Das Abendmahl verstehen

«Woher kommt deine geistliche Energie?»

Für Protestanten geschieht im Abendmahl nicht das, was sich für Katholiken in der Eucharistie ereignet. Wie Christus gegenwärtig ist und sich in seinen Gaben schenkt, darüber sind die Christen uneins. SEK-Ratspräsident Gottfried Locher hat an einer ökumenischen Veranstaltung den Stier bei den Hörnern gepackt.
Kardinal Kurt Koch, Maria Voce, Moderation Beatrix Ledergerber und Gottfried Locher vom Kirchenbund an der Tagung in Bern (von links).

An der Tagung «Ökumene: wohin?» in Bern am 8. November bezeichnete Locher die Frage der Wandlung als Grundproblem der Ökumene zwischen Rom und den Protestanten. Hinter ihren vielen Stolpersteinen stehe die Frage: «Wie wandelst du? Woher kommt deine geistliche Energie? Ist sie die Wirkung des gesprochenen Wortes oder der gefeierten Eucharistie – oder von beidem?» 

Unüberwindbare Hürden…

50 Jahre nach dem Beginn des Zweiten Vatikanischen Konzils zog Gottfried Locher eine klägliche Bilanz der Ökumene – dies, obwohl die beiden Seiten heute ganz anders miteinander umgingen als in den 450 Jahre zuvor. Aktuell schienen Hürden in Theologie und Kirchenverständnis «kaum überwindbar». Gemeinsame Zielvorstellungen der Kirchenleitungen fehlten.

…und ihre Wurzel

Locher fokussierte auf die Präsenz Christi im Abendmahl. Die Kirchen der Reformation lehnen die 1215 zum Dogma erhobene Wandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi in der Messe (Transsubstantiation) ab. Die Wurzel des Problems liege nicht im Kirchen- oder Amtsverständnis, sondern im Verständnis der Wandlung, sagte der Berner Theologe. Es gebe einen fundamentalen Unterschied im Verständnis der Präsenz von Christus und der eucharistischen Gaben. 

Die Reformatoren hätten mit Gottes Gegenwart im verkündigten Wort gerechnet und davon Wandlung erwartet: «In uns und durch uns verwandelt es die Welt.» Mit der Verkündigung von Gottes Wort, so der SEK-Ratspräsident, hat auch die reformierte Tradition einen liturgischen Ort für Wandlung: «Sie vertraut darauf, dass darin die Kraft und Gegenwart Gottes erfahrbar sind».

Fröhlicher Abendmahl feiern

Er werde sich dafür einsetzen, «dass im reformierten Gottesdienst fröhlicher Abendmahl gefeiert wird», sagte Locher abschliessend. An Kardinal Koch, mit dem er befreundet ist, richtete er die Bitte, sich für die eucharistische Gastfreundschaft einzusetzen. Zudem lud er ihn ein, mit ihm ein «Büchlein» zum Thema Wandlung zu schreiben.

Liebe überwindet Grenzen

Organisiert wurde die Tagung vom Schweizer Zweig der Fokolar-Bewegung. Ihre Präsidentin Maria Voce referierte Beiträge der Gründerin Chiara Lubich zum Miteinander der Christen. Nur durch das Vertrauen auf Jesus Christus sei Einheit möglich, nur da, «wo die Wunden der einen die Wunden der anderen sein werden».

Römische Ansätze

Kardinal Kurt Koch, Leiter des päpstlichen Rats zur Förderung der Einheit der Christen, legte in seinem Vortrag dar, was die römischen Päpste seit den 1960er Jahren für die grosskirchliche Ökumene getan haben. Johannes Paul II habe an der «unwiderruflichen Entscheidung» des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) für die Ökumene festgehalten. Nach einem Jahrtausend der Kirchenspaltung habe der polnische Papst fürs neue Millennium die Aufgabe gesehen, «die verloren gegangene Einheit der Christen wiederherzustellen».

Kirchen ergänzen sich

Doch über das Ziel der ökumenischen Bewegung konnte gemäss dem Schweizer Kardinal in 50 Jahren keine Einigkeit erzielt werden; es sei «immer undeutlicher geworden». Besinnung tue not, «wohin die weitere ökumenische Reise gehen soll». In der Diskussion sagte Koch, es gebe keine Kirche, die so reich sei, dass sie nicht der Bereicherung durch andere bedürfe. Gleichzeitig gebe es auch keine Kirche, die so arm sei, dass sie nicht ebenso Schätze habe, die sie mit anderen Kirchen teilen könnte.

Datum: 09.11.2012
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet

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