Vater im Himmel

Die Anrede des Jüngergebetes ist kein Als-ob. »Gott ist der Vater« bedeutet: der Mensch ist göttlichen Geschlechts

Durch die Anrede des Jüngergebets wollte Jesus nicht bloss das Zutrauen im Menschen wecken, dass Gott wie ein Vater für ihn sorgt und ihn schützt. Er will uns daran erinnern, dass Gott unser Vater ist, und wir sollen das ernst nehmen.

Von meinem Vater stamme ich ab; es besteht ein tiefer bluthafter Zusammenhang zwischen ihm und mir. Der Allmächtige unser Vater, das bedeutet: wir sind göttlichen Geschlechts, uns verbinden geheim­nisvolle ewige Bande mit dem Schöpfer.

Jesus spricht hier das­selbe aus, was das zweite Kapitel der Bibel sagt: dass der Schöpfer tief persönlich beteiligt war bei der Erschaffung des Menschen, dass das Menschenleben aus dem Odem Gottes kam (1. Mose 2,7). Darum hat Gott die Welt so geliebt, dass er ihr seinen eingeborenen Sohn gab, um sie aus ihrer Verlorenheit in der Abkehr vom Vater zu retten.*

Darum preist Gott seine Liebe zu uns, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren (Röm. 5,8). Wir haben also ein angestammtes Recht, eine erbliche Anwartschaft auf all das Grosse, das das Vaterunser uns bitten lehrt.

Es ist nichts Übermässiges, wenn wir darum bitten, dass der Allmächtige uns seine alle menschlichen Vorstellungen sprengende Grösse persönlich offenbare (erste Bitte); dass unser Schicksal sich wende von der dämonischen Artgebung zur göttlichen (zweite Bitte); dass wir unmittelbare Weisungen und Vollmacht zu ihrer Erfüllung von oben erhalten (dritte Bitte).

Es ist so normal, dass wir darum bitten, wie es selbstverständlich ist, dass ein Sohn das Verlangen hat, in der Nähe seines Vaters zu sein, ihn zu sehen, zu Hause zu bleiben und die väterliche Art zu bewahren; eingeweiht zu werden in die Pläne des Vaters und an seinem Werk mitzuwirken.

Die Anrede des Vaterunsers ist der Schlüssel zum Verständnis der Lehre Jesu

In der Anrede des Jüngergebets ist der ganze Inhalt der frohen Botschaft zusammengefasst. In dieselben Worte fasst Jesus aber auch seine ganze Forderung: Weil wir so hochgeboren sind, soll unsere Haltung auch göttliche Hoheit und Unabhängigkeit ha­ben.

Wir sollen die Grösse haben, dem Feind ein ebenso warmes Herz entgegenzubringen wie dem Freund. Wir sollen zum Spötter ebenso gut sein wie zu dem Frommen. Wir sollen mit dem wüsten Anarchisten ebenso freundlich und unbefangen umgehen wie mit dem ehrsamen Bürger, der armen zertretenen Dirne mit derselben Achtung begegnen wie der frommen Dia­konisse.

So vollkommen soll unsere Menschenliebe sein, so er­haben über alle Scheidewände, die es hier gibt: damit wir uns erweisen als Söhne des Vaters im Himmel, der will, dass keiner, auch nicht der verachtetste Verbrecher, verlorengehe.

* Zitat aus Johannes 3,16 (Livenet)

Datum: 09.12.2009
Autor: Ralf Luther
Quelle: Neutestamentliches Wörterbuch

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