämlich P und E (Hupveldt), während E sich in Thematik, Stil und dem Wortschatz oft kaum von J. unterscheidet. Natürlich ist J jünger als E (sagen alle Kritiker ausser Graf), denn Jahwe sei ein späterer Name für Gott als Elohim; aber nein, J sei in Wirklichkeit älter als E, sagen Kuenen und Wellhausen. P sei der Elohist, der sich am meisten in Thematik und Stil von J unterscheidet, also müsse P das älteste Dokument sein, sagen die älteren Kritiker; aber nein, P sei der Jüngste von allen, denn das passe besser in die Evolutionslehre über die Entwicklung des jüdischen Gottesdienstes seit dem primitiven Polytheismus (Vielgötterei) bis zu dem von Priestern beherrschten Monotheismus (Eingottlehre). Schon im 19. Jhdt. wurden diese Spekulationen von W. H. Green (1895 bis 1896) zurückgewiesen. Er zeigte auf, wie wenig die QueIlenscheidungstheorie mit den tatsächlichen Angaben der Bibel übereinstimmt. Die Quellenscheidungstheorie hatte sich aber schon einen sehr festen Stand erobert; in den englischsprachigen Ländern wurde sie von W.R. Smith, S. R. Driver und C. A. Briggs sehr populär gemacht, obwohl man immer wieder begrenzte Ergänzungen und Änderungen der Theorie vornahm. K. Budde und R. Smend (1912) teilten J in zwei Quellen: J1 und J2. W. Eichrodt (1916) und G. Eissfeldt (1922) unterschieden in J eine "Laienquelle" (L), in etwa mit J1 übereinstimmend, die zur Zeit Elias entstanden und auch in Richter und Samuel "hineingekommen" sein soll. Diese L ähnelt in etwa K (einer "kenitischen" Quelle), die von J. Morgenstern (1927) herausgestellt wurde, und R. H. Pfeiffer (1941) kam mit einem S-Dokument (von "Seir"), das nach seiner Meinung sowohl im J- als auch in den E-Teilen von 1. Mose vorkam. So wurde das bekannte JEDP-Schema noch von L, K und S ergänzt, die aber nur wenig Anerkennung fanden. Die Tendenz der Theologen des 20. Jhdts. ging nun dahin, die Quellenscheidungstheorie ganz oder teilweise durch wesentlich radikalere Theorien zu ersetzen. Ein Teil der Diskussion betraf das D-Dokument. R. H. Kenneth (1920) und G. HöIscher (1922) betrachteten D als viel jünger als die Zeit Josias und kamen dadurch zu der Auffassung, dass das Gesetzbuch, das in dieser Zeit im Tempel gefunden wurde, nicht Deuteronomium (5. Buch Mose) sein konnte. M. Kegel (1919), A. C. Welch (1924) und E. Robertson (1936-1944) hielten jedoch an der Auffassung fest, dass D viel älter sei als Josias Zeit. Noch einschneidender war die Kritik von M. Löhr (1924), der das Vorhandensein einer P-Quelle bestritt und meinte, dass der Pentateuch von Esra zusammengestellt wurde anhand von allerlei geschriebenem Material, das nicht mit J-und E-Teilen und dergleichen identifiziert werden könne. Ebenso verwarfen P. Volz und W. Rudolph (1933) eine E-Quelle und kehrten zurück zu einer Art "Ergänzungstheorie". Die Theologen, die im Grunde ganz neue Schulen der Pentateuchkritik gründeten, gingen mit ihrer Kritik am weitesten. Neben der Quellenscheidungstheorie entstanden so vor allem die "Formgeschichte" und die "Oraltraditionalisten" ("Uppsala-Schule"). Die Gründer der Formgeschichte waren H. Gunkel (ca. 1900) und H. Gressmann (ca. 1920). Auch ihre Schule lehrte, dass der Pentateuch das Produkt einer Zusammenstellung (Kompilation) war, dass es aber über die ältesten Phasen nichts zu sagen gibt. Sie verwarf die JEDP-Quellen ("festgelegte" schriftliche Dokumente!) und meinte, dass man höchstens versuchen könne, im Pentateuch die mündlichen Überlieferungen zu erkennen, auf die die Schriften zurückzuführen seien. Man müsse daher bestimmte "Gattungen" unterscheiden: literarische Genres (Gattungen), die jede für sich einen kennzeichnenden "Sitz im Leben" (Lebenssituation) aufwiesen. Eines der wichtigsten Hilfsmittel dabei war die religionsgeschichtliche Forschung, die sich auf parallele