(Zu) viel Ekel auf RTL

Warum gucken Millionen das Dschungelcamp?

Stellen Sie sich vor, prominente Persönlichkeiten knabbern live im Fernsehen an Kakerlaken, essen Madenkuchen und Känguruhoden. Was wie ein übler Witz tönt, läuft gerade auf RTL.
Die Moderatoren Sonja Zietlow (l.) und Daniel Hartwich spotten gerne.

Alle Jahre wieder kämpfen sogenannte C-Promis im australischen Dschungel um ihren Bekanntheitsgrad. Auf RTL läuft die siebte Staffel von «Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!». Zwei Wochen lang leben die Teilnehmer mitten im australischen Dschungel, unter ständiger Beobachtung durch Fernsehkameras. Ziel der Kandidaten ist es, die Gunst der Zuschauer zu gewinnen, so lange wie möglich im Camp zu bleiben, als Sieger zum «Dschungelkönig» gewählt zu werden und 50'000 Euro zu kassieren. Tag für Tag belustigen sich sieben Millionen TV-Zuschauer daran, dass die Promis Regenwürmer, Riesenmaden und Königsgrillen schlucken.

Neben den Ekel-Prüfungen sorgen vor allem die Gespräche unter den Teilnehmern für Schlagzeilen. So liess zum Beispiel Patrick Nuo ganz persönlich in sein Leben blicken. Der Schweizer Sänger – der im Jahr 2006 sagte, er gebe Jesus in seinem Leben die höchste Priorität – ist ebenfalls im Dschungel am Start. Und wie: Nuo teilte vor laufenden Kameras mit, dass er fast sein ganzes Leben lang pornographiesüchtig gewesen sei und «täglich fünf bis sechs Sexfilme» konsumierte. Mit solch einem ehrlichen Geständnis eines Popstars rechnete keiner, Hohn und Spott prasseln derzeit auf ihn ein.

Öffentliches Leiden ist grenzwertig

Die Reality-Show ruft Jürgen Brautmeier, Direktor der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM), auf den Plan. Er hält die öffentliche Präsentation von ernsten Leiden für problematisch. Vor allem die Zurschaustellung der Kandidatin Fiona Erdmann sei grenzwertig, sagte Brautmeier der «Rheinischen Post». Das 24-jährige Model hat sich in den vergangenen Tagen mehrfach nach dem Essen übergeben. «Für junge Menschen, die an Bulimie leiden, ist das eine Zumutung!», so der Direktor der Landesmedienanstalt.

Warum sich Menschen das anschauen

Der überwältigende Erfolg dieser Ekel-Sendung lässt sich erklären. Die Hamburger Medienwissenschaftlerin Joan Kristin Bleicher meint: «Während in den Casting-Shows gleichbleibende Inszenierungsmuster der Kandidaten die Zuschauer langweilen, kann er im Dschungelcamp tagelang beobachten, wie Inszenierungsstrategien angesichts der Herausforderungen scheitern.» Zudem würden sich viele Zuschauer an den fiesen Kommentaren und Demütigungen der Moderatoren erfreuen.

Kommentar

Authentisch sind die Kandidaten, wenn sie verängstigt in Badehosen durch wütende Ameisenvölker waten müssen oder Dutzende Spinnen über ihre Körper krabbeln. Ehrlich war auch Patrick Nuo, als er von seiner Sucht erzählte. Diese Ehrlichkeit zieht das TV-Publikum an, was ja grundsätzlich erfreut.

Trotzdem müsste die Grenze doch da erreicht sein, wo Menschen leiden. Klar, die Teilnehmer können jederzeit aussteigen und nach Hause fliegen. Allerdings darf man nicht vergessen, dass alle anwesenden C-Promis gerade in akuten finanziellen oder zwischenmenschlichen Problemen stecken und das Ekel-Camp als «letzte Chance» betrachten, zurück in die Öffentlichkeit zu finden. Dafür lassen sie sich am Fernsehen verspotten. Wie verzweifelt muss eine Person sein, die so was macht? In meinen Augen zeigt sich RTL mit dieser Sendung von einer menschenunwürdigen Seite.

Datum: 17.01.2013
Autor: Tobias Müller
Quelle: Livenet / epd

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