Kritik am Sicherheitszaun in Israel

Ariel Sharon
Kofi Annan
Palästina

Die Führer der christlichen Kirchen in Israel kritisieren die Errichtung der israelischen Sicherheitsmauer um die Stadt Bethlehem und fordern seine Niederlegung. Die Mauer sei für die Friedensbemühungen um die "Road Map" ein ernsthaftes Hindernis, heisst es in einer Erklärung von drei Patriarchen, sechs Bischöfen und dem Franziskaner-Oberen im Heiligen Land.

Die Mauer am Geburtsort Jesu Christi sei für die christliche Gemeinschaft im Land verheerend. Für beide Völker werde sie gleichermassen ein "Gefühl von Isolation" auslösen, betonen die Patriarchen und Kirchenoberhäupter. Für viele Palästinenser bedeute sie eine Trennung von Land, Eigenstaatlichkeit und Familienleben. Besetzung sei der Hauptgrund des Konflikts und des fortgesetzten Leidens im Heiligen Land.

Kein Sicherheitszaun um Ariel

Die jüdische Stadt Ariel in Samaria soll nicht mit vom israelischen Sicherheitszaun umschlossen werden. Das gab das israelische Verteidigungsministerium bekannt.

Die USA hatten zuvor heftige Kritik daran geübt, dass Ariel und einige andere "grenzentfernte" jüdische Ortschaften von der Schutzmauer mit einbezogen werden sollen. Der Zaun reiche an diesen Stellen zu weit in die Palästinensischen Autonomiegebiete hinein, hiess es aus Washington.

Wie der israelische Rundfunk meldet, haben Premierminister Ariel Sharon und Verteidigungsminister Shaul Mofaz daraufhin beschlossen, die Ortschaften Ariel, Karnei Shomron und Kedumim, mit insgesamt mehr als 25.000 Einwohnern, aussen vor zu lassen. Dadurch soll die Sicherheitsanlage näher entlang der sogenannten "grünen Linie", der Grenze von 1967, errichtet werden. Allein, um die rund 18.000 Einwohner von Ariel durch den Zaun zu schützen, hätte rund 30 Kilometer in das Autonomiegebiet "hineingebaut" werden müssen.

UNO kritisierte Israel wegen Sicherheitszaun

UNO Generalsekretär Kofi Annan hatte Israel wegen der Entscheidung kritisiert, mit dem umstrittenen Bau seines "Sicherheitszaunes" trotz der Bedenken der USA und der Palästinenser fortfahren zu wollen.

In den letzten Jahren hat sich die wirtschaftliche Situation der Palästinenser in der Westbank drastisch verschlechtert. So hoffen viele, wenigstens in Jerusalem eine Arbeit zu finden, mit der sie ihre Familie über Wasser halten können. Während sie Zaun und Mauer vor allem als Schikane empfinden, steht für die Israelis etwas anderes im Vordergrund: die Sicherheit. Shimon Stein, Botschafter Israels in Deutschland: Die Entscheidung über den Zaun geht zurück auf eine traurige Feststellung, dass die Palästinenser nicht in der Lage sind, die Verantwortung für die Sicherheit zu übernehmen, und deshalb müssen wir für unsere Sicherheit leider viel mehr tun, als wir es hofften, hätten wir auf der anderen Seite auch Unterstützung gegen den Terror.

Die Idee eines Zaunes oder einer Mauer als Massnahme gegen Selbstmordattentäter aus den palästinensischen Gebieten wird in Israel seit vielen Jahren diskutiert. Im Gaza-Streifen ist ein solcher Zaun schon Realität und - aus israelischer Sicht - ein Erfolg: Seit er gebaut wurde, ist es kaum einem Attentäter gelungen, den Gaza-Streifen zu verlassen. Die Befürworter eines Zaunes auch im Westjordanland, in der Westbank, stammten ursprünglich vor allem aus dem Lager der Arbeitspartei, die mit einem Zaun entlang der Grünen Grenze die Idee einer Zwei-Staaten-Lösung verbindet. Aus dem gleichen Grund stiess der Plan bei vielen Siedlern auf Kritik. Sie befürchteten, dass der Zaun einen Verzicht auf das Westjordanland bedeuten könnte.

Man muss sich entscheiden, wo der Zaun verlaufen soll. An manchen Stellen stimmt er mehr oder weniger mit der Grünen Grenze überein, also der Waffenstillstandslinie von 1949, in anderen Bereichen dagegen geht er in die Westbank hinein, und da fängt das Problem an: Um den Sicherheits- oder Trennungszaun zu bauen, wird arabisches Land beschlagnahmt. Wenn man einmal anfängt, den Zaun so zu bauen, dass Siedlungen auf der israelischen Seite liegen, muss man arabisches Land beschlagnahmen. Und das ist ein grundlegendes Problem.

Seit einigen Monaten ist diese Trennung auch nicht mehr zu übersehen: Mitten durch die Region verläuft der Zaun. Das erste Teilstück hat eine Länge von rund 130 Kilometern: von Umm El Fahm im Norden bis südlich von Kalkilya. Aus Rücksicht auf die israelischen Siedlungen und die Siedlerstrassen verläuft der Zaun in zahlreichen Kurven, einige palästinensische Dörfer sind dadurch fast vollkommen von ihrer Umgebung abgeschnitten. Die palästinensische Autonomiestadt Kalkilya ist durch eine zusätzliche Absperrung rund um die ganze Stadt zur Enklave geworden.

Die Mehrheit der Israelis sieht in dem Zaun einen unverzichtbaren Schutz vor Terroranschlägen - so auch Arnon Golan: Es geht uns nicht darum, Zäune zu bauen. Zäune bringen keinen Frieden. Aber in der derzeitigen Situation brauchen wir einen. Ich verlange von den Palästinensern nicht, dass sie das verstehen, und sie werden es nicht verstehen. Sie werden wütend sein, und der Zaun wird den Friedensprozess wahrscheinlich belasten – vor allem kurzfristig. Aber ich hoffe, dass in fünf Jahren eine gemässigte palästinensische Führung mehr Verständnis hat. Und ich hoffe, dass eine gemässigte israelische Regierung anständig genug ist, den Zaun wieder abzureissen und den Leuten ihr Eigentum zurückzugeben, wenn die derzeitige Situation sich irgendwann entspannt.

KOMMENTAR


Daniel Gerber

Die ungleiche Elle der USA und UNO misst 3010 Kilometer

Der Sicherheitszaun der Israeli, jene Mauer die von den Palästinensern «Apartheid Wall» genannt wird, misst 140 Kilometer. Die USA und die UNO verurteilen diesen Bau aufs schärfste und drohen der Sharon-Regierung mit Repressalien. Nahezu einhelliges, internationales Kopfnicken.

140 Kilometer, das darf nicht war sein. Dass die USA aber einen Zaun von 3150 Kilometer Länge an der mexikanischen Grenze stehen hat – also 22,5 mal so lang – scheint die Bush-Administration nicht zu interessieren. Die ungleiche Elle misst 3010 Kilometer was wiederum für einen Zaun um ganz Israel reichen würde.

Als entwürdigende Schikane wird der von der Knesset angeordnete Bau bezeichnet. Warum geht Washington nicht mit dem guten Beispiel voran und reisst seinen 3150 Kilometer «Balken» ab, bevor es an Drohungen betreffend Israels 140 Kilometer «Splitter» auch nur denkt? Denn während die «Apartheid Wall» im Nahen Osten Terroristen abhält, werden mit derjenigen zwischen Amerika und Mexiko nur illegale Arbeitssuchende ferngehalten.

Von einer amerikanischen Doppelmoral zu sprechen wäre nun aber falsch, da es sich um eine Dreifachmoral handelt: Denn im US-Bundesstaat Kalifornien freut man sich über Südamerikaner, welchen es gelingt, den nicht lückenlos bewachten 3150 Kilometerzaun zu überwinden. Ohne die billigen Illegalen aus Mexiko würde die Wirtschaft zusammenbrechen. Bis zu einer halben Million «Undocumented Immigrants» werden im Sommer als Erntearbeit gebraucht. Schon einige Meilen nördlich der Grenze sind billige Bauarbeiter und Pflücker willkommen. Das Grenzregime ist so etwas wie ein Ausleseverfahren, welches die Zähen und Willigen selektioniert. Andere verdursten schon mal in der mexikanischen Wüste, auf der Suche nach einem Schlupfloch ins Land der angeblich unbegrenzten Möglichkeiten. Die illegalen Einwanderungen dürfen auch als eine Art Racheakt verstanden werden. Jedes Kind in Mexiko weiss schliesslich, dass Amerika Texas annektierte und im Krieg 1846 bis 1848 Mexiko grosse Gebiete abjagte.

Die UNO und die USA scheinen freilich andere Probleme zu haben: Gebietsgewinne von Israel (alle in Verteidigungskriegen gewonnen!) und jene 22,5mal kürzere Grenzbarrikade gegen den täglich drohenden Terror. Ob dem Laienprediger und «Baptisten des Jahres 2001» (George W. Bush) im Bezug auf sein Land wohl das biblische Gleichnis mit dem Schalksknecht in den Sinn kommt? Jene Geschichte die Jesus in Matthäus 18 erzählt, wonach ein Knecht dem König eine astronomische Summe schuldet. Erst will der König die Habe des Schuldners verkaufen aber dieser fleht um Gnade. Der Herrscher gewährt. Draussen trifft der Knecht einen Mitknecht der ihm eine vergleichsweise lächerliche Summe schuldet. Der Knecht kennt mit seinem Mitknecht aber keine Gnade und wirft diesen in den Kerker bis er seine Schulden bezahlt. Darauf verfährt der König mit dem Unbarmherzigen jedoch in selber Weise.

Fragt sich bloss, welche der genannten Mächte der jeweils andern welche Rolle in diesem Gleichnis beimessen würde.

Quellen: Livenet/Kipa/Israelnetz/Israelnetz/DeutschlandRadio-Online

Datum: 20.09.2003
Autor: Daniel Gerber

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