Religionsformen und Literatur von Israels alten Nachbarvölkern richtete, vor allem auf die Ägypter und auf Mesopotamien, wo "Gattungen" und "der Sitz im Leben" deutlicher zu unterscheiden waren. So sollte nach dieser Ansicht das 1. Buch Mose in Wirklichkeit eine Sammlung von "Legenden" sein, die in einer ziemlich abgeänderten mündlichen Form überliefert und erst kurz vor oder nach der babylonischen Gefangenschaft schriftlich niedergelegt sein sollten. Eigentlich hat Gunkel uns einen grossen Dienst erwiesen, weil er die Unfundiertheit und das Gekünstelte an der Quellentheorie deutlich aufzeigte. Aber leider war seine Theorie noch schlechter; sie war nämlich eine grobe Missachtung der alten und hohen literarischen Kultur Israels, wie wir noch sehen werden. Unsere spätere Kenntnis der antiken Schreibkunst und Literatur hat im Grunde gezielt mit der Formgeschichte abgerechnet. Dasselbe gilt für die Oraltraditionalisten der Uppsala-Schule, die die Quellenscheidungstheorie ebenfalls radikal verwarfen und die Bedeutung der mündlichen überlieferung noch mehr betonten als Gunkel und die Formkritiker. Manche behaupteten sogar, wenn es um die Überlieferung von historischem Material ginge, sei die mündliche Überlieferung im Orient der Antike wichtiger als das Schreiben. Ihrer Meinung nach müssten wir also nicht nach geschriebenen Quellen suchen, sondern nach Einheiten "oraler Traditionen" (mündlichen Überlieferungen), nach "Traditionskreisen" und verschiedenen "Schulen" innerhalb dieser Kreise. Diese Linie wurde zuerst von J. Pedersen (1931) entwickelt und von L. Engnell aus Uppsala (1954) ausgearbeitet. Sie versuchten ebenfalls, das Material in literarische "Gattungen" einzuteilen und die Bedeutung des "Sitzes im Leben" zu betonen. Engnell unterschied zwei fundamentale Überlieferungsquellen für den Pentateuch: Die eine erstrecke sich von 1.-4. Mose und weise auf eine "priesterliche" Schule hin (daher "P"); die andere erstrecke sich von 5. Mose bis 2. Könige - die "deuteronomische" Schule (daher "D"). Diese letztere weise einen anderen Stil auf und solle auf einen D-Kreis von "Traditionalisten" hinweisen. P stamme aus Juda, während D mehr in die Richtung des nördlichen Reiches der zehn Stämme weise. Wichtig sei hierbei, dass die verschiedenen Gruppen von Legenden kultischer Art seien, also verbunden mit verschiedenen Heiligtümern. Diese kultische Bedeutung der verschiedenen Überlieferungsschulen wurde schon von S. Mowinckel (1930) stark betont. Kritik an dieser einseitigen Betonung des Kultes (des Gottesdienstes) kommt von der "Schule von Leipzig", die sich auf das Werk von A. Alt (1929) gründet. Sie versuchte noch nuancierter, den "Sitz im Leben" der verschiedenen "Gattungen" ausfindig zu machen. Zu dieser Richtung gehören vor allem M. Noth und G. von Rad, von denen vor allem der Letztgenannte mehr den theologischen als den historischen Inhalt des Alten Testaments betont. Parallel mit der Entwicklung der neutestamentlichen Kritik (Kapitel 8) wird die historisch-kritische Methode (wie Quellenscheidungstheorie und Formgeschichte) etwas in den Hintergrund gerückt. Dadurch wird mehr Raum frei für eine theologische Exegese, die zum Kern durchzudringen versucht, zum Inhalt, zu der "Sache", zu dem "Kerygma" (der Botschaft, Verkündigung, Predigt). Es gehe vor allem um Zeugnisse und Botschaften des alten Israels, um die "kerygmatischen Ziele" der Überlieferung. Diese Idee wurde u. a. von W. Pannenberg (1961) und seiner Schule ausgearbeitet. In der (vermeintlichen) Formgeschichte eines Buches sucht man jetzt auch den "theologischen Impuls", der ursprünglich zum Entstehen und Zusammenstellen des Buches führte. Männer wie Noth und von Rad und auch W. Zimmerli und H. W. Wolff entwarfen eine neue Art alttestamentlicher Hermeneutik (Lehre des Auslegens), mehr