Freispruch nach falschen Zwangsbekehrungsvorwürfen
In seinem Urteil übte das Gericht scharfe Kritik an den Behörden, die das Strafrecht als «Instrument zur Schikane Unschuldiger» missbraucht hätten. Die Richter J. B. Pardiwala und Manoj Misra veröffentlichten ein 158-seitiges Urteil, das Pastor Vijay Masih von der «Evangelical Church of India» in Fatehpur, Dutzende Mitarbeitende des «Broadwell Christian Hospital», Vertreter der «Sam Higginbottom University of Agriculture, Technology and Sciences» (SHUATS) in Prayagraj sowie weitere Betroffene rehabilitiert, die seit April 2022 unter dem Anti-Bekehrungsgesetz des Bundesstaates Uttar Pradesh angeklagt worden waren.
«Das Strafrecht darf nicht zu einem Werkzeug der Belästigung Unschuldiger werden, das Ermittlungsbehörden erlaubt, willkürlich Strafverfolgung auf der Grundlage völlig unglaubwürdiger Materialien einzuleiten», so das Gericht.
Willkürliche Verhaftung
Der Freispruch folgt auf die Aufhebung der ersten Verurteilung eines Christen im Bundesstaat Uttarakhand nach dem dortigen «Anti-Bekehrungsgesetz»: Pastor Nandan Singh wurde nach einem vierjährigen Rechtsstreit entlastet.
Das Martyrium der Christen in Uttar Pradesh begann am Gründonnerstag, dem 14. April 2022. Damals umzingelten hinduistische Extremisten der «Vishwa Hindu Parishad» (VHP) den Gottesdienst von Pastor Masih, schlossen die Tore und riefen die Polizei – mit dem Vorwurf, 90 Hindus würden zwangsweise zum Christentum bekehrt. Pastor Masih wurde zusammen mit 35 weiteren Christen festgenommen. Nach einer dreitägigen Untersuchungshaft kam er zunächst auf Kaution frei, wurde jedoch im Oktober 2022 erneut verhaftet und verbrachte über 100 Tage im Gefängnis.
Plötzlich neue «Opfer»
Das Gericht stellte fest, dass die Anzeige gegen 35 namentlich genannte und 20 unbekannte Personen juristisch fehlerhaft war, da sie von einem Dritten und nicht von einem mutmasslichen Opfer eingereicht wurde.
Neun Monate nach dem Vorfall wurden im Januar 2023 plötzlich vier weitere Anzeigen von Personen eingereicht, die behaupteten, Opfer von Zwangsbekehrungen zu sein. Es wurden jeweils 47 Beschuldigte sowie 20 Unbekannte genannt – viele davon mehrfach. Das Gericht stellte erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieser Beschwerden sowie der nachfolgenden Ermittlungen fest.
Zeugenaussagen «formelhaft kopiert»
Zeugenaussagen seien «formelhaft kopiert» worden, so das Urteil. Drei eidesstattliche Erklärungen seien identisch gewesen – abgesehen von den Namen der Unterzeichner.
Noch schwerwiegender ist, dass die Kläger in den Januar-Anzeigen ihren ursprünglichen Aussagen von April 2022 widersprachen. So hatte etwa Virendra Kumar damals ausgesagt, kein Opfer, sondern Mitglied der VHP zu sein und zusammen mit Himanshu Dixit zur Kirche gekommen zu sein...
Drei Jahre Leid und Zerstörung
Obwohl das Urteil juristische Rehabilitation bringt, kam es zu spät, um das Leid von über drei Jahren rückgängig zu machen. Pastor Edwin J. Wesley, Generalsekretär der «Evangelical Church of India», sprach von einem «gezielten Angriff auf die christliche Gemeinschaft».
«Die Gemeindemitglieder haben seelisch, psychisch und finanziell enorm gelitten. Viele verloren ihre Arbeit und mussten umziehen. Die Polizei wollte sie einfach im Gefängnis behalten, koste es, was es wolle», so Wesley.
Trotz vollständiger Kooperation mit vier Sonderermittlungsteams habe die Polizei nicht geglaubt, dass in der Gemeinde niemand bekehrt worden sei. «Jetzt zeigt das Urteil des Obersten Gerichtshofs eindeutig: Es gab keinen einzigen Zeugen, der die angebliche Bekehrung von 90 Hindus belegen konnte.»
Nur erfundene Beweise
Pastor Jose Prakash George, Leiter einer unabhängigen Gemeinde und Bewohner des Krankenhausgeländes, wurde im Februar 2023 verhaftet – zehn Monate nach dem Vorfall – und sass fünf Monate im Gefängnis. «Es gab keinerlei Beweise. Alles war erfunden. Aber wir haben gebetet und Gott hat die Wahrheit ans Licht gebracht», sagte George.
Insgesamt seien 68 Christen in mehreren Anzeigen genannt worden, darunter Kinder im Alter von 11 bis 17 Jahren. Ein 17-Jähriger wurde fälschlicherweise als 23-Jähriger registriert und inhaftiert. Eine kleine Tochter eines Gemeindemitglieds musste nachts heimlich ausser Landes gebracht werden, um einer Verhaftung zu entgehen.
Die finanziellen Folgen waren verheerend: Die meisten Angeklagten verdienten im Krankenhaus nur 7’000 bis 10’000 Rupien im Monat (rund 79–113 US-Dollar) und mussten ihr gesamtes Erspartes für Gerichts- und Reisekosten aufbringen.
Eltern weinten
«Ich habe Eltern weinen sehen, weil sie ihren Kindern keine Milch oder kein Essen geben konnten. Viele Kinder konnten zwei Jahre lang nicht zur Schule gehen», sagte George. «Als Pastor kann ich vieles ertragen – aber nicht das Leid der Kinder.»
J. Merin, die leitende Verwaltungsbeamtin des «Broadwell Christian Hospital», berichtete, dass rund 57 Mitarbeitende versetzt oder entlassen wurden. Die Gesundheitsprogramme des Krankenhauses kamen fast vollständig zum Erliegen. Extremisten blockierten Patienten und verbreiteten das Gerücht, das Krankenhaus sei geschlossen. «Unser Krankenhaus mit 50 Betten, das sonst immer voll war, hatte plötzlich nur noch fünf bis sieben Patienten am Tag», erinnert sich Merin.
Urteil mit Signalwirkung
Das Gericht stellte fest, dass die Polizei bereits Anklageschriften eingereicht hatte, deren Beweislage jedoch «kein Vertrauen in die Aufrichtigkeit der Ermittlungen» wecke.
Pastor Wesley sieht im Fall Fatehpur ein Beispiel für koordinierte Angriffe auf christliche Minderheiten: «Fatehpur zeigt deutlich, dass dieser Angriff geplant war, und zwar allein wegen unseres Glaubens an Christus. Wir wussten von Anfang an, dass die Polizei diese Fälle nicht gewinnen würde, weil wir niemanden bekehrt haben. Wir haben das verfassungsmässige Recht, unseren Glauben zu praktizieren und zu verkünden.»
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Datum: 11.11.2025
Autor:
Morning Star News / Daniel Gerber
Quelle:
Christian Daily International / gekürzte Übersetzung: Livenet