Verschiedene Perspektiven

Die Galerie der Gottesbilder

Die Bibel
Die Bibel bietet auf viele Fragen keine einfachen Antworten, sondern verschiedene Perspektiven, die sich ergänzen. Diese Mehrdimensionalität kann auf den ersten Blick verwirren, aber sie vertieft und bereichert den Glauben.

Die Bibel gibt uns nicht ein Gottesbild, sondern eine Vielfalt von Bildern, die sich teilweise aneinander reiben oder gar zu widersprechen scheinen. Aber nur gemeinsam zeigen sie in ihrer Vielfalt einigermassen zuverlässig, wer oder wie Gott ist. Die Gefahr: Wir dürfen Gott nicht auf einzelne dieser Bilder reduzieren. Und: Gott ist und bleibt immer grösser als alle unsere Vorstellungen von ihm, sonst wäre er nicht Gott. Wie stellst du dir Gott vor? Welche Vorstellungen kommen dir spontan in den Sinn, wenn du von Gott hörst? Und wichtiger noch: Was lösen diese Bilder bei dir aus? Freude? Vertrauen? Angst? Beklommenheit?

Ein zentrales Anliegen der Bibel ist es, uns Gott näherzubringen, uns etwas über ihn, sein Wesen und seine Absichten mitzuteilen. Dafür verwendet sie auch Bilder und Vergleiche: Vater, Mutter, Hirte, Richter, Fels, Burg, Quelle… Das ist einerseits hilfreich, andererseits aber auch gefährlich. Aus drei Gründen.

Erstens: Wir neigen dazu, einzelne Bilder herauszupicken und Gott darauf zu beschränken und festzulegen. Das ist fast immer falsch, zumindest unvollständig, denn jedes Bild umfasst nur einen Aspekt von Gott.

Zweitens: Einzelne dieser Bilder können aufgrund unserer persönlichen Lebensgeschichte negativ geprägt sein und so ein falsches Bild von Gott vermitteln. Wer einen zu strengen Vater hatte, wird Gott als Vater vielleicht kaum lieben können.

Und drittens: Gott ist grösser als unsere Vorstellungen von ihm, auch grösser als die biblischen Gottesbilder. Sie sind wertvoll und es handelt sich dabei um göttliche Offenbarung, aber dennoch sind es unvollständige und lückenhafte Vergleiche, um den ewigen, heiligen, unverfügbaren Gott zu beschreiben.

Gott kennen und Gott suchen

Christsein ist ein Mix aus «gefunden haben» und «auf der Suche bleiben». Es ist nicht so, dass wir über Gott gar nichts wissen oder er nur ein einziges grosses Rätsel ist. Gott offenbart sich auf vielfältige Art und Weise, insbesondere durch die Bibel. Aber bilden wir uns niemals ein, wir wüssten genau, wer und wie Gott ist. Er ist grösser – und immer auch anders – als wir ihn denken, uns vorstellen oder uns wünschen. Wenn wir Gott vollständig erfassen könnten, dann wäre er nicht Gott. Und wenn Gott genau so wäre, wie wir ihn gerne hätten, dann könnte er uns nicht verändern.

Wir dürfen Gott kennen und immer besser kennenlernen, aber wir dürfen und sollen auch ein Leben lang Gott suchen. Diese Spannung ist nicht frustrierend, sondern eben «spannend»! Es bewahrt uns vor Überheblichkeit oder frommer Besserwisserei und führt zu einer gesunden Demut. Einen Schlüsselvers in der Bibel finden wir im Brief des Paulus an die Korinther: «Jetzt sehen wir alles nur wie in einem Spiegel und wie in rätselhaften Bildern; dann aber werden wir Gott von Angesicht zu Angesicht sehen. Wenn ich jetzt etwas erkenne, erkenne ich immer nur einen Teil des Ganzen; dann aber werde ich alles so kennen, wie Gott mich jetzt schon kennt.» (1. Korinther 13,12)

Natürlich dürfen wir uns an einzelnen biblischen Gottesbildern orientieren, und zwar nicht nur auf der intellektuell-theologischen Ebene, sondern auch auf der Beziehungs-Ebene. Gott möchte ja mit uns in Beziehung sein. Er möchte, dass wir ihn kennenlernen und ihm vertrauen.

«Gott als der gute Hirte» – das ist ein Bild, das mich persönlich sehr anspricht und berührt, mein Vertrauen stärkt. Ich meditiere dieses Bild und lasse mich davon prägen, ein Leben lang. Glaube bedeutet, auf die Tragfähigkeit Gottes zu vertrauen. Wir setzen unser Vertrauen in Gott, auf ihn verlassen wir uns, als unsere Stütze, unser Fundament, unseren Ort der Sicherheit. Als unseren Felsen oder unsere Festung, um es mit zwei weiteren Gottes-Bildern aus der Bibel auszudrücken.

Zwei Gefahren

Die Bibel gibt uns bewusst verschiedene Bilder, die uns Gottes Wesen näherbringen und zeigen. Die einen gefallen uns besser als die anderen. Die einen prägen uns mehr, die anderen weniger. Eine Gefahr ist, dass wir einzelne Bilder herauspicken und Gott darauf beschränken und festlegen.

Zwei grosse Versuchungen der Verkürzung sind folgende: Auf der einen Seite fallen die vom Pferd, die sich vor allem die Bilder wählen, die sie mögen und die gut in ihr Weltbild passen. Und zur anderen Seite kippen diejenigen, denen vor allem ein strenger, strafender Gott vermittelt wurde und die vor allem mit dieser Vorstellung leben.

Ein Fazit aus religionspsychologischen Untersuchungen ist: Gefährliche, krankmachende oder sonst wie problematische Gottesbilder sind eigentlich immer die sehr einseitigen Gottesbilder, wenn also gewisse Aspekte von Gottes Wesen verzerrt, überbetont oder verabsolutiert werden. Nehmen wir das Beispiel von Gott als Richter: Nicht das Bild vom Richter ist das Problem, den braucht es. Aber verzerrt wird es, wenn Gott nur Richter ist – vor allem, wenn er der unerbittliche, gnadenlose Richter ist.

Vater und Mutter

Auch das prominente und zentrale Gottesbild des Vaters kann problematisch sein, je nach den persönlichen Erfahrungen mit dem eigenen Vater. Aber gerade hier liegt auch ein grosses heilsames Potenzial, wenn wir Gott als den vollkommenen, himmlischen, liebenden Vater erfahren und wie eine Mutter (Jesaja Kapitel 66, Vers 13), die uns liebt, tröstet und sich um uns kümmert. Dass Gott zugleich väterlich und mütterlich ist, folgt schon nur aus der Tatsache, dass Gott die menschlichen Kategorien von männlich und weiblich übersteigt und dass er den Menschen als Mann und als Frau zu seinem Ebenbild schuf (Genesis Kapitel 1, Vers 27).

Mit dem Bild von Gott als Vater oder Mutter lässt sich auch die Spannung auflösen, ob Gott nun der zornige, rächende, strafende oder aber der liebende, gnädige, barmherzige Gott sei. So reagieren Eltern im Normalfall auf zerstörerisches oder selbstzerstörerisches Verhalten des Kindes mit Zorn oder einer gewissen Strenge. Steht dies im Widerspruch zur Liebe? Nein, im Gegenteil, es ist die Kehrseite der Liebes-Medaille. Zorn tritt nämlich nur dort auf, wo uns etwas wichtig ist. Das Gegenteil von Liebe ist nicht Zorn, sondern Desinteresse oder Gleichgültigkeit. Insofern ist auch der «nur liebe Gott», der alles okay findet, ein sehr einseitiges und deshalb ebenfalls problematisches Gottesbild. Der britische Autor C.S. Lewis drückt das so aus: «Was uns wirklich passen könnte, das wäre ein Gott, der zu allem, was wir gerade gerne täten, sagen würde: ‚Was macht es schon, solange sie nur zufrieden sind!‘ (…) Wenn das Christentum sagt, dass Gott den Menschen liebe, so ist gemeint, dass Gott den Menschen liebe – nicht dass Er sich auf irgendeine ‚desinteressierte‘, unbeteiligte Weise mit unserm Wohlergehen befasse, sondern dass wir der Gegenstand Seiner Liebe sind. (Gott ist) nicht ein greisenhafter Wohlmeiner, der dir schläfrig wünscht, nach deiner eigenen Façon glücklich zu sein. Nein: Gott ist das verzehrende Feuer selbst, die Liebe, welche die Welten erschuf.»

Gott ist voller Liebe, Güte und Gnade, und dies steht nicht im Widerspruch zu Heiligkeit, Gerechtigkeit und Wahrheit. Der Autor Martin Schleske schreibt zu diesem Spannungsfeld: «Die Wahrheit schützt die Güte vor der Beliebigkeit; die Güte schützt die Wahrheit vor der Lieblosigkeit.» Wahrheit ohne Güte sei «scharf», Güte ohne Wahrheit sei «dumpf». Was wir also brauchen, ist ein gutes Miteinander von beidem. Das wäre ein reifer Lebensstil und ein weiser Umgang mit Beziehungen und Herausforderungen.

Wesenskern Liebe

Bei all den verschiedenen Gottesbildern und Eigenschaften Gottes dürfen wir sicher sein, dass Gott uns liebt und dass sein Wesenskern Liebe ist (Gott hat nicht nur Liebe, er ist Liebe, 1. Johannes Kapitel 4, Vers 16). Der britische Autor Adrian Plass beschreibt in seiner eindringlichen Art, dass Gott «Frieden mit seinen Kindern wollte, will und immer wollen wird. Und dass er, um diesen Frieden möglich zu machen, jedes kleinste geistliche Hintertürchen nutzen wird, mit der mächtigen, unergründlichen Leidenschaft eines Vaters, der mit einem prächtigen Gewand, einem Ring, einem Mastkalb und weit ausgebreiteten Armen auf jeden wartet, der genug von den Schweinen hat und nach Hause kommen will.» Er bezieht sich hier auf den Vater aus dem Gleichnis in Lukas Kapitel 15, Verse 11-32, mit dem uns Jesus das Wesen Gottes zeigen will.

Aber Jesus lehrt nicht nur über das Wesen Gottes, sondern er zeigt uns dieses auch ganz direkt, er verkörpert es wie nichts und niemand anderes, denn er ist ja der menschgewordene Gott (vgl. zum Beispiel Johannes Kapitel 12, Verse 44-45) und damit die ultimative Offenbarung Gottes. Deshalb sollten wir uns bei der Frage, wer und wie Gott ist, zuerst und am meisten an Jesus orientieren – und zwar nicht an einem Zerrbild oder Teilaspekt von ihm, sondern am ganzen Jesus.

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Zum Thema:
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Dossier: Bibel 
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Datum: 01.06.2025
Autor: Christoph Egeler
Quelle: Magazin Aufatmen 02/2025, SCM Bundes-Verlag

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