eine Art Philosophie und Dogmatik, die sich mit der möglichen Bedeutung des alten Wortes von Israel für unsere heutige Situation beschäftigt. Wenn wir die heutige Situation betrachten, können wir feststellen, dass man in Deutschland gewöhnlich eine Art Verbindung zwischen der Quellenscheidungstheorie und der Formgeschichte (angefangen mit 0. Eissfeldt, 1934) anstrebt. In den skandinavischen Ländern sind die "Formgeschichte" und die "Traditionsgeschichte" führend. Und in den angelsächsischen Ländern ist die Quellenscheidungstheorie immer noch die populärste, trotz der Tatsache, dass Generationen von Theologen die Pfeiler dieser Theorie zerstört haben - aber nur, um sich danach noch unwahrscheinlichere Theorien auszudenken, zum Beispiel die, dass die Israeliten ihre Auffassungen und Geschichten erst um 500 v. Chr. schriftlich niederlegten. Man könnte sich kaum eine Behauptung ausdenken, die mehr mit dem überwältigenden Tatsachenmaterial in Widerspruch steht als diese... Nun ist es an der Zeit, dass wir uns näher mit den Argumenten der Bibelkritik und ihrer Widerlegung befassen. Ihre Methoden werden auf das ganze Alte Testament angewandt, vor allem aber auf den Pentateuch, so dass diesem unsere besondere Aufmerksamkeit gilt. Später wollen wir die anderen Bücher noch kurz behandeln. Zuerst wollen wir über das Fundament und die Unvollkommenheit der Quellenscheidungstheorie sprechen; dadurch kommen wir dann automatisch zu unseren Bedenken im Blick auf die "Form- und Traditionsgeschichte". Übrigens, ehe der Leser fortfährt, raten wir ihm, nochmals Kapitel 2 zu lesen, vor allem, was dort gesagt wird über die unbestreitbare Verfasserschaft des Mose für den Pentateuch und über das hohe Alter der Schreibkunst und Literatur. Lassen Sie uns im folgenden die (nach Meinung Eissfeldts) vier wichtigsten Fundamente der Quellenscheidungstheorie unter die Lupe nehmen: 1. Der Wechsel zwischen den Gottesnamen (Elohim und Jahwe). Wie wir schon sahen, war dieses das erste Argument, das für die "Quellenscheidungstheorie" gebraucht wurde; man ging davon aus, dass dem 1. Buch Mose verschiedene Quellen zugrunde lagen, die jede für sich einen der beiden Gottesnamen bevorzugten. Dieses Argument ist aus folgenden Gründen abzulehnen: a. Genau derselbe Namenswechsel kommt im Koran vor, wo niemand die Einheit der Verfasserschaft anzweifelt. Dieselbe Erscheinung entdecken wir in vielen antiken Werken, und es würde uns sehr befremden, wenn die alten hebräischen Quellen immer nur einen Gottesnamen verwendeten. b. Die Teilung in verschiedene Quellen auf Grund von Gottesnamen ist so künstlich, dass die Kritiker öfter das Argument nicht konsequent durchführen konnten; so kommt Elohim in folgenden J-Texten vor: 1. Mose 3,1-5; 31,50; 33,5 +11, und Jahwe in folgenden E-Texten: 1. Mose 21,33; 22,11 + 14; 28,17-22. Solche Probleme schoben die Kritiker gewöhnlich auf den "Redakteur", der wohl nicht besonders intelligent gewesen sei. c. Zwischen dem masoretischen Text und der Septuaginta (siehe Kapitel 3) bestehen zahllose Unterschiede im Vorkommen der Gottesnamen. Dennoch gehen die "Quellenscheider" beständig von dem Masoretentext aus, als ob nur deren Text den Namen Gottes unfehlbar überliefert hätte. Das kommt einem etwas merkwürdig vor bei Theologen, die den Text doch sonst in jeder Hinsicht als unvollkommen ansehen... d. Wie sogar viele Kritiker später erkannt haben, kann der Gebrauch der verschiedenen Gottesnamen im Text treffend durch den Kontext erklärt werden. Elohim verweist auf Gott als den allmächtigen Schöpfer des Weltalls und als Herrn über die Natur und den Menschen im allgemeinen; Jahwe dagegen ist der Bundesname Gottes, der gebraucht wird, wenn es im Text um die vertraulichen Beziehungen zwischen Gott und dem Menschen geht. 2. Vermeintliche Duplikate