dran: Fünfeinhalb Millionen Zuschauer seit Februar, wie hat „Good Bye, Lenin“ das erreicht? Was war deine Aufgabe bei der Produktion von „Good Bye, Lenin?“ Was hat sich durch dich am Film geändert? Du hast das Handwerk eines Drehbuchautors während der Arbeit für Fernsehserien wie „Alarm für Cobra 11“ erlernt. Würdest du heute noch für Fernsehserien schreiben? In „Good bye, Lenin“ wird gelogen, dass sich die Balken biegen, da ist ein uneheliches Kind ... Entschuldige, es sollte nicht abwertend klingen. Was ich fragen will: Man gibt durch die Filme etwas vor, das dann nachgelebt wird – hast du manchmal das Gefühl, eigentlich solltest du nur Gutes beschreiben? Wie würdest du deine Vision definieren? Wer ist Christoph Silber privat? Du gehst in eine englischsprachige Gemeinde der Adventisten in Berlin. Wo möchtest du in zehn Jahren sein? Hinweis: Am 14. November wird der Film Good Bye, Lenin in Zürich bei der Videonight 03 gezeigt werden mit anschliessender Diskussion und Referaten zum Thema Drehbuchschreiben. Dran erhalten Sie in der Schweiz als Miniabo 3x gratis, wenn Sie neu Livenet-Partner oder Junior-Member werden: http://www.livenet.ch/Support/geschenk.php Autoren: Titus Müller und Sandra Wieschollek
Christoph Silber: Ich hatte ein sicheres Gefühl, dass der Film es schaffen kann, auf über zwei Millionen Zuschauer zu kommen – was eine gigantische Prognose ist. Aber dass er jetzt auf die sechs Millionen zugeht, ist unvorstellbar. Es hat in Deutschland noch keinen ernsten Film mit solchem Erfolg gegeben. Die Filme, die sich bisher auf der Top-Ten-Liste der deutschen Produktionen wiederfanden, sind Geschichten wie „Otto“ oder „Werner“, blöde Komödien. Ich habe immer gedacht, dass Wolfgang Becker mal einen grossen Film machen sollte, weil er eben ein sehr kluger Regisseur ist und weil er in der Lage ist, Szenen zu inszenieren, die gleichzeitig komisch und traurig sind, Szenen, die sehr tief gehen. Als ich das Buch damals bekommen habe und mir gesagt wurde: Der Becker sucht einen Autor, der aus dem Osten ist, schick ihm deine Ideen, er wird sich mit dir treffen – da war ich sofort Feuer und Flamme, weil ich wusste, er kann das schaffen. Ich glaube, dass es wirklich viel mit dem Regisseur zu tun hat. Er schaut sehr tief und ist sehr genau. Vielleicht trifft der Film aber auch einfach den Nerv der Zeit. Die Generationen wollen miteinander Frieden schliessen.
Ich habe am Drehbuch gearbeitet. Es gibt die zwei offiziellen Autoren, das sind Bernd Lichtenberg und Wolfgang Becker, der Regisseur. Während der Produktion war immer klar, dass Bernd, der Erfinder der Geschichte, den Kredit erhält. Er hat drei Jahre lang daran gearbeitet. Aber die Förderanstalt hier in Berlin-Brandenburg war einfach nicht zufrieden mit dem Drehbuch. Die haben gesagt: Was habt ihr eigentlich in der ganzen Zeit gemacht mit unserem Geld? Sie waren der Meinung, dass es zu oberflächlich ist, dass da was fehlt. Dann kommen eben Leute wie ich, so genannte Rewriter. In diesem Fall ist man die Feuerwehr und versucht, das Drehbuch zu verbessern. Ich hab so was schon ein paar Mal gemacht, auch für Kinofilme und Fernsehfilme, aber in diesem Fall hat es mich im Herzen so berührt, dass ich nicht einfach nur drei Wochen da gesessen und versucht habe, das ein bisschen zu polieren, sondern mehrere Monate dran gearbeitet habe. Das war meine eigene Entscheidung, mich so einzubringen. Ich habe noch drei Fassungen geschrieben. Mein Vertrag hat das nicht vorgesehen, aber mein Herz hätte nichts anderes zugelassen.
Anders geworden ist die Rolle der Mutter. Sie war eine glühende Sozialistin, fast eine Karikatur, und ist eine nachvollziehbarere Frau geworden. Die Wendung, die ich eingeführt habe, ist, dass sie sich entschieden hat, im Osten zu bleiben. Sie hat nicht einfach den Vater verflucht, weil er sie verlassen hat. Der Vater wollte die Familie nachholen, aber sie hat sich nicht getraut. Das war meine Idee. Das zweite, woran ich sehr stark gearbeitet habe, war, dass Alex diese Geschichte nicht nur macht, um seiner Mutter etwas vorzuspielen, sondern dass er es auch macht, um für sich selber Frieden zu finden. Der Regisseur Wolfgang Becker und ich waren beide der Meinung, dass der Vater in dem Film auftreten müsste. Das war vorher nicht so. Ich habe dann die Szenen geschrieben, in denen der Vater da ist. Damit hat Alex eine grössere, persönlichere Mission bekommen.
Nein. Ich würde es nicht machen, auch wenn es mir oft angeboten würde. Seit mehreren Jahren schreibe ich nur noch Filmdrehbücher. Wenn ich doch eine Serie mache, dann entweder, weil ich die Chance bekomme, sie selber zu kreieren – zurzeit sind gerade ein paar Sachen im Gespräch. Die zweite Möglichkeit ist, dass es eine Serie ist, die völlig neu ist, völlig anders. Zum Beispiel werde ich bei einem Projekt mitarbeiten, das in gewisser Weise mit „Good Bye, Lenin“ zu tun hat. Der Arbeitstitel bei RTL ist „Die besten Jahre“. Es geht um eine Jugend in der DDR in den Achtzigerjahren. Ein junger Held erzählt seine Erlebnisse.
Ich bin selbst ein uneheliches Kind.
Nein. Als Autor hast du die Pflicht, die Welt so zu erzählen, wie sie ist. Wichtig ist, dass du versuchst, Menschen die Augen zu öffnen für andere Möglichkeiten. Natürlich habe ich gleichzeitig eine Vision, die mich in meinem Leben antreibt und mir Hoffnung gibt – selbst mein Name, Christoph, passt lustigerweise dazu, auch wenn meine Mutter keine Christin ist. Ich versuche zu erreichen, dass Menschen spüren, dass es andere Möglichkeiten gibt zu leben. Und ich glaube, dass sie diese Möglichkeiten finden, indem sie an manchen Stellen mal die Augen aufmachen.
Meine Vision ist eigentlich sehr biblisch. Die Welt wäre wesentlich besser, wenn die Menschen Glauben hätten. Und ich glaube, dass die Welt auch wesentlich besser wäre, wenn die Menschen, die Glauben haben, ihn stärker leben würden.
Das Wichtigste ist für mich meine Familie. Ich bin leidenschaftlicher Vater und glücklicher Ehemann, seit ich, Gott sei Dank, meine Frau kennen gelernt habe. Wir haben einen Sohn, zweieinhalb Jahre alt, und wohnen in einer sehr gemütlichen kleinen Wohnung am Prenzlauer Berg in Berlin und gucken auf einen grünen Hinterhof. Wir gehen gern spazieren und gehen gern ins Café und leben ein sehr sonniges, schönes Leben. Beide sind wir Stadtmenschen; meine Frau ist aus New York und ich komme aus Berlin. Und die Gemeinde spielt eine sehr grosse Rolle in meinem Leben.
Ja, dort kümmere ich mich um Gesprächsrunden zur Bibel im Gottesdienst, und ich organisiere sehr viel zusammen mit der Gemeindeleiterin. Ich predige. Ausserdem gebe ich manchmal Bibelstunden. Das alles mache ich sehr gerne.
Ich schreibe wahnsinnig gern und werde auch mein Leben lang sicherlich immer schreiben, da bin ich mir relativ sicher, weil es einfach das ist, was ich am besten kann. Ich fühle mich wohl, mich auf diese Weise zu äussern. Ich weiss aber auch, dass ich eines Tages wahrscheinlich hauptsächlich für Gott arbeiten werde. Ich habe das grosse Glück zu wissen, wie es sich anfühlt, wenn man eine persönliche Botschaft von Gott bekommt. Die bekommt man nicht ständig und man darf auch im Glauben nicht fortwährend danach suchen, sondern man muss manchmal einfach gehen, aber es gibt eben bestimmte Botschaften, die kommen. Ich habe meine Botschaft bekommen und empfunden, dass ich eines Tages richtig Pastor sein sollte. Das fand ich am Anfang ziemlich erschreckend, aber es hat sich dann immer wieder bestätigt. Das ist meine Zukunft, das weiss ich schon. Wann es ist, weiss ich nicht.
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Quelle: dran
Datum: 18.09.2003