Gewalt, Beleidigungen, Blockaden

Türkei: Diskriminierungen gegen Christen nehmen zu

Erhobene Faust mit türkischer Flagge bei einer Demo
Ein Report der Türkischen Vereinigung Evangelischer Kirchen zeigt, dass im Jahr 2024 Massnahmen gegen ausländische Christen, aber auch Gewaltakte, Hassrede und legale Schikanen gegen türkische evangelische Christen und Gemeinden zugenommen haben.

Obwohl die Religionsfreiheit durch die türkische Verfassung geschützt ist, erlebten protestantische Christen in der Türkei Hassverbrechen «allein aufgrund ihres Glaubens». Laut dem jüngsten Bericht der Türkischen Vereinigung Evangelischer Kirchen über Menschenrechtsverletzungen gab es im Jahr 2024 «einen Anstieg der schriftlichen und mündlichen Hassreden, die sich gegen protestantische christliche Einzelpersonen oder Einrichtungen richteten», wie «Evangelical Focus» berichtet.

Schüsse, Vandalismus und Drohungen

Zu den schwersten Vorfällen gehörte ein bewaffneter Angriff auf das Gebäude der Heilsarmee in Istanbul in der Silvesternacht. Der Angreifer schoss aus einem Auto und rief den Menschen, die das neue Jahr feierten, zu: «Wir werden nicht zulassen, dass ihr unsere muslimische Jugend einer Gehirnwäsche unterzieht! Oh Ungläubige, ihr werdet besiegt und in die Hölle gejagt werden».

Der Didim Light Church wurde die Erlaubnis zum Verteilen von Broschüren verweigert, und Beamte hinderten die Antalya Bible Church «mehrfach» daran, Türken zu Oster- und Weihnachtsfeiern einzuladen. Der Bericht zeigt weitere Fälle von Hassverbrechen auf, wie die Entlassung eines christlichen Englischlehrers von einer Privatschule und die Verbrennung eines Neuen Testaments.

Ebenfalls ist in dem Bericht von Versuchen der Polizei die Rede, zwei Kirchenmitglieder zu bestechen, damit sie zu Informanten werden, neben vielen anderen Fällen.

Beleidigungen in sozialen Medien

Der Bericht prangert eine zunehmende Nutzung sozialer Medien zur Beleidigung evangelischer Christen an. «Wir treffen auf Beleidigungen und Obszönitäten, die sich gegen offizielle kirchliche Social-Media-Konten, Kirchenführer, das Christentum, christliche Werte und Christen im Allgemeinen richten», erklärt die Türkische Vereinigung Evangelischer Kirchen. All dies sei «oft auf die Aktivitäten von Gruppen in den sozialen Medien zurückzuführen, die Hass gegen Christen kultivieren und christliche Websites und Konten in den sozialen Medien ins Visier genommen haben».

Einreise- und andere Blockaden

Dem Bericht zufolge wurden im Jahr 2024 «ausländische Christen ausgewiesen, ihnen die Einreise in die Türkei verwehrt oder Aufenthaltsgenehmigungen und Visa verweigert».

«Aus diesem Grund befanden sich viele Gemeinden in einer schwierigen Situation, denn es besteht weiterhin ein grosser Bedarf an geistlichen Mitarbeitern», heisst es in dem Bericht. Die Betroffenen stammen hauptsächlich aus den USA, Grossbritannien, Südkorea, Deutschland, anderen europäischen Ländern und Lateinamerika. «Die meisten von ihnen haben sich seit vielen Jahren in unserem Land niedergelassen und leben hier mit ihren Familien. Sie haben keine Vorstrafen, Ermittlungen oder Gerichtsdokumente, die sie betreffen», heisst es in dem Bericht. «Diese Situation hat ein grosses humanitäres Problem aufgedeckt. Wenn jemand aus einer Familie ein unerwartetes Einreiseverbot erhält, wird der Familienzusammenhalt erschüttert und alle Familienmitglieder stehen vor einer chaotischen Situation.»

Zusätzlich zu dem Mangel an ausländischen Mitarbeitern «blockierten die Gesetze in der Türkei auch 2024 weiterhin die Möglichkeit, christliche Geistliche auszubilden und Schulen zu eröffnen, um den Mitgliedern der Gemeinden Religionsunterricht zu erteilen», heisst es in dem Bericht. «Das Recht, religiöse Leiter auszubilden und zu fördern, ist einer der Grundpfeiler der Religions- und Weltanschauungsfreiheit.»

Rechtlicher Status

Ein weiteres gravierendes Problem für die evangelischen Gemeinden in der Türkei ist die Schwierigkeit, einen Rechtsstatus zu erhalten, um ordnungsgemäss registriert zu werden.

Zu der evangelischen Vereinigung zählen in der Türkei 214 Gemeinden unterschiedlicher Grösse, von denen die meisten in Istanbul, Ankara und Izmir angesiedelt sind; nur 152 von ihnen haben einen legalen rechtlichen Status. Für protestantische Gemeinschaften ohne Rechtsstatus ist es schwierig, Gottesdiensträume zu finden, Mieten sind für sie oft «ungewöhnlich hoch» und sie enthalten keine Vergünstigungen wie Steuerbefreiungen durch die Behörden – oder auch nur kostenlosen Strom.

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Datum: 05.09.2025
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Evangelical Focus / ergänzte Übersetzung: Livenet

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