Wenn's mal knallt …
«Wir haben uns auseinandergelebt.» «Wir verstehen uns nicht mehr.» Solche oder ähnliche Sätze bekommen wir von Ehepaaren immer wieder zu hören. In vielen Beziehungen sorgen Konflikte für Distanz zwischen den Partnern. Auch bei uns passiert das: Wir machen uns gegenseitig Vorwürfe. Wir fühlen uns vom anderen angegriffen. Wir kriegen uns in die Haare und kommen nicht mehr aus unserer Haut raus, um die Lage objektiv zu betrachten.
Solche Situationen sind ganz normal – Menschen sind unterschiedlich und das kann zu Konflikten führen, besonders in der Ehe. Die Frage ist: Wie gehen wir mit ihnen um? Wie können wir konstruktiv diskutieren, sodass wir uns nicht auseinanderleben?
Streit ist gesund!
Die gute Nachricht ist: Dass ihr streitet, ist ein positives Zeichen. Wenn ich mit jemandem streite, bedeutet das, dass er oder sie mir wichtig ist. Ich ignoriere mein Gegenüber, wenn es mir egal ist. Doch Streit bedeutet: Ich habe noch Interesse an dir. Wir mögen uns noch.
Wichtig ist nur, dass wir einander auch in Konfliktsituationen mit Respekt, Wertschätzung und Liebe begegnen. Die folgenden Tipps können dabei helfen – auch unabhängig von der Ehe.
1. Einander Freiraum lassen
Viele sagen ihren Partnern ständig, was sie tun und lassen sollen. Oft beobachten wir, dass Mann und Frau versuchen, sich gegenseitig zu erziehen. Doch damit schränken sie ihr Gegenüber sehr ein. Das führt zu Blockaden und zum Rückzug.
Stattdessen sollten wir als Ehepartner darauf achten, dem anderen jeweils seine Freiheit zu lassen. Er oder sie darf anders sein, anders denken und anders handeln als ich. Das zu erkennen, kann viele Konflikte vermeiden.
2. Eigenverantwortlichkeit übernehmen
Stell dir vor, du hattest einen richtig guten Tag und freust dich auf das gemeinsame Abendessen mit deiner Familie. Ihr plant, bei eurem Lieblings-Italiener eine Pizza essen zu gehen, um den Geburtstag deiner Mama zu feiern. Doch dein Partner oder deine Partnerin kommt schlecht gelaunt von der Arbeit nach Hause – und auf einmal ist die ganze Vorfreude dahin. Die Übellaunigkeit verdirbt dir den ganzen Abend, auf den du dich doch gefreut hattest. Du bist wütend und enttäuscht.
In solchen Situationen sind wir schnell dabei, die Schuld auf den anderen zu schieben. Doch es ist wichtig, sich bewusst zu machen: Die Verantwortung für meine Gefühle, meine Haltung und mein Verhalten liegt allein bei mir. Sie ist unabhängig von meinem Partner oder meiner Partnerin.
Es kann entscheidend zur Deeskalation eines Konfliktes beitragen, wenn wir kurz innehalten und uns fragen: Was ist mein Part in diesem Streit? In unserem Beispiel hattest du eigentlich einen guten Tag. Aber dadurch, dass du dich von der Laune deines Gegenübers abhängig gemacht hast, wurde er dir verdorben. Das hätte nicht sein müssen! Der einzige Mensch, den du ändern kannst, bist du selbst. Alles andere ist eine Sache zwischen Gott und der betreffenden Person. Wir fragen Gott immer wieder: Was ist mein Part in diesem Konflikt? Dann erkennen wir oft, wo wir uns falsch verhalten haben oder was wir tun können, um uns mit unserem Gegenüber zu versöhnen.
3. Empathisch kommunizieren
In Konfliktsituationen möchte jeder seinen Standpunkt mit dem Gegenüber teilen. Dabei ist es wichtig, Emotionen bewusst wahrzunehmen und auch zu benennen. Verwendet keine Du-Botschaften wie «Du nimmst mich nicht ernst» oder «Du hörst mir nicht zu». Diese können schnell verletzen. Der Ton, in dem ihr etwas sagt, ist entscheidend. Zeigt zuerst Wertschätzung für euer Gegenüber. Wenn ihr dann um eine Verhaltensänderung bitten möchtet, nutzt zum Beispiel die Formulierung: «Es wäre mir eine Hilfe, wenn…»
Nicht immer kann die Person, die mit Empathie reagieren sollte, das auch tun. Manchmal schlägt einer zurück, statt besonnen zu handeln. Erinnert euch in solchen Situationen daran: Wir sind Partner. Schlagt nicht einfach zurück, wenn euer Gegenüber euch verletzt. Macht euch stattdessen bewusst: Ich habe gerade einen Nerv getroffen. Bittet den Heiligen Geist, euch zu helfen und fragt ihn, wie ihr mit Empathie reagieren könnt. Vielleicht ist es auch dran, dich zu entschuldigen, wenn du merkst, dass du über die Stränge geschlagen hast.
4. Zuhören statt recht haben
In einer Streitsituation sind wir davon überzeugt, im Recht zu sein. Doch darum geht es letztendlich nicht. Tief drinnen wollen wir nicht recht haben, sondern uns versöhnen und uns gegenseitig nah sein.
Gottes Idee ist es nicht, dass wir den Streit um jeden Preis gewinnen. Er möchte, dass wir demütig sind. Das bedeutet, zu erkennen: Ich habe eine Brille auf, durch die ich die Welt sehe. Das, was ich für richtig halte, ist nicht die objektive Wahrheit – und ich brauche dringend deine Perspektive. Keiner von uns beiden hat recht, sondern jeder erlebt die Dinge komplett anders.
