Schub für den Schritt in die Arbeitswelt
Livenet: Wie geht es der Jobfactory Ende 2012?
Robert Roth: Ich bin sehr zufrieden mit der Entwicklung. Wir sind gut unterwegs. Die Arbeit ist konsolidiert. Unsere Herausforderung ist es, in elf Geschäftsfeldern erfolgreich zu sein und gleichzeitig jährlich 300 Junge bei der täglichen Arbeit mitzunehmen. Sie kommen aus der Schule und kennen die Arbeits- und Betriebswelt nicht. Sie stehen am Anfang. Wir bereiten sie auf eine Lehrstelle vor und qualifizieren sie für andere Unternehmen.
Da brauchen wir Mitarbeitende, die mit den Jungen die nötige Geduld aufbringen, und dabei das wirtschaftliche Ziel weiterhin vor Augen haben. Denn das ist unsere These: Es gilt, profitorientierte Ziele mit sozialen Zielsetzungen in Einklang zu bringen. Darüber definieren wir unseren Erfolg.
In Basel bringt Ihnen der Staat Goodwill entgegen…
Ja, wir erleben Wohlwollen bei verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen. Auch der Staat ist interessiert an den Leistungen der Jobfactory. Er finanziert bei uns nur den Coaching-Teil, analog den Berufsschulen, für die er ebenfalls die Mittel aufbringt. Lehrfirmen beschäftigen ihre Lehrlinge 3-4 Tage, und so funktioniert auch die Jobfactory. Die einzelnen Geschäftsfelder der Jobfactory, in denen die Jugendlichen grundlegende Arbeitserfahrung sammeln, finanzieren sich hingegen selbst.
Basel anerkennt den Nutzen der Jobfactory. Sie sind mit Preisen ausgezeichnet worden. Müssen Sie noch kämpfen?
Wir können uns nicht ausruhen und haben noch viel vor. Denn Unternehmen scheuen davor zurück, ungelernte Jugendliche und namentlich schwächere Leute aufzunehmen, weil man befürchtet, dass sie die erwartete Leistung nicht bringen. Es ist heute teilweise selbstverständlich geworden, zu sagen: Wir wollen fitte Leute in der Wirtschaft, für die anderen gibt es die Sozialversicherungen (IV, Sozialhilfe, Arbeitslosenprogramme). Doch dies hilft den Betroffenen nur begrenzt und der Staat verkraftet das finanziell in Zukunft nicht mehr.
Wir müssen umdenken und die sozialen Herausforderungen mit der Kraft der Wirtschaft, der Kraft des Unternehmertums kreativ angehen – für die Betroffenen und für unsere Volkswirtschaft. Da braucht es neue Überlegungen, auch eine neue Kultur, dass die Unternehmer sich damit befassen, was zu tun ist, um die vielen Leute, die draussen stehen, wieder in den Arbeitsprozess zu integrieren.
Sehen Sie die Jobfactory als Wegweiser?
Unser Unternehmen übernimmt Verantwortung für schwächere Jugendliche und ermutigt andere Unternehmen, umzudenken. Dieser Ansatz ist wichtig und innovativ! Wir versuchen ihn gut umzusetzen. Das Geschäftsmodell ist äusserst zukunftsfähig. Doch es erfordert ein grundsätzliches Umdenken. Wir brauchen eine Wirtschaft, die beides wieder tut, wie es vor einigen Jahrzehnten da und dort geschah: die unternehmerische und soziale Zielsetzung miteinander zur vereinen.
Heute herrscht eine verengte betriebswirtschaftliche Sicht vor. Wenn ein Betrieb für sich selbst Erfolg hat, sind alle zufrieden, namentlich die Investoren und die Betreiber. Aber die Sicht lediglich auf ein betriebswirtschaftliches Ergebnis zu haben, genügt nicht mehr – wir müssen unser Verständnis für die Arbeitswelt in eine volkswirtschaftliche Sicht integrieren. Denn sonst haben wir am Ende den gemeinsamen Erfolg nicht, den wir brauchen, um die genügende Partizipation unserer Bürger am Arbeitsprozess zu gewährleisten.
Brauchen im städtischen Raum mehr Jugendliche Unterstützung?
Ja. In der Anonymität der Städte entwickeln sich Parallelgesellschaften und problematische Lebensformen. Es gibt auch immer mehr Jugendliche aus prekären sozialen Situationen. Daher wird die Umsetzung des Modells der Jobfactory vor allem in Städten wichtig sein.
Wie hoch ist der Anteil der Jugendlichen mit Migrationshintergrund?
In Basel-Stadt stellen sie die Hälfte aller Jugendlichen und bei den Schweizern haben wir viele Secondos. Die Integration von Zugewanderten ist extrem wichtig. Sie müssen spüren, dass wir in sie investieren. Eine gelungene Integration dauert zwei bis drei Generationen. Je mehr sich Menschen angenommen fühlen und merken, dass man etwas für sie unternimmt, desto mehr nehmen sie den Dialog mit der bestehenden Kultur auf und fügen sich ein. Wenn sie Abgrenzung erleben, ziehen sie sich in ihre Herkunftskultur zurück.
Webseite:
Jobfactory
Datum: 08.12.2012
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet