Neues Interesse am Glauben

Spanien: «Evangelicos» sind in aller Munde

Dani Alves spricht öffentlich über seinen neugefundenen Glauben an Gott
Katholisch war gestern. 40 Jahre wurde Spanien als «säkular modernes» Land gefeiert. Heute, im Herbst 2025, redet das ganze Land über ein überraschendes neues Interesse am Glauben.

Die enge Verbindung von katholischer Kirche und Franco-Diktatur (1939-1975) hat die meisten Spanier gegen die Religion «geimpft». «Der Glaube, zumindest der christliche Glaube, ist ein Relikt der Vergangenheit, das es abzulegen gilt. Das war in den letzten 40 Jahren die implizite Botschaft, von Radio-Talkshows bis zu Universitätsvorlesungen, von Gesprächen in Kneipen bis zu den Kolumnen der angesehensten Journalisten», schreibt der in Spanien lebende Journalist Joel Forster in «Evangelical Focus». «Und doch spricht im Herbst 2025 ganz Spanien über ein überraschendes Wiederaufleben des Interesses am Glauben.» Wir fassen Forsters Beobachtungen zusammen.

Warnung vor den Evangelikalen – und dann die Prominenten

Dieses Jahr war etwas los: Zuerst im Mai die breite Berichterstattung über den neuen Papst, dann – im September und Oktober – ein «Alarmruf» im Fernsehen und in verschiedenen Zeitungen über das Wachstum evangelikaler Gemeinden – für viele Christen ein Anlass, ihren Glauben persönlich und ehrlich zu erklären.

Dann erschien Ende Oktober das Album der einflussreichsten spanischen Sängerin der letzten Jahre, Rosalía, die eine Nonne imitiert und in einem Podcast erklärt, dass sie eine enorme Leere verspürt, die nichts füllen kann und die ihrer Meinung nach von Gott kommt. Nur wenige Tage später erscheint eine weitere bekannte Persönlichkeit, der ehemalige brasilianische Fussballspieler Dani Alves, der mit dem FC Barcelona alle Titel gewonnen hat, in einer evangelikalen Gemeinde in Girona und erklärt seine Bekehrung zum Christentum, nachdem er wegen angeblicher sexueller Nötigung 14 Monate in Untersuchungshaft verbracht hatte und später freigesprochen wurde.

Diskussionen im Fernsehen

Verschiedene Fernsehstationen luden daraufhin evangelische Pastoren ein, ihren Glauben öffentlich zu erklären. Der junge Pastor Guido Groeneveld erklärte, dass die Botschaft des Evangeliums, die Dani Alves offenbar angenommen hat, mit einem Gott zu tun hat, der sich durch seinen Sohn Jesus Christus hingibt, damit eine direkte Beziehung zu ihm möglich ist, und dass Rosalías Worte über Leere eigentlich die Erfahrung jedes Menschen sind, der sein Verlangen nach Sinn mit Karriere, Familie, Sex oder Erfolg zu befriedigen versucht.

Ein weiterer prominenter Journalist, Carlos Franganillo, sagte in seiner Nachrichtensendung auf Telecinco: «Eine neue Generation junger Menschen entdeckt das Heilige wieder. Der Glaube ist zu einem Trend geworden, aber auch zu einem Zufluchtsort: Junge Menschen finden Spiritualität in Filmen wie Los Domingos, in Rosalías Liedern oder in digitalen Altären, an denen Influencer die Schönheit des Glaubens predigen.»

Das katalanische öffentlich-rechtliche Fernsehen fasst zusammen: «Der Glaube ist in der Kultur kein Tabu mehr: Religiöse Themen gewinnen in Musik, Kino und Literatur an Boden.»

Neues Interesse an Religion

Verschiedene Zeitungen haben das neue Interesse am Glauben kommentiert. Für El País «verändert sich etwas». La Vanguardia stellt fest, dass sich «junge Menschen wieder für die Religion interessieren», und Público vertieft die Analyse: «Der Glaube an Gott erlebt im Westen eine Renaissance, vor allem unter jungen Menschen, weil er ein moralisches Vorbild gibt, aber auch eine Rettungsleine, an der man sich festhalten kann; das neoliberale Projekt bricht zusammen und hinterlässt eine Spur von Leichen.»

Statistische Daten der Regierung stützen diese Beobachtungen. Sie bestätigen einerseits eine Zunahme der Zahl junger Menschen, die sich als katholisch bezeichnen, andererseits einen starken Anstieg evangelikaler Kirchen und Gemeinden, der am schnellsten wachsenden Glaubensgemeinschaft in Spanien.

Nicht nur in Spanien

Diese jüngsten Beobachtungen aus Spanien bestätigen einen offenbar europäischen Megatrend. 

Im Vereinigten Königreich spricht eine aktuelle Studie von einer «stillen Erweckung»: Die Zahl der Kirchenbesucher in England ist in nur sieben Jahren um 57 Prozent gestiegen, von 3,7 auf 5,8 Millionen, wobei die Zahl der Männer, die sich für den Glauben interessieren, bei den 18- bis 24-Jährigen um das Fünffache gestiegen ist.

In Finnland zeigen die Daten ebenfalls einen überraschenden Anstieg der Kirchenbesuche unter jungen Männern, während diejenigen, die angeben, regelmässig zu beten, mittlerweile 26 Prozent der Befragten ausmachen.

In Deutschland war laut einer Umfrage aus dem Jahr 2021 die Altersgruppe unter 30 Jahren am gläubigsten: 64 Prozent gaben an, an Gott zu glauben, was deutlich über dem nationalen Durchschnitt von 48 Prozent liegt.

In ganz Westeuropa sprechen christliche Kirchen, die in den letzten Jahrzehnten in einem stark säkularisierten Umfeld an Einfluss verloren haben, momentan von unerwarteten Arten von Besuchern in ihren Sonntagsgottesdiensten. Roger Forster schliesst: «Alles deutet auf ein wiederauflebendes Interesse an der Wiederentdeckung der christlichen Spiritualität und einer Nähe zu Gott hin, die eine ganze Generation nie aus erster Hand kennengelernt hat.»

Zum Thema:
Öffentliche Diffamierung: Spaniens Medien poltern gegen Evangelikale 
Entwicklung in England: «Krisen schicken Junge in die Kirchen» 
Unerklärlicher Trend: Finnland: Religiöses Interesse bei jungen Männern steigt deutlich 

Datum: 07.11.2025
Autor: Roger Forster / Reinhold Scharnowski
Quelle: Evangelical Focus / Ergänzte Übersetzung: Livenet

Werbung
Livenet Service
Werbung