Vatikan will charismatische Bewegungen stärker kontrollieren
In dem Brief an die Bischöfe der Weltkirche fordert die vatikanische Glaubenskongregation von den Charismatikern Gehorsam gegenüber den Bischöfen und dem Papst ein. Sie müssten die «Autorität der Hirten der Kirche als wesentlichen Bestandteil des christlichen Lebens anerkennen» und dürften sich nicht «jenseits des Lehramts und der kirchlichen Gemeinschaft bewegen».
Ihre kirchliche Anerkennung kann laut dem Schreiben nur dann erfolgen, wenn die «aufrichtige Bereitschaft» bestehe, dem kirchlichen Lehramt und den seelsorgerischen Richtlinien der Kirche zu folgen.
Leitfaden für Bischöfe
Der 30-seitige Brief mit dem lateinischen Titel «Iuvenescit Ecclesia» (»Die Kirche verjüngt sich») ist eine Art Leitfaden für den Umgang von Bischöfen mit charismatischen Bewegungen. In der Vergangenheit war es wiederholt zu Konflikten zwischen Ortsbischöfen und Charismatikern gekommen. Das von Papst Franziskus gebilligte Schreiben enthält keine neuen kirchenrechtlichen Vorschriften.
Ziel des Dokuments sei ein «vertieftes Bewusstsein für die wesentlichen Elemente im Blick auf die hierarchischen und charismatischen Gaben», sagte Kardinal Gerhard Ludwig Müller bei der Vorstellung des Schreibens im vatikanischen Presseamt. Der Brief solle einer «sterilen Entgegensetzung oder Nebeneinanderstellung» von Hierarchie und Charisma entgegenwirken und eine «geordnete Gemeinschaft» fördern. Einen konkreten Anlass für das Schreiben nannte Müller nicht.
Die Glaubenskongregation betont zugleich die Unverzichtbarkeit charismatischer Bewegungen für das kirchliche Leben. Charismatische und hierarchische Gaben seien «gleichwesentlich», heisst es im Text.
Neue Gemeinschaften «wohlwollend begleiten»
Weiter fordert der Vatikan die Bischöfe dazu auf, charismatische Bewegungen sorgfältig zu prüfen, bevor sie eine kirchliche Anerkennung betreiben. Die Gläubigen hätten das Recht, «von den Bischöfen über die Echtheit der Charismen und die Zuverlässigkeit derer, die sich als ihre Träger präsentieren, in Kenntnis gesetzt zu werden», so das Schreiben. Eine neue Vereinigung brauche stets «eine gewisse Zeit der Erprobung und Konsolidierung, die über die Anfangsbegeisterung hinaus zu einer stabilen Gestalt führt». Auf diesem Weg müssten die Bischöfe die neue Vereinigung «wohlwollend begleiten».
Das von Kardinal Müller unterzeichnete Schreiben wendet sich zudem gegen eine spirituelle Abschottung von charismatischen Bewegungen. Diese müssten auch die «soziale Dimension» der Glaubensverkündigung ernstnehmen und für die Schaffung gerechter und geschwisterlicher Lebensbedingungen in der Gesellschaft eintreten. Leitfaden müsse hierbei die kirchliche Soziallehre sein.
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Datum: 18.06.2016
Quelle: kath.ch