Wollen wir eine säkulare Schule?

Schulkind
Schülerin

Die Streichung der Kantonsfinanzen für die Lektion „Bibelunterricht“ im Kanton Zürich hat der Diskussion über Religion in der Schule erneute Aktualität verliehen. Die Gemeinden müssen jetzt entscheiden, ob sie den Unterricht aus der eigenen Tasche finanzieren wollen oder nicht.

Eine zentrale Frage lautet dabei, ob die öffentliche Schule ein Gefäss für den Religionsunterricht zur Verfügung stellen soll. Eine zweite ist, ob sie dem christlichen Glauben ein Stück Wertschätzung verleihen will. Diese Wertschätzung kann sich im Religionsunterricht, aber auch im allgemeinen Unterricht zeigen. Wer zum Beispiel Martin Luther und die Reformation im Deutschunterricht des Gymnasiums zugunsten der Glaubenskriege weglässt, macht auch eine religiöse Aussage. Wer im Musikunterricht Adonia-Lieder oder Spirituals singt, auch. Vom juristischen Rahmen her, der Ausdruck der Wertentwicklung in der Gesellschaft ist, wird am Begriff der „konfessionellen Neutralität“ ein interessanter Wertewandel sichtbar: Früher verstand man darunter, dass weder die katholische noch die reformierte christliche Konfession ein grösseres Gewicht haben soll. Es war aber klar, dass man dem christlichen Glauben wertschätzend gegenüber stand und die Wurzeln des Christentums bejahte. Heute heisst „konfessionell neutral“ – juristisch interpretiert –, dass keine Religion, auch nicht die christliche, in der Schule bevorzugt wird. Eine Konsequenz daraus ist ein neues Modell des Religionsunterrichts, in dem „neutrale“ Religionskunde gelehrt wird. Dieses Modell ist im Kanton Zürich zurzeit auch im Gespräch. Kinder sollen sachlich über die Riten der verschiedenen Religionen informiert werden. Je nach Ausrichtung erleben sie auch verschiedene Feste der Religionen. Religiösen Formen werden dabei vergleichend und bewusst gleichwertig nebeneinander gestellt.


Bedenklicher Wandel

Dieser Wandel aber ist bedenklich. Was geschieht mit einem Kind, das mit den Antworten verschiedener Religionen konfrontiert wird, ohne selbst in einer Religion zu Hause zu sein? Es lernt vermutlich in der interreligiösen Auseinandersetzung vor allem, dass es keine Rolle spielt, ob und welche Religion man wählt, da ja alle gleich wahr (oder unwahr?) sind. Es wird entweder verwirrt sein oder dem Bereich Religion die Relevanz für sein tägliches Leben absprechen.

Wer mit einem Glauben vertraut gemacht werden soll, braucht Modelle, die attraktiv sind und sich nicht widersprechen. Falls ein Kind mit konkurrenzierenden Modellen und Glaubensinhalten konfrontiert wird, bevor es eine eigene Identität aufbauen konnte, wird die Bindungsfähigkeit, wie wir aus der Werterziehung wissen, massiv geschwächt. Dies wird bei gläubigen Eltern Besorgnis wecken. Darüber hinaus sollte sich aber jeder, dem religiöse Erziehung am Herz liegt, fragen, ob ein solches Konzept denn Sinn macht.

Sind religiöse Menschen gefährlich?

Wo liegen die wahren Motive einer solchen Bemühung? Geht es wirklich um Toleranz den Religionen gegenüber? Ist allenfalls die Zähmung der Religion ein Ziel? Sind religionslose Menschen aus dieser Perspektive denn weniger „gefährlich“ für die offene Gesellschaft?

Die Stossrichtung der Bildungsdirektion im Kanton Zürich lässt zumindest eine Strategie vermuten: Wenn der Bildungsrat im Jahr 2000 betont, dass die „religiöse Dimension zu einer ganzheitlichen Bildung“ gehöre, und er dann im Juli 2003 das Fach „Biblische Geschichte“ abschafft, versteht man das eigentlich nur unter einer Voraussetzung: Es ermöglicht der Bildungsdirektorin in einem Jahr, durchaus als Entgegenkommen und auf Druck der Öffentlichkeit hin, die Trumpfkarte eines allgemeinen (d.h. interreligiösen) Religionsunterrichts aus der Tasche zu ziehen, weil in einer pluralen Gesellschaft ein an christlichen Werten orientierter Bibelunterricht in der staatlichen Schule nicht mehr vertretbar sei. Dieser Unterricht, weil er „neutral“ sei, soll dann auch noch für alle obligatorisch sein. Dies ist in meinen Augen ein unbegreiflicher Eingriff in die erzieherischen Wertanliegen der Eltern, der Widerstand wecken sollte. Im Kanton Zürich ist in den letzten Wochen auch eine gewisse Dynamik entstanden, die vielleicht bewusst macht, dass wir auf christliche Werte nicht verzichten möchten.
Vielleicht wird dadurch das Angebot von Schulen in freier Trägerschaft gestärkt, die unserer Gesellschaft eine Bildung, die sich auf christliche Werte stützt, anbieten möchte. Ein Angebot, das in anderen Ländern Europas auch von kirchenfernen Eltern rege genutzt wird!

Bedauerlich wäre, wenn wir bloss über den Wandel in der Bildung jammern und zur Tagesordnung übergehen würden.

Datum: 22.09.2004
Autor: Daniel Kummer-Sidiropoulos
Quelle: Bausteine/VBG

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