Sieg mitten in Verfolgung

«Die Rolle der Kirche ist, ein Segen für Indien zu sein»

Auf den Strassen von Indien
Christen leisten wertvolle Dienste in Indien. Und immer wieder finden gewalttätige Hindu-Radikale zu Jesus Christus. Wie beispielsweise Vijay, der als Hindu-Radikaler Christen verprügelte…

Kürzlich besuchte Vijayesh Lal, Leiter der evangelischen Allianz Indiens, als HMK-Redner im Rahmen des «Sonntag der verfolgten Kirche» die Schweiz. Im Interview mit Livenet gibt er einen Einblick in die Bedrängnis und Hoffnungsschimmer der indischen Christenheit. Beispielsweise ist ermutigend festzustellen, dass sich die Geschichte von Saulus, der zum Paulus wurde, auf dem gigantischen Subkontinent vielfach wiederholt.

Vijayesh Lal, was hat Sie motiviert, sich für die christliche Minderheit in Indien einzusetzen, und was treibt Sie in Ihrer Arbeit an?
Vijayesh Lal: Meine Berufung durch Gott war von Anfang an sehr klar. Sie besteht darin, der Kirche zu dienen, insbesondere der verfolgten Kirche. Und er hat mich auch in schweren Zeiten immer wieder ermutigt.

Wie hat sich die Situation der Christen in Indien in den letzten Jahren verändert, besonders in einem zunehmend nationalistisch-hinduistischen Staat?
Die Situation der Christen in Indien hat sich in den letzten zehn Jahren durch die politische Stärkung einer bestimmten Ideologie, der Hindutva, verschlechtert. Dabei handelt es sich nicht um den klassischen Hinduismus, sondern um eine politische Ideologie. Die Gewalt gegen Christen hat ein noch nie dagewesenes Ausmass angenommen. Wir haben die Verschärfung der Anti-Konversionsgesetze und die Propaganda wahrgenommen, die ständig gegen die christliche Minderheit betrieben wird.

Können Sie uns einige der grössten Herausforderungen schildern, denen sich Christen in Indien gegenüber sehen?
Einige der grössten Herausforderungen für Christen in Indien hängen mit dem geistlichen und sozialen Leben der Kirche zusammen und nicht so sehr mit der Verfolgung. Dass die Menschen ihren Glauben nicht ernst nehmen, ist eine der grössten Herausforderungen für uns. Die Kirche wächst nicht wegen etwas, das wir tun, sondern trotz uns – wegen der Gnade Gottes. Aber es mangelt an Jüngerschaft und Leiterschaft. Es gibt auch noch andere Herausforderungen: fehlende Forschung über die christliche Kirche und Gemeinschaft, Uneinigkeit und Korruption sowie mangelnde Einsatz für die Zivilgesellschaft.

Wie erleben Sie persönlich den Druck und die Verfolgung als Leiter einer christlichen Organisation?
Drohungen sind weit verbreitet – online oder am Telefon. Es besteht auch die ständige Gefahr, in unwahre Anklagen verwickelt zu werden. Und dann ist da noch die Herausforderung, dass ich eine Organisation leite, die klar und offen über die Verfolgung von Christen in Indien spricht. Unsere finanziellen Mittel wurden stark gekürzt, und wir sind deshalb nicht in der Lage, optimal zu arbeiten.

Welche Rolle spielt die Evangelische Allianz in Indien im Hinblick auf die Religionsfreiheit und den Schutz christlicher Minderheiten?
Die «Evangelische Allianz von Indien» («Evangelical Fellowship of India») setzt sich für Religionsfreiheit für alle ein. Wir haben die Kommission für Religionsfreiheit, die als eigenständige Organisation registriert ist und sich für Religionsfreiheit für alle Gruppen einsetzt, einschliesslich Sikhs, Muslime, Hindus und Christen. Wir weisen auf die Verfolgung von Christen in Indien hin, indem wir die Angriffe auf Christen und Kirchen in Indien dokumentieren und unsere Berichte an die Regierung schicken. Wir bilden christliche Leiter aus, damit sie sich besser für die Religionsfreiheit einsetzen können.