und Parallelgeschichten. Dies war fast von Anfang an eines der meistgebrauchten Argumente. Man "sah" in 1. Mose 1 und 2 zwei verschiedene Schöpfungsgeschichten und zwei sich kreuzende Geschichten in 1. Mose 6-8 (Sintflutbericht). Diese unterschiedlichen Geschichten würden darum ursprünglich aus verschiedenen Quellen kommen und seien von den Zusammenstellern nebeneinander in die heutigen Bücher der Bibel aufgenommen worden. In Wirklichkeit scheint es entweder (a) um verschiedene Geschichten mit übereinstimmenden Details zu gehen, oder (b) um tatsächliche Wiederholungen, jedoch unter einem völlig neuen Gesichtspunkt, oder aber (c) um eine Wiederholung, die der Eigenart der hebräischen Kultur zuzuschreiben ist. Wir geben zu allen drei Punkten ein Beispiel: a. Für den ersten Fall kann man die meisten Beispiele geben, wie: die doppelte Flucht Hagars (1. Mose 16 und 21); die dreimalige Begründung für den Namen Isaaks (1. Mose 17,17; 18,12; 21,6); Abrahams doppeltes Verleugnen seiner Frau (1. Mose 12 und 20); der doppelte betrügerische Aufenthalt in Gerar (1. Mose 20 und 26); die doppelte Namensgebung des Brunnens von Beerseba (1. Mose 21,31; 26,33). In allen diesen Fällen gibt es keine echten Beweise, dass es sich in der Tat immer um dieselben Geschichten handelt, die etwa durch verschiedene Quellen überliefert wurden. Im Gegenteil, in allen Fällen haben wir Grund genug, an der Überzeugung fest-zuhalten, dass es hier sehr wohl um verschiedene Geschehnisse geht, auch wenn sie übereinstimmende Details haben. Wir können jetzt nicht auf Details eingehen, aber in den meisten Fällen kann der nüchterne Leser das ganz einfach selber feststellen. b. Ein Beispiel für den zweiten Fall ist "die doppelte Schöpfungsgeschichte" in 1. Mose 1 und 2, verstärkt durch den Gebrauch verschiedener Gottesnamen (EIohim, oder Jahwe Elohim). Man kann aber leicht sehen, dass es im Grunde gar keine Parallelgeschichten sind, sondern dass wir in 1. Mose 1, 1-2; 4a eine allgemeine Schilderung der Schöpfungstaten Gottes während der sechs Tage und seiner Ruhe am siebenten Tag finden, während der Verfasser ab Vers 4b näher auf den wichtigsten Teil von Gottes Schöpfung eingeht: der Erschaffung des Menschen. Dort erzählt er dann auch, wo Gott den Menschen wohnen liess und wie er ihm seine Frau gab, und da-zu passt dann auch verständlicherweise ein anderer Name für Gott (siehe oben). Die sogenannten Widersprüche zwischen den zwei Teilen (siehe vor allem 1. Mose 2,5 und 19) verschwinden sofort, wenn man eine korrekte Übersetzung gebraucht. c. Der dritte Fall kann am besten mit Beispielen illustriert werden, bei denen sozusagen zwei Geschichten zu einer verwoben wurden, wie z.B. bei der Geschichte der Sintflut (1. Mose 6-8), dem Bericht von Abrahams Reise nach Kanaan (1. Mose 11-13), dem Segen Isaaks (1. Mose 27) und der Gefangennahme Josephs (1. Mose 37). Auch hier erkennt man deutlich das Künstliche an der Quellenscheidungstheorie. Die scheinbaren Widersprüche sind einfach zu erklären, vor allem dann, wenn man die Eigenarten des hebräischen Stils in Betracht zieht, der (1) hauptsächlich einen Nebensatzverband kennt, (2) gern etwas in einer abgeänderten Form wiederholt, um es noch deutlicher herauszustellen, und (3) eine Vorliebe für poetische Wiederholungen ("Parallelismus") mit Variationen in Wort-gebrauch und Inhalt kennt - sogar im Gebrauch der Gottesnamen (vgl. 1. Mose 30,23 + 24!). Diese Stilart kennzeichnet auch andere antike Literatur. 