Web-Filter «JusProg»

Wenn ein Porno-Anbieter das Internet filtert

 
Internet

Damit Kinder nicht mit Webseiten konfrontiert werden, die sie besser nicht sehen sollten, können Eltern Filtersoftware auf dem Computer installieren. Der kostenlose Web-Filter "JusProg" ist allerdings übereifrig. Harmlose Weblogs, Tageszeitungen und grosse Parteien sperrt er. Und auch zahlreiche christliche Internet-Angebote sind betroffen.

Im Jahr 2003 gründeten mehrere Anbieter von Internet-Inhalten den Verein "JusProg". Ziel war es, eine solche Filtersoftware zu entwickeln, die Webseiten mit Erotik und Gewalt nicht auf den heimischen PC lässt. Möglich wird dies durch eine Schwarze Liste, auf der Adressen gesammelt sind, die Kinder besser nicht ansurfen sollten.

Was auf den ersten Blick paradox erscheint: Hinter JusProg stehen zwei der grössten deutschen Anbieter von Internet-Erotik. Vorstandsvorsitzender des Jugendschutzvereins ist Mirko Drenger, der gleichzeitig Geschäftsführer von "Fundorado" ist, einem der grössten Sex- und Erotikanbieter im deutschsprachigen Internet und Tochtergesellschaft des "ORION"-Versandhauses. Wie ein Autor des Internet-Magazins "Telepolis" berichtet, ist als Brieffachadresse die "Inter Content KG" angegeben. Diese wiederum ist einer der grössten Anbieter von Pornographie im deutschen Internet. Das Unternehmen ist eine Tochter der "Bauer"-Verlagsgruppe, einem der grössten deutschen Medienunternehmen.

Warum Erotik-Anbieter Erotik-Seiten sperren

Warum programmieren ausgerechnet Porno- und Erotik-Anbieter einen Internet-Filter, der eben jene Inhalte abfangen soll? Der Grund liegt im deutschen Staatsvertrag zum Jugendmedienschutz. Dort heisst es in Paragraph 11, dass Anbieter von softerotischen oder gewaltdarstellenden Inhalten dazu verpflichtet sind, entweder die Sendezeitbegrenzung (nur zwischen 22 und 6 Uhr morgens) zu beachten, ein technisches Mittel einzusetzen (etwa Eingabe der Personalausweisnummer), oder eine staatlich anerkannte Filtersoftware einzusetzen.

Doch wer die Software installiert und danach im Internet surft, reibt sich die Augen. Denn nicht nur erotische und gewaltdarstellende Webseiten werden gesperrt. Stichproben zeigten: Auch die Internetauftritte von "Telepolis", der "Tageszeitung" oder der "Neue Rheinischen Zeitung" sind nicht mehr aufrufbar. Ebenso die wenig jugendgefährdenden Auftritte deutscher Parteien wie CDU, FDP, SPD und Grüne waren nach Aktivierung des Kinderfilters nicht mehr abrufbar. Die Parteien NPD und "die Linke" sind indes laut "JusProg" für Jugendliche ab 14 Jahren zu verkraften. "Ein Filtersystem mit staatlicher Rückendeckung, das die Informationen einzelner Parteien unterdrückt, wäre allerdings ein Verstoss gegen das Parteiengesetz, welches in Paragraph 5 die Gleichbehandlung aller Parteien einfordert", schreibt der "Telepolis"-Autor Jens Berger.

Ebenso verhält es sich mit Weblogs. Der "Bildblog" etwa, der sich kritisch mit der "Bild"-Zeitung auseinandersetzt, steht bei "JusProg" auf der Schwarzen Liste, nicht jedoch der Auftritt der Bild-Zeitung selbst, obwohl gerade diese gespickt ist mit Nackt-Aufnahmen und Sex-Geschichten. Berger: "Ob dies daran liegt, dass 'Bild.de' zu den Unterstützern des Vereins gehört?" In der Tat ist "Bild.de" einer von rund zwei Dutzend Partnern, die "JusProg" unterstützen. Weitere Partner sind die Beate Uhse new Media GmbH, der Bundesverband Erotikhandel und ORION.

Christliche Seiten weggefiltert

Aber auch wichtige Seiten aus dem christlichen Bereich, die eher nicht durch jugendgefährdende, erotische oder gewaltdarstellende Inhalte bekannt sind, stuft die Kinderschutzsoftware als gefährlich ein. Nur einige Beispiele von chrsitlicher Seiten: Das christliche Forum "Medrum" wird als "ab 14" eingestuft. "Idea", das Magazin "Factum", das Christliche Medienmagazin Pro und auch die Webseiten Livenet.ch und Jesus.ch sind generell gesperrt. Jeder kann auf der Webseite des Jugendschutzvereines selbst nachprüfen, welche Internet-Adressen betroffen sind.

Die Jugendschützer von JusProg beschreiben ihre Tätigkeit damit, "Webseiten sorgfältig und nach bestem Wissen und Gewissen" zu prüfen. "Wir beschäftigen seit 2003 ein zweiköpfiges Rating-Team, welches die Seiten prüft und bewertet", erklärt der Verein auf seiner Webseite.

Entweder sind diese Rating-Angestellten äusserst rigoros, was Inhalte angeht, die ihnen nicht passen, oder aber hier ist technisch etwas gründlich schief gegangen. Kein Wunder, dass es im Internet rumort, und sich viele Webseitenbetreiber über den ungerechtfertigten Ausschluss empören. "Mit derlei Willkür diskreditiert sich die Branche selbst. Wer seinen freizügigen Content gewinnbringend im Netz anbieten will, sollte dies nicht mit einem durchschaubaren Kreuzzug gegen missliebige politische Inhalte verbinden", schreibt Berger.

 

Datum: 06.07.2009
Quelle: PRO Medienmagazin

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