Geldgeschäft und Nächstenliebe

In der derzeitigen Wirtschaftskrise, die für dieses Jahr noch eine Rekordzahl von Firmeninsolvenzen erwarten lässt, schiebt die Öffentlichkeit den Banken schnell den Schwarzen Peter für eine Unternehmenspleite zu. Ihnen wird immer wieder vorgeworfen, durch das Zurückhalten von Krediten Arbeitsplätze zu vernichten. Unangemessen findet das Camill Freiherr von Dungern, persönlich haftender Gesellschafter des Bankhauses C.L. Seeliger in Wolfenbüttel. Der 57jährige ist engagierter evangelischer Christ, der seinen Beruf nicht zuletzt aus Nächstenliebe ergriffen hat: Um Menschen bei ihren finanziellen Entscheidungen zu helfen und sie vor Fehlern zu bewahren. Zu den schwierigsten Entscheidungen in seinem Beruf gehöre es, Kredite an angeschlagene Firmen zu geben. Sagt er nein, riskiert er im dortigen Unternehmen Arbeitsplätze und damit den Broterwerb vieler Menschen. Sagt er ja, kann dabei das Geld seiner Bank (also letztlich der Sparer und Anleger) verloren gehen.

Kredite verweigert

Von Dungern stammt aus einem christlichen Elternhaus, lernte bei den Pfadfindern und im Konfirmandenunterricht weitere überzeugende Christen kennen und erhielt während einer Tagung der missionarischen Initiative “Marburger Kreis” den letzten Anstoss, selbst ein entschiedenes Leben als Christ zu führen. Der Berufsweg brachte ihn zu verschiedenen Banken zwischen Göttingen und Hamburg. Seit 2000 sitzt er in der Leitung der Wolfenbütteler Privatbank mit 50 Mitarbeitern. Vernünftige Beratung hält er für die wichtigste Leistung eines Bankers. “Ich habe früher, als ich noch Filialleiter war, Jungvermählten Kredite für die Wohnungseinrichtung verweigert, weil sie sich dadurch in finanzielle Schwierigkeiten gebracht hätten. Ich habe denen gesagt: Spart erst mal und behelft Euch so lange mit gebrauchten Möbeln.”

“Reichtum ist nichts Schlechtes”

Ein Berufsleben, das sich der Geldvermehrung widmet, hat in christlichen Kreisen nicht den allerbesten Ruf. Wird Reichtum nicht gerade von Jesus Christus verdammt? Camill Freiherr von Dungern verneint. “Reichtum an sich ist nichts Schlechtes”, findet er. Die entscheidende Frage sei, was man mit seinem Geld mache. Abraham beispielsweise sei “wahnsinnig reich” und doch ein Mann Gottes gewesen.

Geistlich hat der Finanzexperte, der verheiratet und Vater von sechs Kindern ist, eine weite Reise hinter sich. Christliche Gemeinschaft pflegte er die meiste Zeit in einer “Mannschaft” des Marburger Kreises, einer Art seelsorgerlich ausgerichtetem Hauskreis. In den neunziger Jahren kam er mit der Charismatischen Bewegung in Kontakt, die ihn für die emotionale Seite der Beziehung zu Gott aufgeschlossen habe. Zusammen mit vier anderen Christen bildet er ein “Gebetshaus” – die Gruppe trifft sich mindestens zweimal pro Woche, um Gott anzubeten und ihn um einen geistlichen Aufbruch zu bitten. Das hält der Banker für noch wichtiger als die wirtschaftliche Erholung.

Datum: 23.04.2002
Autor: Marcus Mockler
Quelle: idea Deutschland

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