Eine Mehrheit der EU-Bürger sieht den Weltfrieden am stärksten von Israel bedroht. 59 Prozent vertraten diese Ansicht in einer Umfrage der EU-Kommission. Auf Platz zwei nannten sie zu je 53 Prozent die USA, Iran und Nordkorea. Der EU-Ratspräsident, Italiens Aussenminister Franco Frattini, sagte, die Umfrage sende ein falsches Signal aus. Ein Kommissionssprecher betonte, die Umfrageergebnisse seien nicht massgeblich für die Politik. Die Meinungsforscher befragten telefonisch 7.500 Personen, je 500 Bürger in allen 15 EU-Staaten. Sie wurden zu 15 Ländern befragt, ob von ihnen eine Bedrohung für den Weltfrieden ausgehe. Nach den Palästinensern sei nicht gefragt worden, weil Palästina kein Staat sei, so der Sprecher. Die israelische Regierung reagierte wütend: Die Umfrage zeige erneut die anti-israelische Einstellung Europas, hiess es in einer Erklärung der israelischen Vertretung bei der EU. «Wir sind nicht nur traurig, wir sind entsetzt, aber nicht über die europäischen Bürger, sondern über die, die für die Bildung der öffentlichen Meinung verantwortlich sind», hiess es weiter. Die amtierende italienische EU-Ratspräsidentschaft erklärte, das Ergebnis reflektiere in keiner Weise die Position der EU zum Nahost-Konflikt. Die Umfrage sende ein verzerrtes Signal. Die Ergebnisse seien auf Grund einer irreführenden Fragestellung zu Stande gekommen. Auch der amtierende EU-Ratspräsident Silvio Berlusconi brachte nach Angaben seines Büros in einem Telefonat mit dem israelischen Ministerpräsidenten Ariel Sharon seine "Überraschung und Empörung" über die Ergebnisse zum Ausdruck. Mit Entsetzen hat das Simon-Wiesenthal-Zentrum in Los Angeles auf die Umfrage der EU-Kommisssion reagiert. Diese Vorstellung sei Ausdruck "rassistischer Fantasien", sagte der Gründer und Leiter des Simon-Wiesentahl-Zentrums , Rabbi Marvin Hier. Sie zeige, dass der "Antisemitismus in Europa tiefer verwurzelt" sei als zu jeder anderen Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Sollten sich die Ergebnisse bewahrheiten, müsse die EU vom Friedensprozess im Nahen Osten ausgeschlossen werden. Im Auftrag der EU-Kommission waren Anfang Oktober mehr als 7.500 Europäer zur Situation im Irak und den Auswirkungen auf den Weltfrieden befragt worden. Einen Teil der Ergebnisse hatte die Kommission bereits am vergangenen Montag veröffentlicht, doch erst die spanische Zeitung "El Pais" enthüllte am vergangenen Donnerstag die Antworten zu Israel, die die EU-Kommission bei der Präsentation der Ergebnisse des jüngsten "Eurobarometer" einfach weggelassen hatte. Angeblich wollte man die gleichzeitig in Madrid stattfindende, von den USA organisierte "Irak-Geberkonferenz" nicht durch die "unpassenden" Umfrageergebnisse stören. Die spanische Zeitung El Pais, die die Manipulation aufgedeckt hat, sprach von einem "Skandal". Die Brüsseler Tageszeitung La Libre Belgique sprach bereits von "europäischer Zensur". Ein EU-Sprecher hat inzwischen bestritten, dass die Entscheidung, die betreffenden Passagen bei der Vorstellung der Umfrageresultate wegzulassen, politisch motiviert war. Das Wiesenthal Center plädiert offenbar dafür, dass die Ergebnisse nicht bekannt gegeben werden sollen, und fordert dazu auf, direkt bei Romano Prodi, dem Präsidenten der EU-Kommission, gegen die Umfrage und ihr Ergebnis zu protestieren.Israel wütend
Politische Zensur?
Quellen: Livenet/NAI/ag/APA/dpa/ap/rt
Datum: 05.11.2003