In einem Jahr 8‘400 Kinder entführt: humanitärer Notstand im Norden Ugandas

Kind mit abgetrennten Händen von Kony von der lord's resistance army
Rebellenführer Kony mit entführten Kindern.
Stadt Gulu in Uganda

Uganda hat in den letzten Jahren mehrfach positive Schlagzeilen gemacht, durch innere Stabilität unter Präsident Museveni und vor allem durch die wirksame Bekämpfung der Aids-Epidemie. Die Rate der Neuansteckungen konnte durch entschiedene Kampagnen der Regierung gesenkt werden. Im ostafrikanischen Land gedeiht seit Jahren eine starke Gebetsbewegung, deren Führer, John Mulinde, auch schon mehrfach in der Schweiz aufgetreten ist. Schweizer Christen sind in Gruppen nach Uganda gereist, um von den Erfahrungen zu lernen und vom geistlichen Feuer angesteckt zu werden (die Intensiv-Gebetswoche in Thun Mitte Juni hiess nicht zufällig ‚Uganda-Feuer‘).

Uganda braucht viel Gebet, denn im Norden des Landes, im Gebiet, das an den Sudan grenzt, ist die grausame Rebellenbewegung Lord’s Resistance Army (LRA) immer noch aktiv. Ihre Menschenrechtsverletzungen lassen jeden, der davon erfährt, erschaudern: Entführung und Folter, Verstümmelung und Mord und die Zwangsrekrutierung von Knaben zum bewaffneten Kampf.

Die Rebellenbewegung, deren Chef Kony es sogar wagte, die Bibel zu bemühen (der Name ‚Wiederstands-Armee des Herrn‘ zeugt davon), bringt regelmässig schreckliches Leid über die Landstriche, die sie verheert. Vier Menschenrechts-Organisationen unter Federführung von ‚Human Rights Watch‘ beklagen in einem Bericht, dass die Grausamkeiten im vergangenen Jahr infolge intensiverer Kämpfe mit ugandischen Regierungstruppen stark zugenommen haben.

Seit 17 Jahren ist die LRA die Geissel Nordugandas. Seit Juni 2002 wurden gegen 8'400 Kinder – mehr denn je in einem Jahr – und tausende Erwachsene von der LRA entführt. Nach dem Bericht hat es die LRA zunehmend auf Pastoren, Hilfe Leistende und Insassen von Vertriebenenlagern abgesehen. „Dieser Krieg ist in erster Linie gegen die Kinder und Menschen in Norduganda gefochten worden“, sagte der frühere kanadische Aussenminister Lloyd Axworthy bei der Vorstellung des Berichts.

Im März 2002 hatten die ugandischen Regierungstruppen versucht, die rückwärtigen LRA-Basen im Südsudan zu zerstören. Dies missland; die LRA kehrte nach Norduganda zurück und liess ihren Rachedurst an der Zivilbevölkerung aus. Die Furcht vor den Schlächtern hat schätzungsweise 20'000 Kinder veranlasst, am Abend Zuflucht in Städten zu suchen, wo sie auf Veranden, in Kirchen und Spitälern übernachten. Am Morgen kehren sie ins Dorf zurück.

Die Hilfsorganisationen vermuten, dass bis zu 800'000 Ugander ihr Zuhause wegen der LRA und wegen Weisungen der Regierung verlassen haben könnten. Die Kindersterblichkeit in zwei Lagern nahe der Stadt Gulu ist stark angestiegen, ohne dass besonders viele Krankheiten ausgebrochen wären. Die Aids-Rate bei Soldaten und Rebellen ist besonders hoch. In einem Spital in Gulu testete jede neunte schwangere Frau HIV-positiv (landesweit jede zwanzigste).

Die ugandische Regierung steht unter internationalem Druck, die Menschenrechtsverletzungen der LRA zu stoppen. Aber die Regierungstruppen haben sich ebenfalls schwere Verstösse zuschulden kommen lassen: Folter, Vergewaltigung, Zwangsrekrutierung von Minderjährigen für Dorfwehren und willkürliche Verhaftungen von Personen wegen Verdacht auf Rebellennähe werden im Bericht aufgeführt. Regelmässig entgingen angeschuldigte Soldaten einer Bestrafung. Auch die zwangsweise Konzentration von Dorfbewohnern in Camps, wo die Menschen nicht wirklich geschützt sind, wird kritisiert.

Die Organisationen fordern die UNO und die Staatengemeinschaft auf, sich mit Nachdruck für ein Ende der schrecklichen Missstände in Norduganda einzusetzen. Im Moment sind Friedensgespräche nicht in Sicht. „Das Acholiland und seine Bewohner leiden unter den verschärften Kriegshandlungen mehr denn je“, sagte Jemera Rone von Human Rights Watch.

Bericht über Norduganda: www.hrw.org/reports/2003/uganda0703

Datum: 17.07.2003
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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