«Freikirche bekehrt den Thuner Gemeinderat»
Fangen wir vorn an: Die Freikirche «Bewegung Plus» in Thun hat Platzprobleme. Die Gemeinde, deren «Begegnungszentrum» seit 2001 an absolut zentraler Stelle in der Stadtmitte liegt, direkt ins Parkhaus integriert, will schon lange bauen. Und da sie sich nicht zur Seite ausdehnen kann, geht's in die Höhe.
Die Gemeinde startete einen gründlichen internen Meinungsbildungsprozess. Nachdem die Überzeugung, dass ein Bauprojekt am bestehenden Ort der beste Weg zur Vergrösserung ist, in einem Grossteil der Gemeinde gereift war, ging es ans Planen. Im Januar 2014 reicht die Bewegung Plus ein Baugesuch ein. Gebaut werden soll ein Saal mit 600 Plätzen unter einer hohen Kuppel – ein deutlicher Fortschritt gegenüber den gegenwärtigen eher niedrigen Räumlichkeiten. 6 Millionen Franken sind für den Neubau veranschlagt – davon will die Gemeinde zwei Millionen selbst aufbringen und den Rest über Hypotheken finanzieren. In der Planungsphase arbeitet die Gemeinde eng mit der Stadt zusammen, damit ja alle Bedingungen der Zone erfüllt werden. In der Pressemitteilung vom Januar 2014 heisst es: gemeinsam habe man «in einem Gutachterverfahren die Rahmenbedingungen für den Bau eines neuen Saals im Grabengut geklärt». Ein Kuppelbau sei die «ideale Form des neuen Saals. Damit werden sowohl die gesetzlichen wie auch die städtebaulichen Vorgaben erfüllt.»
Abgelehnt
Aber das Baugesuch wird nie publiziert. Der Grund: Der Thuner Gemeinderat lehnt es ab. Er hat selbst Ausbaupläne mit der direkt daneben liegenden Eishalle, und «die beiden Bauvorhaben würden sich schlecht miteinander vereinbaren lassen». Diese Begründung war für die Bewegung Plus unzureichend, und sie stellte ein Wiedererwägungsgesuch. Der Gemeinderat musste sich erneut mit dem Saal beschäftigen – mit Erfolg für die Freikirche: am 5. Juni stimmte er zu, und jetzt wurde das Baugesuch publiziert.
War der religiöse Charakter des Bauvorhabens ein Grund für die Ablehnung? Diese Frage stellt auch der Artikel im Thuner Tagblatt. Der Thuner Bauvorsteher Hädener verneint: «Die Natur der Baurechtnehmer ist überhaupt nicht relevant.» Im Gegenteil: das soziale Engagement der Bewegung Plus wird gelobt, und die Gemeinde habe ein Baurecht. Aber deswegen sei die Stadt als Grundeigentümer nicht einfach verpflichtet, vorbehaltlos zuzustimmen, so Hädener.
«Verzögerung war eine Herausforderung»
So oder so: Nun ist die Bewilligung auf dem Tisch und das Bauvorhaben ist publiziert. Begegnungen mit dem Stadtpräsidenten und dem Bauvorsteher hätten die Dinge «in Bewegung gebracht», erklärt Meinrad Schicker, Pfarrer der Bewegung Plus. Die Gemeinde freue sich sehr, dass die Bewilligung nun da ist, wenn auch die fast zweijährige Verzögerung des Bauvorhabens «eine Herausforderung» gewesen sei: «Aus unserer Sicht ging es lange, und der Glaube an die Realisierbarkeit des Projekts war ab und zu gefährdet.»
Es wird ab Baubeginn mit einer Bauzeit von 18 Monaten gerechnet. Aber noch können die Baumaschinen nicht auffahren – immer noch sind Hindernisse möglich: «Wir schliessen Einsprachen nicht aus und nehmen Schritt für Schritt», erklärt Schicker. Trotz bekehrtem Stadtrat ist also noch Geduld vonnöten.
Zum Thema:
Diakonie an Migranten: Ein Sprachkurs mit Nebenwirkungen
Kommentar von Meinrad Schicker: Das zukünftige Heil schon heute schmecken!
Datum: 05.11.2015
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet