Symmetrie - die Handschrift Gottes?

Manche Blumen bezaubern auch durch ihre fast perfekte Kugel-symmetrie: beispielsweise der Löwenzahn.

Sei es in Form von Häuserfassaden, Blütendolden, Mosaiken und Pfauenschwänzen, in Bach’schen Partituren und nicht zuletzt in unserem eigenen Spiegelbild. Tatsächlich ist der Begriff Symmetrie (und das Phänomen, welches er beschreibt) auf allen Ebenen gegenwärtig - in der Kunst, der Musik, in physikalischen Gleichungen, in Wortspielereien, philosophischen Abhandlungen, chemischen Formeln, psychischen Mustern und modernen Kommunikationssystemen. Diese Präsenz zeige, schwärmt das ungarische Physiker-Paar Istvan und Magdolna Hargittai, welche Sonderstellung die Symmetrie in unserem durch Spezialistentum zersplitterten Denken einnimmt: »Symmetrie kann helfen, die Welt wieder als Ganzes wahrzunehmen.«

Wörtlich übersetzt aus dem Griechischen heisst Symmetrie: Gleichmass. Laut Lexikon ist sie die »harmonische Anordnung der unterschiedlichen Teile eines Ganzen«, nach der Kurzformel des Mathematikers Rudolf Wille die »Gleichheit von Teilen als Ausdruck des Ganzen«. Für Menschen ohne besondere geometrische oder ästhetische Vorkenntnisse bedeutet Symmetrie aber meist schlicht so etwas wie eine Verdoppelung, die man zum Beispiel durch Auseinanderschneiden (etwa eines Apfels) oder durch Spiegelung erreicht.

Die so genannte bilaterale oder Spiegelsymmetrie ist zwar nur eine von vielen, aber die uns vertrauteste. Vielleicht, weil wir selbst, von aussen gesehen, spiegelbildlich um eine Ebene in der Körpermitte angelegt sind - eine Struktur, die wir mit der Mehrzahl der Tiere teilen. Warum hat uns die Natur so gebaut? In erster Linie, weil sich diese Form als günstig für die Fortbewegung herausgestellt hat: Laufen, Schwimmen oder Fliegen gelingt einfach besser mit einem ebenmässig bilateralen Körper.

Doch Spiegelungen und Doppelungen sind bei weitem nicht die einzigen Symmetrieformen. Davon gibt es nämlich weitaus mehr, als mancher ahnt, und sie können so komplex sein, dass sie zu optischen Verwirrspielen ausarten. Meister dieser visuellen Verrücktmachereien war der holländische Grafiker M. C. Escher mit seinen aberwitzigen »Symmetriebildern«.

Auch für ungeübte Augen noch einfach zu durchschauen sind Drehsymmetrien (wie beim Windrad), Kugelsymmetrien (wie beim Ei) oder Wiederholungs- Symmetrien. Während letztere vor allem von Menschenhand geschaffen werden - etwa in Ornamenten und Mosaiken oder in Stick- und Farbmustern auf Textilien -, kommen Dreh- und Kugelsymmetrien auch sehr häufig in der Natur vor. So sind die Blüten der meisten Pflanzenarten drehsymmetrisch. Manche bezaubern auch durch ihre fast perfekte Kugelsymmetrie: beispielsweise die »Pusteblume«, die Samen des Löwenzahns. Warum aber fast sämtliche Orchideen Hawaiis spiegelsymmetrisch - also eigentlich »animalisch« - angelegt sind, obwohl sie weder fliegen noch herumlaufen, ist ein Geheimnis, das die Botaniker erst noch lüften müssen. Viele sehen in der Symmetrie aber auch die Handschrift Gottes, in der sich seine Ästhetik zeige.


Datum: 30.07.2002
Autor: Bruno Graber
Quelle: Livenet.ch

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