Wenn Männer ihren Platz einnehmen
«Heute ist mir das eher peinlich», sagt Gerd Nagel rückblickend. «In der akademischen Welt geht es vor allem darum, sich selber einen Namen zu machen.» Der 76-jährige Mediziner aus Uerikon im Kanton Zürich muss es wissen. Er hat selber eine akademische Karriere wie aus dem Bilderbuch hinter sich. Fast 600 Arbeiten zu Themen der Krebsmedizin hat er bis zu seiner Pensionierung veröffentlicht. Jeden Abend und jedes Wochenende habe er gearbeitet, erzählt er. «Das ist die Tragödie dieses Lebens.»
Auf der Erfolgsschiene
Nagel war gefangen in der Arbeit und leistete viel. Er definierte sich über seinen beruflichen Erfolg und die Anerkennung, die er erhielt. Sein Leistungsausweis war beachtlich, gewann er doch zahlreiche Auszeichnungen wie das deutsche Bundesverdienstkreuz. Er habe die Prioritäten falsch gesetzt, ist Nagel heute überzeugt. Seine Ehe scheiterte, es kam zur Scheidung. Als Nagel später zum Glauben an Jesus Christus fand, erkannte er, dass er bisher nur für seine eigenen Ziele gearbeitet und nicht nach Gottes Willen gefragt hatte. «Alle akademischen Auszeichnungen bedeuten mir heute nichts mehr», sagt Nagel.
Eine zentrale Frage
Der Mediziner gründete die «Stiftung Patientenkompetenz» und berät Patienten, wie sie selbst etwas zu ihrer Gesundung beitragen können. Er gehört zum Team der Männerbewegung «Free at Heart» und lehrt an Männercamps. «In der Medizin und in der Männerarbeit geht es um das gleiche Thema: um die Identität.» Viele Männer definierten sich über ihre Karriere, ihre Erfolge, über die Anzahl Doktortitel. Nagel meint: «Viele Männer machen sich Gedanken darüber, wer sie sind und wo ihr Platz auf dieser Welt ist.»
Aus der Krise geboren
Die Männerbewegung «Free at Heart» hat genau genommen mit einem kaputten Fuss begonnen. Nagels Sohn Adrian ist Physiotherapeut und behandelte im Jahre 2005 einen Patienten, der in einer Lebenskrise steckte. So empfahl ihm Adrian das Buch «Der ungezähmte Mann» von John Eldredge. Sein Patient, Ruedi Germann, war begeistert davon und besuchte im Herbst 2006 ein Männercamp von Eldredge in den USA. Dort erhielt er von Gott den Auftrag, solche Camps in der Schweiz durchzuführen. Durch seinen Sohn stiess so auch Gerd Nagel zum Gründungsteam der Männerbewegung «Free at Heart».
«Das Thema Identität beschäftigt mich stark», sagt Nagel. «Wenn ich Männer frage, wer sie sind, höre ich Antworten wie 'Ich bin Bauer, habe zehn Kühe und 20 Rinder, eine Frau und drei Kinder und ein grosses Bauernhaus'.» Dies sei jedoch nicht die Antwort auf die Frage «Wer bin ich?», sondern auf die Frage «Was habe ich erreicht?». Um in unsere Identität hineinzuwachsen, müssten wir den Plan Gottes für unser Leben kennenlernen.
Wenn Männer eins werden
Und genau darum gehe es bei «Free at Heart», dass Männer ihre Identität finden und den ihnen von Gott zugedachten Platz in der Familie und im Beruf einnehmen. Als Team von drei oder vier Gleichgesinnten würden Männer gemeinsam entdecken, wer sie sind. «Fast alle Männer haben Probleme mit ihrem Selbstbewusstsein», weiss Nagel. «Das Camp schweisst Männer zusammen. Als 'verschworene' Gemeinschaft helfen sie sich gegenseitig, ihren Platz als Mann einzunehmen.» Besonders auf dem Herzen liegen dem Team Männer-Kleingruppen, wo sich Männer regelmässig auf freundschaftlicher Basis treffen. Nagel wünscht sich, dass christliche Gemeinden Männer ins Camp aussenden und so für ihren Auftrag freisetzen.
«Free at Heart»
Die Männerbewegung «Free at Heart» wurde 2008 gegründet. Sie organisiert jährlich ein bis zwei Männercamps nach dem Vorbild von Ransomed Heart Ministries von John Eldredge. Gerd Nagel gehört seit 2010 nicht mehr zum Kernteam, wirkt aber weiterhin in den Camps mit.
Diesen Artikel wurde uns freundlicherweise von «ideaSpektrum Schweiz» zur Verfügung gestellt.
Datum: 04.06.2012
Autor: Christian Bachmann
Quelle: ideaSpektrum Schweiz