Hinduismus – eine Weltanschauung, die der östlichen Esoterik zugrunde liegt

Von allen grossen Weltreligionen ist der Hinduismus am schwierigsten zu beschreiben. Er hat keinen Gründer und kann deshalb eher mit einem Baum verglichen werden, der allmählich gewachsen ist, als mit einem Gebäude, das zu einem bestimmten Zeitpunkt von einem Architekten errichtet wurde. Das, was wir heute als Hinduismus bezeichnen, ist ein Konglomerat von philosophischen Spekulationen, religiösen Glaubensrichtungen und Praktiken verschiedenster Richtungen sowie moralischen und sozialen Verbindlichkeiten. Über eine Zeitepoche von ungefähr 5000 Jahren absorbierte und assimilierte er die religiösen und kulturellen Bewegungen Indiens. Die Anhänger des Hinduismus, die Hindus, empfinden diesen ausgeprägten Synkretismus ihres Glaubens nicht so stark wie wir Leute im Westen, da sie mehr dem Konzept der relativen, in einer gewissen Situation gültigen, als der absoluten, unabhängig von Raum und Zeit gültigen Wahrheit verpflichtet sind.

Der Hinduismus ist keine durch Glaubensüberzeugungen erworbene Religion, wie der Islam oder das Christentum. Die Hindus werden als Hindus geboren, und werden deshalb vorwiegend in Indien gefunden, wo der Hinduismus seinen Ursprung hat, und in den Teilen der Welt, wohin die Inder in grösseren Zahlen ausgewandert sind, so vor allem in Ostafrika und Indonesien. Traditionellerweise ist der Hinduismus keine missionierende Religion. Erst einigen modernen, dem hinduistischen Glaubensgut entsprungenen Bewegungen, wie der Transzendentalen Meditation und der Hare Krishna-Bewegung ist ein gewisser Missionseifer eigen.

Der Einfluss des hinduistischen Gedankengutes im Westen ist jedoch keinesfalls auf diese und viele andere moderne hinduistischen Splittergruppen beschränkt, die in unseren Ländern Anhänger zu finden suchen. Gewichtiger zu bewerten ist die Tatsache, dass in den letzten 50 Jahren in einem unterschiedlich starken Masse die westlichen Geisteswissenschaften davon geprägt wurden. Eine besonders ausgeprägte Anlehnung an die hinduistische Denkweise finden wir z.B. in der Psychologie C.G. Jungs, in der Theologie Paul Tillichs sowie in einigen Werken von Hermann Hesse.

Die hinduistischen Schriften

Es gibt keine einzig-massgebende Schrift, sondern Dutzende von Schriften, die über eine Epoche von mehr als 2000 Jahren geschrieben wurden, hauptsächlich in Sanskrit. Die frühesten hinduistischen Schriften sind als die Veden bekannt. Sie umfassen die "Weisheit" der arischen Einwanderer und sind etwa um 2000 v.Chr. entstanden. Sie beinhalten eine grosse Vielfalt an Hymnen und Gebeten und Opferanweisungen für die verschiedenen Götter, die meistens Personifikationen der Naturmächte wie Feuer, Sturm, Wasser, Regen darstellen. Mit der Zeit begann der Glaube an diese Naturgötter, ähnlich wie später in Griechenland und Rom, zu schwinden und einer mehr philosophischen Art von Religion Platz zu machen. Man versuchte mehr und mehr, die allgemeine Wahrheit, die all diesen Erscheinungen zugrunde liegt, zu erforschen. Daraus entstanden die verschiedenen Abhandlungen, die als die Upanishaden bekannt sind. Ihre Lehren kreisen um Brahman, die letzte Wirklichkeit oder das absolute Wesen, das unpersönlich Absolute, und das Atman, die Seele, respektive die Essenz allen Lebens, insbesondere des menschlichen Lebens. Die Veden und die daraus entsprungenen Upanishaden werden zu der Klasse der Scruti gezählt und besitzen eine höhere Autorität als die Smriti, welche die Prinzipien der Scruti auszulegen versuchen. Die Smriti umfassen die Gesetzesbücher, die zwei grossen Epen, die Ramayana und die Mahabharata, wie auch die Puranas, die Sammlungen von Geschichten, Legenden und Aufzeichnungen wichtiger geschichtlicher Ereignisse darstellen. Ein Dialog aus dem Epos Mahabharata ist besonders erwähnenswert: die Bhagavad-Gita oder der Herrengesang. Es enthält ein Zwiegespräch zwischen Arjuna, dem Prinzen und Feldherrn, und seinem Wagenlenker Krishna, der die verhüllte Inkarnation des Gottes Vishnu ist.

