An der schillernden Persönlichkeit des Obdachlosenpfarrers beeindrucken unerschöpfliche Schaffenskraft, franziskanische Spiritualität, Bauernschläue und Spontaneität. Mit seinem Einsatz für Obdachlose und Süchtige hat Ernst Sieber der verbürgerlichten Kirche über Jahrzehnten den Spiegel vorgehalten. Aus Anlass seines hohen Geburtstags führt die Zürcher Landeskirche am 4. März im Grossmünster einen öffentlichen Fest- und Dankgottesdienst mit Abendmahl durch. In der Mitarbeiterzeitschrift ‚notabene’ dankt Kirchenratspräsident Ruedi Reich dem unverwüstlichen Diakonie-Pionier für sein „modellhaftes Lebenswerk“. Reich schreibt: „Ernst Sieber setzt sich seit vielen Jahrzehnten mit aller Kraft für Menschen ein, die das Schicksal auf die Schattenseite des Lebens verbannte. Er hat das Gleichnis vom reichen Mann und vom armen Lazarus nicht nur gepredigt, sondern als aufrüttelnden Appell verstanden, den Armen zu Würde und Recht zu verhelfen.“ Mit seinem Engagement „ist Ernst Sieber für die Verantwortlichen in der Gesellschaft auch unbequem, denn er nennt die sozialen Nöte beim Namen, erinnert uns alle an unsere Verantwortung und nimmt uns dadurch immer wieder neu in Pflicht. Stets verkündet er Christus als Quelle der Hoffnung und fordert die sozialpolitische Relevanz dieser Botschaft nicht nur ein, sondern lebt sie auch selber.“ Der Pfarrer trage „viel zur Glaubwürdigkeit unserer Kirche bei. Gerne tragen wir seine Sozialwerke weiterhin mit. Sie schenken vielen Notleidenden Hilfe und Zuflucht, Ermutigung und Hoffnung.“ Den Presseleuten begegnete der Jubilar „inmitten seines Durcheinanders aus Büchern, alten Fernsehapparaten, einem Holzkreuz und selbstgemalten Mutter-Gottes-Bildern“. Und auch der Reporter der Basler Zeitung, der vermerkt, dass Zuhören nicht seine Stärke ist, gesteht ihm zu: „Wer mit Pfarrer Sieber spricht, beharrt nicht auf Antworten.“ Die Gemeinschaft der Menschen, die durch die von ihm gegründeten Sozialwerke Hilfe erfuhren, sieht Sieber als seine erweiterte Familie. Er habe «Tausende» von Kindern: Kranke, Süchtige, Obdachlose und andere Leidende. Und seit den 60er Jahren, als er mit seinen Aktionen den Courant normal des vornehmen Zürich erstmals unterlief, gehören „auch die Brüder und Schwestern der Medien zur Familie». Der Mahner gegen das Drogenelend und Gründer zahlreicher Therapieorte schaffte gar den Sprung in den Nationalrat. Später wuchsen ihm die Sozialwerke über den Kopf und 2004 drohte der Konkurs. Ernst und Sonja Sieber mussten sich aus der Stiftung zurückziehen; er blieb Ehrenpräsident in der Stiftung, die mit Hilfe von Landeskirche, Staat und grosszügigen Gönnern unter der Leitung von Martin Fischer wieder gesunden konnte. Der alternative Pfarrer möchte nochmals in den Nationalrat. Christus treibt ihn weiterhin an, „seine Vision eines Reich Gottes auf Erden gegen alle Trends im Sozialwesen zu verwirklichen“. Wie der Reporter der Basler Zeitung schreibt, setzt Sieber Zuwendung auf der Gasse gegen «Case Management», Dankbarkeit gegen den Druck zu evaluieren. Der Auftrag des Heilands ist ihm heilig. «Der Staat kann nicht lieben.» In den Gemeinschaften von Arm und Reich, Gesunden und Kranken empfange der Mensch Würde. Die Sozialwerke Pfarrer Sieber im Internet Quelle: Livenet / Basler Zeitung
Ernst Sieber„Er nimmt uns immer wieder neu in Pflicht“
Heilende Gemeinschaft statt staatlicher Fürsorge
„Ein lebenslanger Mut-Anfall“: Würdigung von Pfr. Ernst Sieber im ‚notabene’ (PDF, Seiten 8-9)
Datum: 24.02.2007
Autor: Peter Schmid