Ausharren mit Jesus. Die biblische Geschichte überliefert es so: Jesus bricht unter dem Kreuz zusammen und Simon von Kyrene wird von den Soldaten gezwungen, an Jesu Stelle das Kreuz zu tragen, nicht mit ihm. Sieger Köder will aber mit diesem Bild nicht die äussere geschichtliche Wahrheit zeigen, sondern einen bis heute aktuellen inneren Vorgang. Deshalb nimmt er sich die Freiheit, Simon an die Seite von Jesus zu stellen. Zwei Männer nebeneinander unter dem einen Kreuz. Sie teilen es miteinander. Es ist nicht klar, wer wessen Kreuz trägt! Die beiden Gewänder fliessen in der Mitte untrennbar zusammen, sie sind miteinander eins geworden. Ihre Gesichter berühren sich und sind ähnlich. Mit der einen Hand halten die beiden das Kreuz, mit der anderen umfassen sie den Gefährten. Sie schauen und gehen in dieselbe Richtung. Es sind zwei Menschen, die sich miteinander identifizieren. Jedoch ist ein deutlicher Unterschied festzustellen: Antlitz und Hand von Jesus sind blass und grau, bereits vom Tode gezeichnet. Antlitz und Hand von Simon haben kräftige Farbe. Simon wird mit dem Leben davonkommen, Jesus nicht. Merkwürdig mutet der Ausdruck ihres Gesichts an: Fast heiter und entspannt! Trost und Frieden strahlen sie aus. Das will so gar nicht zur Situation passen. Hier wird die Einheit des Christen mit Christus zum Ausdruck gebracht, die Einheit des Jüngers mit seinem Herrn – in jeder Beziehung. „Gedenkt des Wortes, das ich euch gesagt habe: Ein Sklave ist nicht grösser als sein Herr. Wenn sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen…“ (Joh 15,20) „...um ihn und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden zu erkennen, indem ich seinem Tod gleichgestaltet werde“ (Phil 3,10) Als Jünger leiden wir mit Christus mit. Wir werden verfolgt, sind ein Fremdkörper in dieser Welt. Wir ächzen unter unserer Fremdlingsschaft, warten auf die Erlösung. Aber während wir das tun, sind wir an seiner Seite, haben wir Gemeinschaft mit ihm. Jedoch bleibt sein Leid immer das Grössere. Ganz bis zum Schluss müssen und können wir nicht mitgehen. Aber es gilt auch das Umgekehrte: Jesus trägt unser Kreuz, unser Leid mit. Wir identifizieren uns mit ihm, er identifiziert sich mit uns. Wenn wir leiden, tritt er an unsere Seite. Empfange ihn, heisse ihn willkommen, vertraue seiner Gegenwart in deiner Not. Nimm ihn wahr, wie er neben dir geht und neben dir trägt. Und dein Gesicht verliert seinen verkrampften, gequälten Ausdruck. Geteiltes Leid ist halbes Leid. Sieger Köder ist Priester und ein herausragender christlicher Künstler. Für die Kirche St. Stephanus in Wasseralfingen (Baden-Württemberg, Nähe Ulm) hat er einen inspirierenden Kreuzweg gemalt, den wir mit diesen Internetandachten anschauen und besprechen. Wir danken ihm für die freundliche Genehmigung dafür. Auch danken wir Pfr. Theo Schmidkonz SJ, der mit seinem Büchlein „Kreuzweg-Erfahrungen“ ebenfalls auf diese Bilder eingegangen ist und viele Anregungen geliefert hat. Quelle: Kreuzweg-Erfahrungen
...Ihr aber seid es, die mit mir ausgeharrt haben in meinen Versuchungen; (Lk 22,28)
Datum: 08.04.2006
Autor: Jens Kaldewey