Die Bhagavad-Gita ist die bestbekannte und meistgeliebte Schrift der modernen Hindus. Sie enthält eine Zusammenfassung hinduistischer Lehren, indem sie die pantheistisch-monistische Philosophie der Upanishaden mit dem theistischen Streben nach Verbindung mit einem persönlichen Gott verbindet. Obwohl die im 2. Jahrhundert nach Christus vollendete Gita nicht zu den Scruti zählt, bildet sie trotzdem die Grundlage für den späteren Hinduismus.


Die Vielfalt der religiösen Praxis

Die aus vielen Rassen, Kulturen und religiösen Anschauungen zusammengesetzte Natur des Hinduismus wird widergespiegelt in den komplexen und von Ort zu Ort verschiedenen sozialen Bräuchen und kultischen Handlungen. Einige religiöse Rituale werden täglich zuhause verrichtet, normalerweise vor Götterbildern oder abstrakten Symbolen von Gottheiten. Andere Hindus treffen sich täglich im Tempel, um ihre religiösen Pflichten zu erfüllen. Die besonderen religiösen Festtage werden auf Grund des Mondkalenders festgelegt. Es gibt keinen dem Sonntag ähnlichen Tag bei den Hindus. Astrologische Berechnungen bestimmen die günstigen Tage für irgendwelche Unternehmungen. Viele der jährlich wiederkehrenden religiösen Feste sind verbunden mit der Verehrung von bestimmten Gottheiten, z. B. Kali, der Gottesmutter. Animistische Geisteranbetung spielt eine wichtige Rolle im religiösen Leben der ländlichen Bevölkerung. Die Geister der Verstorbenen müssen versorgt und angebetet werden, und dämonische Geister müssen vom Dorf ferngehalten werden. Krankheiten, Epidemien und Unglücksfälle werden oft Göttern beziehungsweise Geistern zugeschrieben, die besänftigt werden müssen.
Pilgerreisen spielen ebenfalls eine wichtige Rolle im religiösen Leben eines Hindu. Es gibt unzählige Plätze. Flüsse wie der Ganges und der Godavari sind heilig und auch Orte wie Benares und Puri, die Scharen von Pilgern anziehen.


Grundgedanken der hinduistischen Lehre

Das Hauptanliegen der Hindus ist die Suche nach Brahman, dem ewigen Wesen. Um dieses Ziel zu erreichen, sind die Hindus bereit, der Welt zu entsagen, Familie und Komfort zu verlassen, Pilgerfahrten zu heiligen Flüssen und in den Himalaya zu unternehmen und im dichten Dschungel ein Einsiedlerleben zu fristen. Die philosophische Hauptrichtung, die Vedanta, sieht in Brahman die eine abstrakte, alles durchdringende Wirklichkeit. Sämtliche Wirklichkeit, Atman (Geist) eingeschlossen, ist ein Aspekt von Brahman. Wie der aufgelöste Zucker im Wasser verschwindet und doch gegenwärtig ist, so ist auch Brahman im Menschen allgegenwärtig. Die physikalische Welt in all ihren verschiedenen Erscheinungen ist weder wirklich noch unwirklich, sie ist bloss Illusion (Maya).

Die meisten Hindus, obwohl sie an eine grosse Vielfalt von Göttern glauben, halten doch an der Vorstellung eines allumfassenden, alles durchdringenden und allwissenden Gottes fest. Die in die Millionen gehenden Götter stellen verschiedene Aspekte dieses allumfassenden Gottes dar. Gott, wie er im Hinduismus beschrieben wird, ist jedoch nie der Schöpfer des Universums. Gott ist vielmehr die Summe aller Schöpfung, selbst in der Gita, wo die Idee eines persönlichen Gottes entwickelt wurde. Die Welt hat weder ein Ende noch einen Anfang, sondern ist Teil eines evolutionären, zyklischen Prozesses. Es ist wichtig, sich zu vergegenwärtigen, dass ein Hindu unter dem Begriff "Gott" etwas völlig anderes versteht als ein Christ oder ein Moslem, die mit dem Begriff "Gott" den Schöpfer des Universums bezeichnen.
Das ganze Leben der Hindus wird beherrscht vom Gesetz des Karma. Das Gesetz des Karma ist die Übertragung des physikalischen Gesetzes von Ursache und Wirkung auf den geistigen Bereich. Was ein Mensch sät, das wird er ernten. Schlechte Taten bringen Leid und Bindung an menschliche Existenz, gute Taten führen zu Freiheit von dieser Bindung. Verbunden mit Karma ist die Vorstellung von Samsara, der Seelenwanderung bzw. Wiederverkörperung. Das ewige Rad der Wiederverkörperung umfasst sowohl Götter, Menschen wie Tiere. Die Gedanken, Worte und Taten eines Lebens bestimmen die Existenzweise als Gott, Mensch oder Tier eines späteren Lebens.
Das Ziel aller Hindus ist, aus dem Zyklus von Karma und Samsara zu entfliehen. Sie sehnen sich nach einer Befreiung (moksha) von einem solchen Leben, das nie endet. Die hinduistische Annahme ist, dass eine solche Befreiung letztlich für alle möglich ist. Der Weg dazu liegt in der Selbstverwirklichung und in der Vereinigung mit Brahman, der höchsten Wirklichkeit. Diesen Weg" zur Verschmelzung mit dem Göttlichen bezeichnen die Inder als Yoga.

Yoga

Yoga ist eine holistische Lehre und Weltanschauung, die sich v.a. auf zwei Hindu-Texte stützt, auf die Sutren Patenjalis und die Bhagavad-Gita. Das Wort Yoga heisst übersetzt Joch/Verbindung und bedeutet die Konzentration, Vereinigung sämtlicher menschlicher Energien, um ein geistliches Ziel zu erreichen. Es umfasst einerseits körperliche und psychische Techniken, durch die die körperlichen und seelischen Energien kontrolliert werden, um geistliche Vollendung zu erlangen. Anderseits umfasst es metaphysische Kommunikation. Das Ziel von Yoga ist, eine radikale Veränderung des menschlichen Bewusstseinszustandes durch die Kontrolle von Körper und Geist zu bewirken, sodass der das Yoga Praktizierende.(Yogi) einen Geisteszustand jenseits von Ort und Zeit erreicht. Durch Yoga soll der Verstand komplett entleert und der Strom der bewussten seelischen Gedanken gestoppt werden. So wird die Seele von der Bindung an die Natur befreit, der der Verstand entstammt. Es ist nämlich der Verstand, welcher die Seele zu handeln veranlasst, zu empfinden und zu leiden. Durch lange und ausdauernde Praxis von Yoga wird die Seele so von diesen Verknüpfungen und Sinnen befreit, dass das Göttliche nun in das von der Sinnenwelt entleerte Ich eindringen kann.
Der Weg des Yoga umfasst acht Stufen: Auf der ersten Stufe werden universelle moralische Gebote gelehrt. Darauf folgt die Reinigung des Selbst. Die Hindus bezeichnen mit dem Selbst den göttlichen Wesenskern eines jeden Geschöpfes. Dann geht es darum, die richtige Körperhaltung einzunehmen in Form von vorgeschlagenen Yoga-Stellungen. Dann folgen Atemübungen, welche eine Vorstufe sind, um die geistige Aufmerksamkeit nach innen zu lenken und sich ganz von der Sinneswelt zu lösen. Nachdem man sich ganz von den weltlichen Eindrücken abgewendet hat, verfällt man in einen zunehmend tiefen meditativen Ruhestand. Schliesslich soll diese meditative Konzentration in einen Zustand der reinen Transzendenz, des "Überbewusstseins" (Samadhi) ausmünden.

Moderne Formen von Yoga haben versucht, sie als eine Form der Meditation zu benutzen, um eine erhöhte geistliche Vitalität zu erlangen und weniger, um sich mit dem Göttlichen zu verschmelzen. Die Betonung liegt auf der physischen Beherrschung des Körpers sowie in geeigneten Atemübungen, die helfen sollen, ungesunde Eindrücke und Energien loszuwerden und sich zu entspannen. Die Hindus bezeichnen diesen Weg des Yoga als Hatha-Yoga. Yoga kennt vierzehn verschiedene Arten, die aber alle zum gleichen Ziel führen sollen. Das letzte Ziel jeder Form von Yoga, auch des Hatha-Yoga, ist letztendlich die Vereinigung, das Einswerden zwischen Körper und Geist, zwischen unserem menschlichen Selbst und der göttlichen Weltseele Brahman. Auch wenn im Westen vor allem Hatha-Yoga gelehrt wird, so handelt es sich auch hier nicht einfach um eine spezielle Form von gymnastischen Entspannungsübungen. Man kann auch Hatha-Yoga nicht von der dahinterliegenden weltanschaulich neutralen Philosophie mit dem Ziel des Einswerden mit Brahman trennen. Im Gegensatz zur christlichen Meditation, die eine positive Konzentration auf Gott und sein Wort darstellt, geht es bei allen östlichen Meditationsformen darum, Sinne und Verstand auszuschalten und völlig leer zu werden. Dazu Bhagwan Shree Rajneash: "Meditation ist nichts anderes als Erfahrung der inneren Leere. Diese anzuerkennen, sie zu leben und ihr nicht entfliehen zu wollen, bedeutet Lebensfülle." Bei der christlichen Meditation geht es jedoch darum, die personale Beziehung mit unserem Schöpfer und himmlischen Vater zu intensivieren. Es geht um eine Ich-Du-Beziehung. Der substantielle Unterschied zwischen Schöpfer und Geschöpf bleibt erhalten.

