In dieser “frauenfreundlichen” Bibel soll es keine “diskriminierenden” Aussagen geben. Am 6. Mai ist in Frankfurt am Main der Beirat zur Förderung und Begleitung des Projektes “Bibel in gerechter Sprache” zu seiner konstituierenden Sitzung zusammengetreten. Den Vorsitz führt der hessen-nassauische Kirchenpräsident Peter Steinacker. Gestartet wurde das Projekt bereits am letzten Reformationstag von der Evangelischen Akademie Arnoldshain und der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Bei idea mehren sich die Anfragen, auf was man sich bald noch kirchlich verlassen könne, wenn schon das “Heiligste”, die Bibel, umgeschrieben werde. Aus diesem Anlass eine Vorstellung der bisherigen Bibelübersetzungen. Nicht alle Übersetzungen haben exakt dieselbe Zielsetzung. Liegt der Schwerpunkt auf der optimalen Vermittlung des Originalinhalts – also für heutige Leser möglichst verständlich –, dann spricht man von einer “kommunikativen” Übersetzung. Für andere Übersetzungen steht dagegen die Bewahrung der Originalform im Vordergrund (dies nennt man in der Fachsprache “formorientiert”). Einige Übersetzungen streben auch eine unterschiedlich geartete Mischung beider Ziele an. Die Luther-Übersetzung ist stark verbreitet und beliebt. Sie beruht auf solider Schriftauslegung. Obwohl sich Luther vehement für den heute als “kommunikativ” bekannten Übersetzungstyp stark gemacht hatte, ist die Übersetzung doch eher an der Bewahrung der Originalform orientiert. Der Sprachstil kann als herkömmlich, gehoben eingestuft werden. Ein Problem ist meines Erachtens die Sprache. Sie ist für moderne Leser zum Teil äusserst schwer verständlich. Eindeutig an der Bewahrung der Originalform orientiert ist die angesehene, aber weniger verbreitete Zürcher Übersetzung. Sie ist aus der Zürcher Reformation unter Huldrych Zwingli hervorgegangen. Zur Zeit wird sie völlig neu bearbeitet. Bei der Bearbeitung von 1931 wurde der hebräische Text des Alten Testamentes meines Erachtens zu häufig verändert (weil als schwierig eingestuft), was die Originaltreue einschränkt. Der Sprachstil ist ebenfalls herkömmlich, gehoben. Ein besonderer Vorzug dieser Übersetzung ist, dass sie einer philologisch-theologisch besonders gründlichen Tradition entspringt. Allerdings ist sie schwer verständlich. In der Elberfelder Übersetzung ist man mit dem hebräischen Text wesentlich zurückhaltender umgegangen als in der “Zürcher”. Sie ist im letzten Jahrhundert innerhalb der freikirchlichen Brüderbewegung entstanden. In ihrem traditionellen Sprachstil zwar eher kunstlos, wird sie aber zu Recht zu den philologisch-theologisch zuverlässigsten Übersetzungen gezählt. Die Orientierung an der Originalform schränkt auch hier die Verständlichkeit und den Textfluss ein. Wer den Originalsinn der Heiligen Schrift wirklich verstehen will, sollte auch zu verständlicheren Übersetzungen greifen. Um die vorige Jahrhundertwende hat Pfarrer Franz Eugen Schlachter eine hochwertige (auch philologisch-theologisch weitgehend zuverlässige) Bibelübersetzung geschaffen, die seit der Nachkriegszeit von der Genfer Bibelgesellschaft herausgegeben wird (1951 geringfügig überarbeitet). In mancher Hinsicht lässt sie sich mit der Luther-Bibel vergleichen. Sie zielt etwas mehr auf die Originalform ab, ist trotzdem aber besser verständlich. Wegen des Sprachwandels seit der vorigen Jahrhundertwende findet sich darin allerdings immer wieder stilistisch Veraltetes. Sie wird daher gegenwärtig sprachlich aktualisiert. Seit zwei Jahren liegt bereits die überarbeitete Fassung des Neuen Testaments vor. Hermann Menge zählte zu den führenden Spezialisten der griechischen und lateinischen Sprache in seiner Zeit (1841-1939). Seine Publikationen gelten nach wie vor als Standardwerke. Die Menge-Übersetzung (herausgegeben