«Pfarrer an der Arbeit: Bitte stören!»
Im Bahnhöfli in Löhningen war bis vor kurzem ein Lädeli untergebracht. Das Gebäude gehört der Gemeinde und stand leer, bis Pfarrer Lukas Huber die Idee hatte, es wiederzubeleben. So kommt es, dass er seit den Sommerferien manchmal im Bahnhöfli in Löhningen arbeitet. Immer wenn die Blache draussen hängt und die Tür geöffnet ist, darf man gerne eintreten, ihn stören und mit ihm ins Gespräch kommen. «Letztlich ist es ein Anliegen von mir als Pfarrer, für die Mitmenschen dazu sein», sagt Lukas Huber, Pfarrer der evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Löhningen-Guntmadingen zur Zeitung «Schaffhauser Bock» auf der Frontseite und im Onlineportal «Schaffhausen24.ch».
Keine «Agenda», nur ein offenes Ohr
Der Raum strahlt Ruhe aus, obwohl er sich direkt an der Hauptstrasse befindet und ein Auto nach dem anderen vorbeirauscht. Am Tisch sitzt Lukas Huber am Notebook und arbeitet. Er hebt den Kopf erfreut und begrüsst den Gast herzlich. Die Tür bleibt offen. Die Tür muss offen sein, denn sonst bringt es nichts», erklärt er in der Zeitung «Klettgauer Bote». Schon seit 2014 bietet der Pfarrer der Kirchgemeinde Löhningen-Guntmadingen das Angebot jeweils während der Sommermonate 10 bis 15 Mal in Guntmadingen beim Schulhaus an. Dort wird er bei schönem Wetter vor dem Schulhaus gerne gestört. Er ist meist am Freitag dort, weil dann die Kindergartenkinder keinen Unterricht haben. Am Zaun der Schule hängt dann die Blache, die alle einlädt, ihn zu besuchen: «Die Leute sollen merken, dass ich nicht nur der Pfarrer von Löhningen bin, sondern auch von Guntmadingen.»
Man sieht den Pfarrer
Die Idee zu dieser Aktion hatte Lukas Huber, der Werbespruch stammt von einem Journalistenfreund aus Basel. Die beiden Kirchgemeinden Guntmadingen und Löhningen sind seit jeher zusammen. Das änderte sich auch mit der politischen Fusion von Guntmadingen mit Beringen 2013 nicht. Guntmadingen hat keine eigene Kirche, trotzdem gibt es dort aber drei Gottesdienste pro Jahr: Den Neujahrsgottesdienst am 1. Januar im Schulhaus, den Familiengottesdienst Ende Juni bei der Blockhütte und den Allianzgottesdienst mit der Mitwirkung der Musikgesellschaft Löhningen im August. Pfarrer Lukas Huber ist gerne im Bahnhöfli. «In Löhningen ist der Platz sehr zentral. Die Pointe davon ist, dass man mich sieht», erklärt er dem «Klettgauer Bote» und berichtet, dass viele Leute das Plakat zwar sehen, aber trotzdem einfach daran vorbeispazieren. Doch einige finden den Weg in das nostalgische Büro, in dem bis 1964 Billette für die Strassenbahn Schaffhausen-Schleitheim und später für die SBB verkauft wurden.
Menschen und ihre Geschichten
Die Menschen, die ihn stören, sind nicht unbedingt die, die er auch am Sonntag in der Kirche sieht. «Wenn sie zu mir ins Bahnhöfli kommen, dann sprechen wir meist nicht über religiöse Themen. Oft erfahre ich ihre Lebensgeschichten oder es ergibt sich einfach ein spannendes Gespräch über aktuelle Themen.» Jemand sei gekommen, um ihm zu erklären, warum er die Kirche nicht besuche und aus ihr ausgetreten sei. Auch das hat Platz. «Es fasziniert mich, Menschen und ihre Geschichten kennenzulernen und das Ziel mit meiner Aktion ist es, für die Leute da zu sein.» Das entspricht auch dem Leitbild, das sich der Kirchenstand der beiden Kirchgemeinden vor sechs Jahren gegeben hat. Darin hält der Kirchenstand fest, dass drei Themen speziell wichtig sind: «Beziehungen bauen, Leben gestalten, Glauben vertiefen.»
Dieser Beitrag erschien zuerst auf Dienstagsmail.
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Datum: 17.11.2025
Autor:
Markus Baumgartner
Quelle:
Dienstagsmail Nr. 898