Schamlos: Extasia ausgeladen

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Gerhard Fischer

Die Sex- und Pornomesse Extasia, die im November an zwei aufeinanderfolgenden Wochenenden in Morges am Genfersee und in Zürich stattfand, wird zurückgebunden: Nachdem Jekami-Live-Sex angekündigt worden war, wuchs die Empörung. Die ABB will den Pornoveranstalter nicht mehr in ihrer Oerliker Eventhalle. Die SBB werden die Messe nicht mehr bewerben.

Die SBB erachteten die Partnerschaft ihrer Tochtergesellschaft RailAway mit dieser Messe als einen Fehler und hätten sie gestoppt, sagte Bundespräsident Leuenberger am Montag im Nationalrat auf eine Frage der grünen Waadtländer Nationalrätin Catherine Menétrey-Savary. Diese hatte die beunruhigende "Tendenz von Jugendlichen, mit dem Handy pornografische Szenen zu filmen", ins Feld geführt und auch die breit gestreute Werbebroschüre der SBB zitiert. Darin wurde Besuchern versprochen, sie könnten "Live-Film-Drehs hautnah erleben" und sich mit ihren Handys und Digicams "selber als Fotograf und Kameramann betätigen". RailAway hatte Fahrt und Extasia-Eintritt mit 10 Prozent angeboten.

"Alles ohne Gummi"

In Zürich weht nach den Untaten von Schülern an einer Kollegin im Nordquartier Seebach ein anderer Wind als am Léman. In Morges hatte die Extasia ihr Porno-Angebot am 17.-19. November ohne Proteste auf die Bühne gebracht. In der folgenden Woche, unmittelbar vor der Eröffnung in Zürich-Oerlikon, wurde kritisiert, dass Besucher der Erotikmesse die Gelegenheit erhalten würden, beim Live-Porno-Dreh mitzutun. "Mitten im Messegewusel wird vor den Augen aller ein Pornofilm gedreht und wild rumgemacht", schrieb die Zürcher Pendlerzeitung 20 Minuten. "Und das alles ohne Gummi", wie Extasia-Pressesprecher Arnold Meyer sich brüstete. Interessenten müssten bloss einen aktuellen Aidstest vorweisen.

EVP-Politiker spricht Klartext

Die Sprecherin der Zürcher Aids-Hilfe, die erneut mit einem Infostand an der Messe vertreten war, gab sich der Zeitung gegenüber überrascht - und brüskiert, da ein AIDS-Restrisiko bleibe und auch Infektionsgefahr für andere Krankheiten bestehe. Der Zürcher Oberländer EVP-Kantonsrat Gerhard Fischer, der im Oktober gegen Bordellplakate am Flughafen Einspruch erhoben hatte, nahm kein Blatt vor den Mund. Er bezeichnete den Live-Dreh als "abscheulich" und kündigte einen EVP-Protest bei der ABB an.

Auf der Leinwand live

In der Folge wurde die Stadtpolizei aktiv. Dies genügte. Der Extasia-Organisator Arnold Meyer nahm den Live-Sex für Besucher "wegen des öffentlichen Drucks" aus dem Programm". Das Spiel der Pornodarsteller, sagte er der Zeitung, werde es "selbstverständlich trotzdem geben. Das haben wir schon in Morges schon so gemacht". Nein - auch die Show gabs nicht. Die Stadtpolizei verweigerte die Bewilligung. So fand der Live-Dreh in einem abgeschlossenen Raum statt, simultan auf die Leinwand der Hauptbühne übertragen.

ABB hat die Nase voll

Die Hallenvermieterin zog die Konsequenzen aus dem Skandal. "Live-Sex wollen wir in der Eventhalle nicht mehr dulden", sagte am Tag nach dem Extasia-Ende Lukas Inderfurth von der ABB Schweiz. Die Veranstalter hätten die definierten Richtlinien verletzt. Nach vier Jahren ist jetzt Schluss. EVP-Kantonsrat Gerhard Fischer dankte der ABB für ihren Entscheid. Die Partei hatte der ABB nahegelegt, die Richtlinien zu überdenken. Trotzig gab sich vorerst Arnold Meyer: Dann werde man eben in Zürich eine andere Halle suchen.

Kommentar

"Sodom und Gomorrah in Oerlikon": Die Pendlerzeitung "20 Minuten", das Blatt der Zürcher Partygänger, setzte am 23. November, einen Tag vor Eröffnung der Extasia, eine moralische Legende unter ihr Bild. Kann die Sodomisierung der Gesellschaft aufgehalten werden?
Die orientalischen Städte Sodom und Gomorrha gingen in biblischer Zeit wegen ihrer sexuellen Hemmungslosigkeit unter. Heute stellt sich die Frage: Schaffen wir es, der Unverschämtheit der Pornoproduzenten und -händler, die mit ihrem internationalen Business Millionen verdienen, Schranken zu setzen?

Hunderte Männer verfolgten in der Eventhalle mit Kameras, wie die eingeflogenen Girls die Hüllen fallen liessen. Die entsprechenden Bilder landen - wir können nicht mehr so tun, als wüssten wir es nicht - auch in Handys auf dem Pausenplatz.

Zehn Tage vor dem Christfest lässt eine Erotik-Kette ihre anzügliche Werbung (in der ganzen Deutschschweiz?) in die Briefkästen flattern. Als wäre der Hardcore-Porno das geeignete Geschenk unter dem Weihnachtsbaum. Wer protestiert?

Datum: 14.12.2006
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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