Vijayesh Lal

Welche Initiativen hat die Evangelische Allianz ins Leben gerufen, um die Einheit unter den Christen in Indien zu stärken?
Wir fördern die Einheit unter den Evangelikalen in Indien und den Christen in Indien, und wir spielen diese Rolle seit fast 75 Jahren sehr erfolgreich. Indien ist eines der wenigen Länder, in denen verschiedene Strömungen des Christentums nicht nur zusammensitzen und einen Dialog führen, sondern auch sehr gut zusammenarbeiten. Das «National United Christian Forum» ist eines davon, in dem Katholiken, Protestanten und Evangelikale zusammenkommen und zusammenarbeiten, gemeinsame Erklärungen abgeben und die Einheit bewahren.

Gibt es Geschichten, wo hinduistische Verfolger zu gläubigen Christen wurden; sozusagen vom Saulus zum Paulus?
Es gab einen Mann namens Vijay aus Zentralindien, der selbst Christen verprügelte. Aber es gab eine alte gläubige Dame, die sehr liebevoll mit ihm sprach. Sie sagte ihm: «Wann immer du ein Problem hast, brauchst du nur den Namen Jesus auszusprechen.» Dieser Mann verletzte also bei einem Streit jemanden schwer und lief vor der Polizei davon, weil er dachte, dass der Mann sterben würde. Er wollte nicht, dass der Mann stirbt, denn dann würde man ihn des Mordes beschuldigen. Er sagte: «Jesus, wenn du wirklich so bist, wie die alte Frau sagt, dann lass den Mann bitte nicht sterben, und ich werde dir mein Leben geben.» Wissen Sie, er wurde schliesslich gerettet. Der Mann, der überlebte, erstattete keine Anzeige gegen Vijay. Vijay dient dem Herrn heute als Pastor. Manchmal fühlt er sich versucht, die alte Natur zurückkehren zu lassen, aber er kontrolliert sich. Es gibt viele Geschichten von Menschen wie Vijay.

Gibt es biblische Prinzipien oder Geschichten, die Ihnen in diesen schwierigen Zeiten besonders Kraft geben?
Es gibt biblische Grundsätze, die in den schwierigen Zeiten der Verfolgung nicht nur mir, sondern dem gesamten Leib Christi Kraft geben. Das Neue Testament wurde im Kontext der Verfolgung geschrieben. Jesus selbst sagte: «Wenn sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen.» Wir müssen so reagieren, wie Christus reagiert hat, nicht mit Zorn, nicht mit Bitterkeit, sondern in Liebe und in Vergebung. Die Bibel sagt auch, dass wir während der Verfolgung fest und vertrauensvoll auf Gott stehen und dass es schliesslich einen Sieg inmitten der Verfolgung gibt.

Wie sehen Sie die Rolle der Kirche in einem so vielfältigen und herausfordernden Umfeld wie Indien?
Die Rolle der Kirche in Indien ist es, ein Segen für die Nation zu sein. Wir sind dazu berufen, unseren Schwestern und Brüdern zu dienen. Und die Kirche hat diese Rolle sehr treu erfüllt, die Kirche war einer der wichtigsten Bildungs- und Gesundheitsdienstleister des Landes. Und mit Gottes Hilfe werden wir uns auch weiterhin engagieren und Indien trotz aller Widerstände segnen.

Welche Bedeutung hat für Sie der Besuch in der Schweiz, und welche Botschaft möchten Sie den Christen hier übermitteln?
Ich habe die natürliche Schönheit Ihres Landes bewundert, und ich danke Gott für die Menschen in der Schweiz, insbesondere für die Arbeitsmoral, die ich gesehen habe. Sie haben Ihre eigenen Herausforderungen mit der zunehmenden Säkularisierung, mit Menschen, die ihren Glauben an Gott aufgeben. Aber ich glaube, dass die Kirche eine Botschaft der Hoffnung hat, die den Menschen in einer Weise anspricht, wie es der Materialismus oder der Säkularismus nicht können. Ich möchte die Kirche auffordern, ihren Eifer für das Evangelium und ihre Liebe zu den Menschen beizubehalten und die Botschaft Christi in ihrem täglichen Leben zu verkünden.

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Datum: 12.12.2024
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet

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