Carey Nieuwhof

«Ich brauche Freunde, die nicht zu mir aufsehen»

Carey Nieuwhof
Carey Nieuwhof ist Kanadier, Redner, war Pastor und ist Blogger mit grosser Reichweite. Heute coacht er Leitungspersonen in Kirchen und ausserhalb, doch das war nicht immer so.

Der energetische 60-Jährige füllt jeden Raum mit seinem Lächeln. Doch sehr schnell ist er bei Lieblingsgedanken wie: «Getting things done» – Dinge tun, statt nur darüber zu reden. Carey Nieuwhof ist ein typischer Macher. Sein Leiterblog, der von 1,5 Millionen Menschen monatlich gelesen wird, strotzt vor kompetenten und immer wieder in sieben oder zehn einfache Schritte untergliederte Tipps. Hier spricht jemand aus Erfahrung und mit Erfolg. Aber da gab es auch das Jahr 2006.

Abgestürzt in den Burnout

Nieuwhof hatte gerade einen Vortrag vor einer grossen Menschenmenge in Atlanta gehalten. Alles hatte funktioniert, doch als er daheim in Toronto landete, brach er einfach zusammen. «Ich fiel von der Klippe», beschreibt er seine Erfahrung. Natürlich wusste er, was ein Burnout war, doch erlitten das nicht nur die anderen? Was den Pastor und Redner völlig unerwartet erwischte, hatten andere bereits kommen sehen. Nieuwhof spürte nichts mehr von Gott. Sein Leben verlief plötzlich im Schneckentempo und seine Leidenschaft stand auf null. Wie sollte es nun weitergehen? Wie war er überhaupt hierhergekommen?

Ein Deal mit Gott und eine Vision

Mit 13 Jahren entschied sich Niewhof für ein Leben mit Gott. Seine gläubigen Eltern freuten sich darüber, doch bald versandete sein Glaube wieder. Er wollte genug davon haben, um einmal in den Himmel zu kommen, hatte aber Angst, im Hier und Jetzt etwas zu verpassen. Sein Glaube fusste nur auf dem, was er von seinen Eltern kannte. Während des Studiums wurde ihm klar, dass er seinen eigenen Weg finden müsste, also machte er einen Deal mit Gott: «Ich werde sechs Monate lang täglich in der Bibel lesen und beten und dann entscheiden, wie es weitergeht.» Er brauchte kein halbes Jahr. In der Bibel begegnete er Jesus als der faszinierendsten Person, die er kannte, und widmete ihm sein Leben erneut. Diesmal von ganzem Herzen. Parallel studierte er weiter Jura und arbeitete nach der Absolvierung als Anwalt.

So hätte es aus seiner Perspektive weitergehen können, doch eines Tages hatte er in der Kanzlei eine Art Vision. Er sah darin sich selbst und seine Familie 20 Jahre später – er war ein erfolgreicher Anwalt, doch seine Ehe und Familie lagen in Trümmern. Seine Werte hatte er verraten. Als er aus dem Fenster schaute, erblickte er die Kirche, in der er grossgeworden war und spürte, wie ihm jemand sagte: «Du solltest dort sein.» Als er später mit seiner Verlobten, seiner jetzigen Frau, zu den Eltern fuhr, verriet er ihr nichts von seiner Vision, aber sie fragte ihn plötzlich: «Hast du eigentlich mal daran gedacht, in den kirchlichen Dienst zu gehen?» Das überzeugte ihn.

Gemeindebau

Nach dem Predigerseminar überlegte Carey Nieuwhof, in welcher Gemeinde er sich engagieren sollte. Schnell hatte er die Innenstadt von Toronto vor Augen, wo viele Anwälte und erfolgreiche Leute lebten, denen er auf Augenhöhe begegnen könnte, doch parallel erfuhr er, dass drei kleine Kirchengemeinden auf dem Land ebenfalls einen Pastor suchten. Seine Frau meinte, er sollte die Bibel für seine Entscheidung zu Rate ziehen und er schlug die Apostelgeschichte auf, in der Paulus gerade überlegte, wie ihn sein Weg weiterführen sollte. Dann rief jemand aus den Landgemeinden Nieuwhof an und bat: «Komm herüber und hilf uns!» Das klang fast genauso wie bei Paulus, der damals ins arme Mazedonien zog – Nieuwhof war überzeugt.

Er brachte sich dort ein und erlebte ein Wachstum, wie es für Kanada sehr untypisch ist. Nach wenigen Jahren mussten sie neu bauen und die Connexus Church entwickelte sich in mehreren Vororten von Toronto. Heute gehören knapp 4’000 Menschen dazu – und das Schönste für Nieuwhof ist, dass trotz Veränderung und Wachstum immer noch Mitglieder aus den drei Ursprungsgemeinden dabei sind. Weil er als Pastor wenig über Gemeindeleitung gelernt hatte, machte er viele Fehler, die er mit Liebe und hohem Einsatz wieder wettmachte. Um anderen solche Fehler zu ersparen, begann Nieuwhof vor 15 Jahren seinen Blog und fasste dort seine Einsichten über Leitung, Gemeindewachstum, Charakterentwicklung und Kommunikation zusammen. Der Erfolg machte ihn zu einem gefragten Redner und Motivator in der christlichen Welt – doch damit sprengte er seine persönlichen Grenzen.

Familie, Freunde und neue Perspektiven

Irgendwann wurde ihm alles zu viel. Monatelang wurde sein Burnout immer schlimmer. Nieuwhof kannte viele Kollegen, die nach solch einer Erfahrung nie wieder in den Dienst zurückfanden, doch er bekam langsam wieder Grund unter den Füssen. Er erholte er sich dank der Liebe und Unterstützung seiner Frau, der Gemeindeleitung, enger Freunde, mithilfe eines Beraters und vor allem – wie er es ausdrückt – «durch einen sehr gnädigen Gott». Es dauerte lange, bis er wieder voller Kraft war, aber er hatte gelernt, Grenzen zu setzen, sich nicht nur um andere, sondern auch um das eigene Herz und seine Seele zu kümmern und sie zu pflegen.

In seinen Blogs erzählt Nieuwhof auch von diesen Erfahrungen und dem, was er gelernt hat. Er gibt Tipps weiter, um aus Burnout herauszufinden, und vor allem, um gar nicht erst hineinzufallen. Ein besonders wichtiger Punkt für ihn ist dabei Gemeinschaft. Man braucht Menschen, die nicht von einem beeindruckt sind. Das sollten keine «Geschäftspartner» sein, die einen samt der eigenen Leistungen brauchen. Man benötigt vielmehr Freundschaft, die wertfrei, aber nicht nutzlos ist. Einer von Nieuwhofs Freunden ist Arzt, wird ihm nie im Gemeindeleben oder beim Verfassen seiner Blogs helfen, aber er ist einer von fünf Freunden, die einfach da sind und es bleiben. Sie sind nicht von ihm beeindruckt und sie lieben ihn genug, um ihm die Wahrheit zu sagen.

Inzwischen hat sich Carey Nieuwhof als Pastor zurückgezogen und arbeitet als Sprecher, Podcaster und Blogger. Im deutschsprachigen Raum ist er vor allem nach seinem Auftritt beim Willow Creek Leitungskongress 2024 bekannt.

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Datum: 13.10.2025
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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