von der Deutschen Bibelgesellschaft) erschien zunächst 1926, dann 1949 als zweite Ausgabe. Diese ist – mehr als zehn Jahre zuvor – noch von Menge selbst bearbeitet worden. Dabei kam er zum lebendigen Glauben an Christus. Seine Übersetzung ist ein Monumentalwerk, in dem er inhaltliche Originaltreue und Verständlichkeit philologisch kompetent verbindet. Die Menge-Übersetzung berücksichtigt die grundsprachlichen Details und ist doch weit “kommunikativer” als alle bisher genannten. Der von der vorigen Jahrhundertwende geprägte (gehobene) Sprachstil ist jedoch in verschiedener Hinsicht veraltet und wird heute als umständlich empfunden. Abgesehen von diesen Stilaspekten verdient Menge nach meinem Dafürhalten die beste Note. Ein besonderer Vorzug ist sein sorgfältig durchdachtes Überschriftensystem, eine hervorragende Hilfe beim Bibelstudium. Ludwig Albrechts Übersetzung des Neuen Testaments (Brunnen-Verlag) zeichnet sich durch hervorragende Verständlichkeit, einen ziemlich aktuellen (gehobenen) Stil und einen bibeltreuen Ansatz aus. Sie wird seit 1920 immer wieder aufgelegt und enthält kompetente Einführungen zu den einzelnen Büchern, aber auch teilweise eigenwillige Anmerkungen. Die 1963 von Pfarrer Bruns vollendete Bibelübersetzung war die kommunikative Alternative zur Luther-Bibel der sechziger Jahre (Brunnen). Dank ihres aktuellen, eher schlichten, aber gut verständlichen Stils fand durch sie mancher (auch ich persönlich) den Zugang zu Gottes Wort. Abgesehen von einzelnen Stellen, die aus exegetischen Gründen zu verbessern wären, ist die Bruns-Bibel durchweg zuverlässig und theologisch unbedenklich. Sie enthält durchaus hilfreiche Einleitungen und Anmerkungen, die jedoch an verschiedenen Stellen fachlich bzw. theologisch Fragwürdiges enthalten. Seit den sechziger Jahren bemühten sich viele, für die grösseren Sprachgemeinschaften der Welt neue Bibelübersetzungen zu schaffen. Sie sollten vor allem wirklich verständlich sein. Eine der ersten Übersetzungen dieser Art war die englischsprachige Today’s English Version oder Good News Bible. Sie ist von solch einer überzeugenden Qualität, dass sie heute international weithin als Musterübersetzung gilt. 1982 wurde deren deutschsprachige Entsprechung veröffentlicht – die “Bibel in heutigem Deutsch: Die Gute Nachricht des Alten und Neuen Testaments” (“GN”). 1997 erschien sie, gründlich revidiert, als Gute Nachricht-Bibel (“GNB”). Zweifellos ist sie nicht nur die führende, sondern auch eine rundum solide und in allen Teilen professionell erarbeitete kommunikative Bibelübersetzung. Sie zeichnet sich durch einen aktuellen und (besonders die GNB) gediegenen Sprachstil aus. In Sachen Verständlichkeit nimmt sie eindeutig die Spitzenreiterrolle ein. Hervorragende Anmerkungen informieren über Deutungsalternativen, den genauen Wortlaut, Textvarianten u.ä. Sie wird öfter als theologisch bedenklich verurteilt, meines Erachtens weitestgehend zu Unrecht. Richtig ist allerdings, dass sich darin vereinzelt (!) aus evangelikaler Sicht theologisch fragwürdige Deutungen, Anmerkungen und Sacherklärungen finden (dies gilt jedoch auch für die meisten bisher genannten Übersetzungen!); sie sollte daher stets zusammen mit einer oder mehreren Bibelausgaben bzw. anderen Hilfsmitteln unseres Vertrauens gelesen werden. Richtig ist auch, dass in der 1982er Ausgabe etwa die biblisch-theologischen Begriffssysteme (“Gerechtigkeit”, “Glauben” u.ä.) dermassen inkonsequent übersetzt wurden, dass sie nicht wiederzuerkennen waren. Auch wurde der Einheit der Schrift zum Beispiel beim Umgang mit alttestamentlichen Zitaten im Neuen Testament zu wenig Rechnung getragen. Doch gerade diese Mängel – wie auch die unnötig freie Wiedergabe mancher Stellen – wurden in der GNB weitgehend korrigiert. 1980 erschien die qualitativ beeindruckende römisch-katholische Einheitsübersetzung. In herkömmlich gehobenem, gut verständlichem Sprachstil geht sie einen Mittelweg zwischen Bewahrung der Originalform und Verständlichkeit. Sie stützt sich offensichtlich auf solide exegetische Arbeit. Leider vermitteln Einleitungen und Anmerkungen nicht nur den römisch-katholischen Standpunkt, sondern sind auch überraschend extrem bibelkritisch. Wer die Einheitsübersetzung benutzen will, sollte daher besser die Beigaben ausser acht lassen. Für Evangelische problematisch ist natürlich auch die Vermischung von kanonischen (zur Bibel gehörenden) und apokryphen (nach evangelischer Überzeugung nicht zur Bibel gehörenden) Büchern im Alten Testament. Seit mehr als einem Jahrzehnt liegt eine Übersetzung des Neuen Testaments vor, die aus dem evangelikalen Lager (Brunnen-Verlag) kommt: “Hoffnung für alle”. Sie formuliert sprachlich zeitgemäss und gut verständlich, wenn auch stilistisch eher schlicht. Sie übersetzte im allgemeinen freier als die Gute Nachricht-Bibel, nach meinem Dafürhalten unnötig frei, allerdings nicht in irreführender Weise. Theologisch ist sie unbedenklich. 1996 ist die Gesamtbibel “Hoffnung für alle” erschienen. Zwar kommt diese Ausgabe in Sachen Professionalität nicht an die “Gute Nachricht-Bibel” heran (Anmerkungen und Beigaben, Umsetzen der Übersetzungsprinzipien, Stilbruch zwischen Altem [das weit mehr an der Originalform orientiert ist] und Neuem Testament). Dennoch ist sie exegetisch verantwortungsbewusst erarbeitet und theologisch zuverlässig. Als besonders gut lesbare Übersetzung – die am besten neben anderen benutzt wird – kann ich sie sehr empfehlen. Die Neue Genfer Übersetzung (seit zwei Jahren sind etwa 80 Prozent des Neuen Testaments bei der Genfer Bibelgesellschaft als Teilausgabe erhältlich) verdient meines Erachtens die Bestnote. Sie besticht durch eine Qualität, die den Vergleich mit der Guten Nachricht-Bibel nicht zu scheuen braucht. Sie verbindet nicht nur in vorbildlicher Weise Originaltreue – das Ganze stützt sich auf eine exegetisch-theologisch äusserst sorgfältig erarbeitete Grundlage (was sich u.a. in hochwertigen Anmerkungen und anderen Beigaben niederschlägt) – mit aktueller, stilistisch einwandfreier verständlicher Sprache. Sie ist auch konsequent bibeltreu. Einen grossen Minuspunkt bekommt sie nur deshalb, weil noch einzelne Teile des Neuen Testaments sowie das ganze Alte Testament (schon länger in Arbeit) fehlen. Da keine der genannten Übersetzungen alle Bedürfnisse abzudecken vermag, verwendet man am besten mehrere nebeneinander. Für die kontinuierliche, tägliche Lektüre eignen sich besonders die Neue Genfer Übersetzung (soweit vorhanden), die Gute Nachricht-Bibel (1997), “Hoffnung für alle” oder die Bruns-Bibel. Als Ergänzung für eine Beschäftigung mit kleineren Textstücken würde ich zur Elberfelder Bibel (1992), zu Luther 1984, Menge, Schlachter oder zur Zürcher-Bibel greifen. Wer die Bibel intensiv studieren will, der sollte unbedingt mehrere dieser seriösen (kommunikativen und auf Bewahrung der Originalform zielenden) nebeneinander benutzen. Dadurch kann er auch ohne Zugang zum hebräischen, aramäischen und griechischen Grundtext zu dem tatsächlich gesicherten Originalsinn der Bibel vorstossen. Kein Bibelleser braucht sich durch die Vielfalt des hier besprochenen, vorhandenen Bibelübersetzungsangebots verunsichern zu lassen. Die gängigen (seriösen) Bibelübersetzungen ergänzen sich auf sinnvolle Weise. Am wichtigsten ist es jedoch, dass man regelmässig zur Bibel greift und Gottes Wort liest und beherzigt.Luther
Zürcher
Elberfelder
Schlachter
Menge
Albrecht
Bruns
Gute Nachricht-Bibel
Einheitsübersetzung
Hoffnung für alle
Neue Genfer
Für die tägliche Lektüre
Fazit:
Datum: 27.05.2002
Quelle: idea Deutschland