Nach den Spannungen der letzten Tage infolge der Attentatswelle hat sich die Lage in der Geburtsstadt Jesu seit Wochenbeginn wieder einmal entspannt, die zuvor verwaisten Checkpoints sind erneut geöffnet. Aber nach den vielen Ausgangssperren und der ständigen Unsicherheit, angesichts wachsender Not und enttäuschten Friedenshoffnungen, verharren viele Menschen weiterhin in Resignation. Dabei gab es zuletzt positive Signale: Ab Ostern kamen wieder mehr Besucher und auch kleine Pilgergruppen nach Bethlehem. Händler und Touristenführer machten etwas Umsatz, in Restaurants und Cafes waren Tische besetzt. Mancher träumte bereits von der Rückkehr zu früheren Zuständen. Aber dann zündeten, zynisch kalkuliert, Selbstmordattentäter ihre Sprengsätze und rissen 13 Menschen in den Tod. "Bethlehem lebt vom Tourismus, und der ist um 95 Prozent eingebrochen. Die Arbeitslosigkeit in der Stadt liegt bei 65 Prozent.", betont Stadtdirektor Jamal Salman gegenüber CIC. Er "bedauert" die Gewaltakte, sieht aber keine Chance, sie zu stoppen, solange Israel nicht den Friedensplan umsetzt und sich aus den besetzten Gebieten zurückzieht. "Das gibt den Leuten Hoffnung auf eine friedliche Beilegung des Konflikts, und beide Seiten könnten anfangen, Brücken zum Frieden zu bauen. Sonst werden die Gewaltakte weitergehen, und die einzigen Gewinner sind die Radikalen beider Seiten." Einen wesentlichen Beitrag zur Hoffnung und zur Linderung der Not leisten die Kirchen, die in Bethlehem heute nicht mehr die Bevölkerungsmehrheit stellen. Die Hälfte der 1.200 katholischen Familien Bethlehems könne "nur überleben, weil sie von der Pfarrei unterstützt werden. Sie bekommen Essensmarken, die sie gegen Brot, Käse oder Fleisch eintauschen können. Wenige Schritte von der Geburtskirche entfernt präsentiert im neuen Peace-Center eine Foto-Austellung das jüngste Problem Bethlehems: Die Beton-Mauer, die Israel derzeit entlang der Grünen Linie zum Westjordanland zum Schutz seiner Bürger errichtet. Sie würde Bethlehem von Jerusalem abtrennen und mehrere Dutzend christlicher Familien isolieren. Gegen diese Mauer laufen die Bewohner Sturm, Kritik kommt auch aus dem Ausland, die Kirchenführer des Landes verfassten einen "SOS-Ruf" gegen die "Mauer, die Bethlehem isoliert". Ein Appell der Stadtverwaltung beim Höchsten Gericht Israels hat den Mauerbau bei Bethlehem erst einmal gestoppt. Aber israelische Stellen lassen keinen Zweifel, dass die Mauer gebaut wird. Selbstmordanschläge wie die der letzten Tagen hätten durch sie verhindert werden können, sagt man im Aussenministerium. Ob die Mauer gebaut wird oder nicht: Viele Bewohner Bethlehems fühlen sich immer mehr eingeengt. 1.500 Christen aus dem Grossraum Bethlehem seien seit Beginn der zweiten Intifada abgewandert. Zudem besteht in der Geburtsstadt Jesu Wohnungsnot, bei den Kämpfen im letzten Jahr seien 2.000 Wohnungen zerstört oder beschädigt wurden. Ob das Christentum in Bethlehem durch den Exodus langsam ausblutet oder sich stabilisieren kann, hängt wesentlich vom Tourismus ab. Wenn Pilger und Besucher kommen und die Menschen Arbeit haben, denken weniger ans Auswandern als unter permanentem Druck und in sozialer Not. Wenn es US-Präsident George W. Bush tatsächlich gelingt, die politischen Führer der Region in die Friedenspflicht zu nehmen, meint ein Kirchenführer, wäre das "so gut wie eine Garantie der christlichen Präsenz in der Geburtsstadt Jesu".Beide Seiten müssen einlenken
Protest gegen die Mauer, die Bethlehem isoliert
Datum: 28.05.2003
Quelle: Kipa