3. Sogenannte Widersprüche, Anachronismen und Ungereimtheiten. Diese Art Vorkommnisse, so meint man, weisen auf verschiedene Quellen hin, die von verschiedenen Verfassern stammen, die unter ganz unterschiedlichen Umständen geschrieben haben. a. Man meint, einen Widerspruch zu entdecken in der Namensgebung (z.B. Sinai gegenüber Horeb, Jethro gegenüber Reghuel), in der Gesetzgebung (ohne jedoch zeitliche und durch Umstände bedingte Unterschiede zu berücksichtigen), in Gewohnheiten (z.B.: in P gibt der Vater den Kindern Namen, in J und E die Mutter; aber diese Regel kennt zahlreiche Ausnahmen!) und int anderem mehr. b. Anachronismen (Wörter im Pentateuch, die d L utlich aus einer viel späteren Zeit stammen), wie "Philister" in 2. Mo 13,17, "Dan" in 1. Mose 14,14 und 5. Mose 34,1 und "das Land der Hebräer" in 1. Mose 40,15, können in der Tat verblüffen. Sie könnten aber auch die Folge von späteren Revisionen durch Schriftgelehrte sein, ohne dass damit Moses Verfasserschaft wirklich angetastet würde. c. "Spätere Wörter" (die im Alten Testament selten, aber dafür in der späteren hebräischen Literatur. oft vorkommen) sollten darauf hinweisen, dass die Schriftstellen, in denn diese Worte vorkommen, darum auch von späterem Ursprung seien. Man hat dabei gewöhnlich ausser acht gelassen, dass es genauso gut möglich ist, dass (1) die "späteren Worte" in Wirklichkeit wohl alt sind, aber wenig in der Bibel vorkommen, oder dass (2) sie wirklich "spät" sind, aber im Nachhinein dem Text zugefügt wurden, um veraltete oder undeutliche Wörter zu ersetzen. Von beiden Möglichkeiten gibt es genügend Beispiele in der Literatur. d. Aramäismen (aramäische Wörter oder Idiome im hebräischen Bibeltext) sollten ebenfalls darauf hinweisen, dass die betreffenden Stellen jung seien (d.h. aus der Zeit nach der Gefangenschaft stammen). Aber der grösste Teil dieser "Aramäismen" stellt sich auf die Dauer als reines Hebräisch heraus oder könnte es wenigstens sein. Das Argument ist damit so gut wie hinfällig. e. Ungereimtheiten sollten z.B. sein, dass Mose, wenn er der Verfasser des Pentateuchs wäre, dann über sich selber in der dritten Person geschrieben hätte und auch seinen eigenen Tod schilderte (5. Mose 34). Das erste ist aber keineswegs ein Problem, weil das in der antiken Literatur viel öfter vorkommt; eine mögliche Erklärung ist auch, dass Mose seine Schriften diktierte. Der zweite Punkt ist genauso unkompliziert: 5. Mose 34 ist in der Tat einfach ein späterer Abschluss des Buches, ein Anhang, der zudem auch sehr einfach (oberflächlich) gehalten wurde (siehe auch Kapitel 3). 4. Unterschiede in Thema, Stil und Wortwahl. Auch hier meint man, dass solche Unterschiede auf verschiedene Quellen hinweisen, die von verschiedenen Autoren aus verschiedenen Zeiten stammen sollen. Die dafür angeführten Beispiele sind aber ebenfalls weit hergeholt und können auch ganz anders erklärt werden. a. Es ist unverständlich, weshalb wir annehmen sollten, dass ein hebräischer Verfasser nicht über verschiedenen Themen (Biographien, sittliche Lektionen, Geschlechtsregister, Zählungen, Zeremonien) schreiben sollte, wie etwa moderne Verfasser und andere aus der übrigen antiken Literatur. b. Genau dasselbe gilt für Unterschiede im Schreibstil. Es ist überall bekannt, dass ein Autor sehr wohl über mehrere Stile verfügen kann, vor allem wenn er über verschiedene Themen schreibt; auch das ist in der antiken Literatur nicht unbekannt. c. Auch die Unterschiede im Wortgebrauch - die Theologen haben enorme Listen von Worten erstellt, die für die verschiedenen Quellen kennzeichnend sein sollen! - lassen sich sehr einfach erklären aus (1) den unterschiedlichen Themen (von denen jedes eigene Schlagworte kennt) und (2) der Vorliebe eines Verfassers für verschiedene Ausdrucksweisen, die seinen Stil beleben oder bestimmten Dingen Nachdruck verleihen. Ausserdem (3) hat auch hier die antike Literatur genau dieselben Unterschiede bei ein und demselben Verfasser ans Licht gebracht.Alternative radikale Theorien
Grundlagen der Quellenscheidungstheorie
Datum: 23.06.2005
Autor: Willem J. Glashouwer
Quelle: Die Geschichte der Bibel