Wenn wir uns dessen bewusst sind, können wir lernen, unsere Haltung zu verändern. Wir können aus der Verteidigung heraus in die Kommunikation gehen. Eine hilfreiche Übung dabei ist diese: «Ich teile dir etwas mit und du darfst dich nur positiv dazu äussern.» Wenn dein Gegenüber sein Herz mit dir teilt, hast du nur den Job, seine Sichtweise kennenzulernen und zuzuhören. Es geht nicht darum, zu streiten oder zurückzuschlagen, sondern darum, einander zu verstehen. Wichtig ist dabei auch: Wer sein Herz teilt, macht sich verletzlich. Es sollte also klar sein: Was du mit mir teilst, werde ich im Streit nicht gegen dich verwenden.
5. Gemeinsame Lösungen finden
Jedes Paar ist unterschiedlich, und deshalb wird auch eure Lösung des Konflikts anders aussehen als die anderer Paare. Entscheidend ist das Win-win: Findet gemeinsam eine Lösung, die für euch beide passt. Seid mutig, auch «out of the box» zu denken – ihr müsst euch mit niemandem vergleichen.
6. Vergeben, loslassen, beten
Nicht jeder Konflikt kann gelöst werden. Ich (Frauke) komme aus einer Familie, in der alle Männer handwerklich extrem begabt sind. Für mich war logisch: Wenn zu Hause etwas kaputt ist, kann der Mann das reparieren. Diese Erwartung hatte ich auch an Tobi. Schnell habe ich gemerkt: Er hat absolut kein handwerkliches Talent. Das hat eine Zeit lang zu Konflikten geführt, weil ich ihm seine Schwäche immer wieder vorgehalten habe.
In solchen Situationen muss man einen Schlussstrich ziehen und Dinge stehen lassen. Den perfekten Ehepartner gibt es nicht – wir müssen lernen, auch mit dem Unvollkommenen glücklich zu werden. Mir (Frauke) hilft es in frustrierenden Situationen, bewusst die Dinge aufzulisten, die ich an meinem Mann liebe. Das lenkt den Blick weg von dem, was mich an meinem Mann stört. Wichtig ist auch, mich daran zu erinnern: Ich selbst bin genauso unvollkommen.
Als Ehepaar müssen wir Frustrationen und Konflikte immer wieder loslassen und uns gegenseitig vergeben. Dabei hilft es uns enorm, gemeinsam zu beten. Wir brauchen Gottes Hilfe, damit der Streit uns nicht auseinanderreisst.
7. Auf Jesus schauen
Bei all dem bleibt es das Wichtigste, als Ehepaar gemeinsam auf Jesus zu schauen. Die Bibel sagt, dass Ehe ein Geheimnis ist. Um sie in der Fülle leben zu können, brauchen beide Partner eine lebendige Beziehung mit ihrem Schöpfer. Gottes Traum ist es, dass wir ihn in alle Bereiche unserer Ehe mit einbeziehen: In die Krisen, die schönen Situationen, in jedes Lachen, alle Herausforderungen – und eben auch in unsere Konflikte.
Jesus nimmt alles auf sich, was uns trennt. Wenn wir das Kreuz in die Mitte der Ehe nehmen, geschehen zwei Dinge: Einerseits trennt uns das Kreuz. Immer wieder verletzen wir uns gegenseitig. So, wie Eltern zwei streitende Kinder trennen, kann auch Jesus uns voreinander beschützen, wenn wir uns gegenseitig verletzen. Wir erleben, dass Gott uns in Konflikten Trost gibt und hilft, einen gesunden Abstand zur Situation zu gewinnen. Er möchte, dass wir in den Sackgassen unserer Ehe eine Burg bei ihm haben. Dass wir Frieden finden, obwohl wir gerade im Streit sind. Bei Gott dürfen wir alle Emotionen rauslassen. Er zeigt uns, wie wir gut mit dieser Situation umgehen. Wir belassen unsere Klagen aber am Kreuz. So verletzen wir unser Gegenüber nicht mit unbedachten Worten oder Handlungen.
Jesus trennt uns nicht nur. Denn andererseits verbindet uns das Kreuz auch. Gott nimmt uns in den Arm, wenn die Beziehung betäubt ist und wir uns gegenseitig nicht mehr vertrauen können. Denn er sieht uns ganzheitlich an – als Ehepaar. Ich (Tobi) weiss: Selbst, wenn ich mich aufrege, selbst, wenn ich verletzt und das grösste Opfer bin, wird Gott meine Frau nicht aus dem Blick verlieren. Wenn wir gegeneinander kämpfen, lenkt er unseren Blick immer wieder aufeinander zu.
Reflexion für eure Ehe
Konflikte gehören zum Eheleben dazu, doch sie müssen euch nicht auseinanderreissen. Mit den folgenden Fragen könnt ihr eure Streitkultur reflektieren:
- Welche Stürme haben wir schon gemeinsam gemeistert?
- Wie wollen wir uns auf Stürme vorbereiten?
- Welchen Schritt können wir gehen, um uns in unserer Streitkultur weiterzuentwickeln?
Tobias und Frauke Teichen sind Lead Pastoren im ICF München. Sie haben auf dem Herzen, Ehen zu stärken. Dazu haben sie die AmoreXperience ins Leben gerufen. Interessiert an mehr solcher Impulse von FamilyNext? Gönne dir oder Freunden jetzt einen günstigen Jahresabogutschein des Magazins hier.
Zum Thema:
Dossier: Beziehungskiste
Hilfreiche Streitkultur: Lieber gut streiten als schlecht versöhnen
Spannungsfelder in Gemeinden: Umgang mit Konflikten
Datum: 31.07.2025
Autor:
Frauke und Tobias Teichen
Quelle:
Magazin FamilyNext 04/2025, SCM Bundes-Verlag