Die Geschichte der institutionalisierten Dank- und Bussfeier, des «Eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettags», ist eng mit jener des werdenden Bundesstaates Schweiz verbunden. Zum ersten gesamtschweizerischen Dank-, Buss- und Bettag kam es am 8. September 1796. Und seit 1832 steht auch das Datum fest: jeweils der dritte Sonntag im September. Sein eigentliches, heutiges Gewicht erhielt der Tag also im Umfeld der Gründung des Bundesstaates von 1848. Der Bundesstaat von 1848 war keine Selbstverständlichkeit, sondern musste errungen werden. Noch standen das junge Staatsgebilde und der Religionsfriede (zwischen Katholischen und Reformierten) auf wackligen Beinen. So war es klug, mit einem gemeinsamen Dank-, Buss- und Bettag auf die Verwurzelung in der christlichen Tradition hinzuweisen und durch die gemeinsame Besinnung dem noch fragilen Staatsgebilde ein festigendes Element zu geben. Damit wurde das Verbindende betont und der Respekt vor dem politisch und religiös Andersdenkenden gefördert. Zunächst erliessen die Kantonsregierungen Bettagsaufrufe, so genannte Bettagsmandate, die aus religiöser Sicht auf die aktuellen geistigen, sittlichen, aber auch politischen, wirtschaftlichen und sozialen Themen eingingen. Als Zürcher Staatsschreiber verfasste z.B. Gottfried Keller 1863-72 solche Mandate. Die politischen Behörden haben sich aber aus der Verantwortung für Bettagsaufrufe zurückgezogen und diese den Kirchen überlassen, im Kanton Zürich bereits 1872. Eine Ausnahme bildet der Kanton Aargau. Hier haben sich Landeskirche und Regierung darauf verständigt, je alternierend den Bettagsaufruf zu erlassen. Heute wird der Bettag als ökumenischer Festtag begangen. Er ist der Tag der Solidarität, der Tag der Geschwisterlichkeit. Er zeigt, dass wir Menschen zusammengehören, dass wir als «Kinder Gottes» nicht nur untereinander, sondern mit der ganzen Schöpfung Gottes verbunden sind, dass wir füreinander und für die Schöpfung Verantwortung tragen.
Datum: 05.09.2003
Quelle: ref.ch