ZEN-Meditation - mit christlichem Glauben unvereinbar

Heute wird im Westen unter anderem auch im Rahmen der christlichen Kirche oft Zen-Meditation propagiert. Worum handelt es sich?
Zen ist ein Zweig des Buddhismus, welcher wiederum ein Zweig des Hinduismus ist. Der Zen-Buddhismus verbreitete sich im 6. Jahrhundert in China und wird seit dem 12. Jahrhundert vor allem in Japan ausgeübt. Der Zen-Buddhismus kennt zwei unterschiedliche Übungstechniken, die meditative Versenkung im Sitzen (Zazen) sowie die paradoxen Frage- und Antwortdialoge zwischen Meister und Schüler. Beide Techniken haben das gleiche letzte Ziel, zur plötzlichen, intuitiven Erleuchtung (Satori) zu führen, wenn "das Denken transzendiert", "gegenstandslose Bewusstheit" erreicht wird und in sich selber "die eigene Buddhanatur erkannt wird". Zen-Meditation wird als ein Weg gesehen, sich von emotionellen und materiellen irdischen Bedürfnissen zu befreien, um sich so der Erfahrung der Verschmelzung mit Gott öffnen zu können. Während die christliche Meditation auf Gott und sein Wort ausgerichtet ist, konzentriert sich der Zen-Meditierende auf sich selber. Chögyam Trungpa schreibt in "Das Buch vom meditativen Leben": "Meditation ist das Mittel, uns selbst und unser grundlegendes Gutsein wiederzuentdecken... Es spielt dabei keine Rolle, was für Gedanken man bei der Meditation hat. Sie sind weder verdienstvoll noch verwerflich, ob man nun daran denkt, seinen Vater umzubringen, Limonade zu machen oder einen Keks zu essen." Der Zen-Schüler Karlfried Graf Dürckheim, Autor u.a. des Buches "Der Weg, die Wahrheit, das Leben" hat in seiner "initiatischen Therapie" versucht, die Gedanken des Zen-Buddhismus mit der Psychologie C.G. Jungs zu verbinden. Zen-Meditation ist eine Form der Selbsterlösung und ist himmelweit entfernt von der Gemeinschaft mit Jesus Christus, dem persönlichen Erlöser und Herrn der Welt, der für alle Menschen der Weg, die Wahrheit und das Leben ist. (vgl. Johannes 14,6).
Autor Hanspeter Nüesch, Christliches Zeugnis

Anmerkung

Der esoterische Charakter indischer Religionen


Das Wort Upanishad heisst wörtlich "Sitzung", "zu den Füssen eines Meisters sitzen, der Geheimes lehrt". Seit den Zeiten der Upanishaden waren viele in Indien entstandenen Religionen esoterisch. Die "Lehren" (Mantras) wurden dem initiierten Jünger im Geheimen mitgeteilt. Dieses "Wissen" (Jnana) war wesentlich für die Befreiung. Selbst dann, wenn die Befreiung durch die "Tat" (Karma) oder "Liebende Verehrung" (Bhakti) erreicht war, war das Wissen immer noch unentbehrlich. Sri Krishna gibt z.B. in der "Bhagavad Gita" sein Wissen bezüglich der Bhagavad Gita und des Karimamarga an Arunja weiter. Die Notwendigkeit des Wissens und häufig des "geheimen Wissens" bewirkt, dass man auf einen lebenden Guru nicht verzichten konnte. Da er nun unverzichtbar war, neigte er dazu, der Höchste werden zu wollen, selbst erhabener als die Schriften. Wenn er erklärte, die Schriften stünden an höchster Stelle, so meinte er gewöhnlich seine Auslegung der Schriften, die die Jünger fraglos zu akzeptieren hatten. Da es nun in den esoterischen Religionen Indiens keine objektiven Richtlinien gab, an denen man die Lehre der Gurus hätte messen können, war es für eine charismatische Persönlichkeit leicht, eine neue Sekte zu gründen. Seine Autorität, die er aus seiner eigenen mystischen Erfahrung bezog, war entscheidend. Er nützte (oder missbrauchte) Schriften und Vernunft, um seine Ansprüche zu verteidigen und zu rechtfertigen. Selbst bei den Sekten, bei denen Wissen nicht so geheim war, wie z.B. bei einigen Formen des Yoga, war die Hilfe eines kompetenten Guru unbedingt erforderlich, damit die Technik in richtiger Weise angewandt werden konnte.
Aus "Esoterische Kräfte - Berichte aus der Welt der Gurus" Von Vishal Mangalvachi S. 29f.

Datum: 29.03.2002
Autor: Hanspeter Nüesch
Quelle: Christliches Zeugnis

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