Kirchentag: Musik und Diskussionen über Kirche und Gesellschaft

Ethik genügt nicht, Evangelium ist gefragt. Mit einem Appell gegen ein moralistisches Belehren durch Christen ist der Deutsche Evangelische Kirchentag am Sonntag in Bremen zu Ende gegangen.
Viel Musik
Kunstworkshop

Übers Himmelfahrtswochenende hatten sich die rund 120‘000 Teilnehmer, darunter knapp 100‘000 Dauerteilnehmer, in etwa 2‘500 Veranstaltungen mit Glaube und Gesellschaft befasst. Im Schlussgottesdienst forderte der italienische Waldenser-Theologe Danielle Garrone dazu auf, mehr von der christlichen Hoffnung zu reden, statt ethische Verlautbarungen abzugeben. „Die Ethik ist das Gebiet geworden, in dem wir auf Aufmerksamkeit hoffen, weil wir nicht Hoffnung genug haben, solche Aufmerksamkeit für das Evangelium selbst zu erwarten."

Viel Musik

Die Präsidentin des Kirchentags, die Hamburger Kultursenatorin Karin von Welck, bezeichnete ihn als „bestärkendes, begeisterndes und durch Musik geprägtes Glaubensfest". (Die A-cappella-Gruppe Wise Guys am Eröffnungsabend hatte gegen 60‘000 Zuhörer.) In einer Lage, die sich einfachen Rezepten entzieh, sollten Christen die Probleme mit anpacken und Verantwortung übernehmen. Auf die Losung des Kirchentags „Mensch, wo bist Du?" solle man täglich die Antwort geben: „Hier bin ich! Was kann ich tun?"

Religionen nebeneinander

Gegen einen absoluten Wahrheitsanspruch einer Religion haben sich Vertreter von Juden, Christen und Muslimen beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Bremen ausgesprochen. Die muslimische Theologin Halima Krausen wünschte sich ein friedliches Nebeneinander, in dem die drei Weltreligionen gleichberechtigt und gemeinsam ihre Verantwortung für die Welt wahrnehmen. Der jüdische Religionsphilosoph Prof. Micha Brumlik sprach von einer „intimsten Nähe", die Judentum und Christentum verbinde. Gerade diese habe aber immer wieder zu „heftiger Feindschaft bei einem Teil des Christentums gegenüber den Juden geführt". Mit dem Islam hätten die Juden eine ähnliche Gotteskonzeption gemeinsam.

Unsicher - aber mit Feindbild

Der evangelische Theologieprofessor Christoph Schwöbel warnte davor, fundamentalistischen Gläubigen mit einer fundamentalistisch-aufgeklärten Haltung entgegenzutreten. „Die Haltung, die wir gegenüber Fundamentalisten einnehmen, ist von ziemlich fundamentalistischer Struktur", bemängelte er. Über den christlichen Glauben herrsche „grosse Verunsicherung", stellte ein Mitarbeiter am Stand der „Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen" fest.

(Fast) alles möglich

Auf dem Bremer Messegelände stellten sich auf dem „Markt der Möglichkeiten" über 800 Aussteller in den Themenbereichen „Horizonte des Glaubens", „Perspektiven für die Gesellschaft" und „Chancen für die Welt" vor. Unter ihnen war die kleine Partei Bibeltreuer Christen PBC ebenso wie die Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK). Im „Schuppen 1" hatten die Veranstalter die Stände der „Deutsch-palästinensischen Gesellschaft" und des „Ebenezer Hilfsfonds Deutschland" einander gegenüber gestellt. Zwei Organisationen, die Mission unter Juden betreiben, wurden nicht zum „Markt" zugelassen, da dies gegen Kirchentagsprinzipien verstosse.

Bibelarbeiten gut besucht

Laut dem idea-Kommentator Wolfgang Polzer ist der Kirchentag "nicht unpolitisch geworden, aber frömmer und zahmer". Die Veranstalter hätten sich anders als vor Jahrzehnten um ruhige, überlegte Debatten bemüht. Einige Minimalforderungen der frommen Kritiker von einst seien erfüllt worden, schreibt Polzer. „Bibelarbeiten sind in der Regel wirklich Arbeiten an der Bibel, Gottesdienste sind Gottesdienste. Und sie finden erstaunlichen Anklang: So füllte die hannoversche Landesbischöfin Margot Kässmann mit ihrer Bibelarbeit die grösste Versammlungshalle mit 8‘500 Plätzen" - so wie Bundeskanzlerin Merkel, die wie Steinmeier Bremen im Superwahljahr nicht fernbleiben mochte. Polzer fiel auf, dass „bei fast jeder Veranstaltung zu Spiritualität anscheinend ein fernöstlicher Zen-Meister dabei sein muss".

Datum: 26.05.2009

Werbung
Livenet Service
Werbung