Russland: Kontroverse um Evolutionstheorie

Maria Schreiber mit ihrem Vater.
Wsewolod Tschaplin

Die Frage nach dem Ursprung des Lebens beschäftigt derzeit russische Gerichte. In einer ersten Verhandlungsrunde scheiterte die 16-jährige Petersburger Schülerin Maria Schreiber mit ihrem Ansinnen, die von Charles Darwin entwickelte Evolutionstheorie aus den russischen Biologiebüchern zu verbannen.

Die Darwin-Gegner geben jedoch nicht auf. «Ich schätze unsere Chancen in der Berufung auf 50:50», sagt der Vater der Klägerin, Kyrill Schreiber. Die Abstammungslehre Darwins sei genauso wenig bewiesen wie alle anderen Theorien, argumentiert die Klägerin. Daher verstosse es gegen ihr Recht auf Gewissens- und Religionsfreiheit, wenn diese Theorie als «einzig wissenschaftliche» im Unterricht abgefragt, die biblische Schöpfungsgeschichte hingegen als unwissenschaftlich abqualifiziert werde.

In einem ersten Verfahren wies das Gericht die Klage der bekennenden orthodoxen Christin ab. Vor dem Gerichtsgebäude demonstrierten Darwin-Anhänger mit eher unsachlichen Slogans wie «Die Erde ist eine Scheibe» und «Alle Bio-Lehrerinnen sind Hexen».

Moderne Biologie im Wandel

Doch die Schreibers liessen sich nicht entmutigen und gingen in Berufung. Immerhin weiss die Familie eine grosse Unterstützerfront hinter sich. «Die Theorie Darwins liegt bereits hinter der modernen Biologie. Inzwischen bestreiten Wissenschaftler ihr wichtigstes Postulat, dass eine Art in eine andere übergehen kann. Mutation und Selektion sind offensichtlich nicht ausreichend für die Entstehung neuer Arten. Jedenfalls gibt es dafür keine Beweise», sagt Wsewolod Tschaplin, Sprecher der russisch-orthodoxen Kirche.

Priester Michail Dudko vom Kirchlichen Aussenamt des Moskauer Patriarchats nennt die Lehre Darwins lediglich eine «Hypothese», die in Widerspruch zur christlichen Weltsicht stehe: «Natürlich darf die Evolutionstheorie unterrichtet werden, aber nicht als einzige und alternativlose wissenschaftliche Darstellung der Weltentstehung.»

Ansichten nicht anderen aufzwingen

Selbst Patriarch Alexij II. schaltete sich in die Kontroverse über die Evolutionslehre ein und erklärte: «Wenn jemand glauben möchte, dass er vom Affen abstammt, so mag er das glauben, aber dann soll er diese Ansichten nicht anderen aufzwingen.» Offiziell mischte sich die Kirche zwar nicht in den Prozess ein. Familie Schreiber zeigte sich dennoch zufrieden mit dem kirchlichen Beistand, beobachteten doch mehrere Geistliche die Verhandlungen.

Die orthodoxe Kirche ist keineswegs die einzige Institution in Russland, die Darwins Lehre in Zweifel zieht. Auch Muslime und Juden stehen ihr reserviert gegenüber. Der Petersburger Rabbiner Zwi Pinski erklärte, dass die Evolutionstheorie mit der Tora, der hebräischen Bibel, nicht vereinbar sei. Daher sollte Darwin im Unterricht nur als eine Alternative, nicht als «absolute Wahrheit» präsentiert werden.

Mehrheit denkt anders

Doch die Mehrheit der Russen ist nicht dafür, die Biologie-Schulbücher neu zu fassen. 65 Prozent der vom Meinungsinstitut WZIOM Befragten sprachen sich gegen eine Neuausrichtung des Biologieunterrichts aus - im Unterschied zu den USA, wo christliche Fundamentalisten an Einfluss gewinnen und auf die Verankerung der Schöpfungsgeschichte im Biologieunterricht drängen.

Datum: 10.03.2007
Quelle: Epd

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