Eine Portion Mani Matter zum 1. August
Auch weil Hans Peter Matter früh verstarb (36jährig), gab und gibt es immer wieder Tribute, Veranstaltungen, Coverbands und eine schier endlose Menge nachgespielter Matter-Juwelen; ein Beispiel: das ebenfalls einmalig inszenierte «Hemmige» von Stephan Eicher.
Im Livenet-Talk spricht Florian Wüthrich mit dem evangelischen Pfarrer und «Matter-Kenner» Bernhard Rothen. Es geht um Demokratie, Wort-/Liedkunst und Glaubensthemen.
Einigermassen spektakulär sind Aussagen wie «In meinen Träumen weisse Häuser im Mondlicht. Mein Gott hat keine Gestalt. Er spricht», oder «Und vielleicht hat uns Gott die Fähigkeit, ihn zu suchen, als Richtschnur gegeben, um mit den Möglichkeiten fertig zu werden.»
Denkkraft, Lebensfreude und Kunst
Die minimale Musikbegleitung auf der Gitarre gab Mani Matters Texten umso mehr Schärfe und Dringlichkeit. Mit einer Liste von rund 70 Liedern auf Wikipedia fasziniert den Theologen Rothen unter anderem die Lebensfreude des Berner Troubadours. Er sieht ihn als einzigartige Kapazität, künstlerisch und mit einer unerhörten, aussergewöhnlichen Denkkraft.
Der Pfarrer erklärt, wie sich das Liedgut auch den jüngeren Generationen ins Herz singe. Viele Lehrer hätten ihm gesagt, dass der Liedermacher ihre Sing-Lektionen gerettet hätte.
Anstössig Theologisches – Eine Verteidigung des Christentums
Bernhard Rothen bezeichnet den Liedermacher als «ein grösserer Denker als viele», der jedoch in den Augen der gesellschaftskritischen 68er-Bewegung anstössige Texte hatte, auch wegen des Theologischen. So habe Matter nach all den Rettungsversuchen im «Zündhölzli» ganz bewusst am Schluss das «Gott sei Dank…!» des ikonischen Liedes gesetzt.
2011 hatte seine Frau Joy Matter ein Notizheft aus den Studienzeiten in Cambridge (1968) öffentlich zugänglich gemacht. Ihr Mann Mani schrieb und fing dann plötzlich von hinten wieder an. Den Titel «Gedanken eines jungen Schweizers zur Verbesserung der Gesellschaft» hatte er aber verworfen und präzisierte zu «Eine Verteidigung des Christentums».
Nacht als Kirche – «Gott, wenn Du willst…»
In seinen Hochsprachen-Gedichten steckte mehr von seinem Innenleben drin. Viele Notizen seien jedoch unpubliziert, meint der Talkgast und wechselt zur Theologie, wo Matter beispielsweise schrieb: «Meine Kirche ist die Nacht. Wenn Du, Gott, willst, dass ich weiterhin so dunkle Strassen betrete, dann will ich weiterhin auf diese Art beten.»
Eines seiner «Sudelhefte» erklärt anhand des Todes seiner Mutter einen dunklen Grundton des Poeten. So gesehen, habe er die Fröhlichkeit jeweils den Liedern abgerungen, erzählt der Pfarrer und fährt fort, Matter habe einst ein neues Lied geschrieben und sei mit einem Kollegen im Studierzimmer verschwunden, um es zu teilen: «Nei säget, söue mir vo nüt meh anderen tröime, mir, wo müesse läbe, ide gottvergässne Stedt?», wobei er den materiellen Fokus der Gesellschaft im Blick hatte.
Fiktive Rede zu Kirchenkritik und -Ehre
Talkmaster Flo Wüthrich stellt die äusserst interessante, aber schwierige Frage, was Mani Matter wohl am 1. August-Rednerpult 2025 sagen würde? Rothen meint, dass er als Grundehrlicher weder der Lobhudelei noch dem Zerfetzen des Landes verfallen wäre.
Gegenüber der Kirche käme wohl auch: «Was erwarten wir von der evangelischen Volkskirche? Sicher nicht das, was die Kirche macht. Aber sicher nicht einfach die Bedürfnisse befriedigen, sondern ernsthafte Diskussionen über Dogmen, Grundfragen des Glaubens führen. Welches sind die grossen Aufgaben, die die Kirchen nicht nur herausfordern, sondern auch ehren?»
Ein Taburettli (Hocker) mit Demokratie-Bezug
Die Lieder «Dr Hansjakobli und ds Babettli» (Taburettli) oder «Si hei dr Wilhälm Täll ufgfüert» regen das Talk-Duo an, über grosse Weltthemen wie die schwindende Demokratie zu diskutieren.
Im Zusammenhang mit Matters exzellenten Liedern ruft Bernhard Rothen auch zu einer hohen Qualität für heutige Kirchen- und Anbetungslieder auf, und dass man mehr Perfektion suchen müsse.
Er resümiert: «Mani Matter gab viel Lebenslust, Freude und Humor weiter, aber im Innersten mit einem Bussruf – einfach ein Genie der Sprache und Musik. Uns ist da viel gegeben, das es noch zu entdecken gibt. Ich freue mich, wenn ich das Werk Matters zum Leuchten bringen kann.»
Sehen Sie sich hier den Talk an:
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