«Überzeugt von der Schönheit des Miteinanders»
Die Arbeit für eine Gemeinde, die Fremde einschliesst und Kulturen umgreift, bedingt ein neues Denken. Ohne diese Neuausrichtung gelinge multikultureller Gemeindeaufbau nicht, sagte Viktor Akko am 10. Oktober an der Jahreskonferenz der Europäischen Evangelischen Allianz in Vendrell bei Barcelona. Es gehe um Offenheit im Denken und die Bereitschaft, Bedürfnisse von Migranten wahrzunehmen und ihnen zu helfen. «Jeder Zuwanderer hat Potenzial – es muss jedoch von der Gemeinde entdeckt werden.»
Alteingesessene und Fremde
Lassen sich alteingesessene Mitglieder von Fremden in Frage stellen? Sie müssen laut Akko Abneigungen überwinden, Gewohnheiten hinter sich lassen und Neues lernen – kurz: ihre Komfortzone verlassen. «Es geht nicht um Recht-Haben, sondern um Einheit. Wenn mein Sinn auf Einheit gerichtet ist, werde ich mehr tun, um das Herz dieses Fremden zu gewinnen.» Blickt die Gemeinde von ihren Spannungen weg auf die Stadt, kommt sie weiter. Unterschiedliche Mitglieder wachsen durch Aufgaben zusammen.
Vom Sendungsbewusstsein…
Viele Christen aus dem globalen Süden kommen mit einem spitzen Sendungsbewusstsein nach Europa, getrieben von der Ambition, den geistlich serbelnden Kontinent neu zu evangelisieren, dessen Christen in ihren Augen versagt haben. Dagegen ist Victor Akko ein Afrikaner, der sich einheimischen Leitern unterordnete und ihre Anweisungen akzeptierte. Dies kostete den temperamentvollen Engländer, der mit 22 aus Ghana nach Deutschland kam, einige Überwindung: Das theologische Seminar, an das ihn der Hamburger Pastor sandte, behagte ihm nicht. Nach einem Timeout studierte er doch weiter.
…zur Knochenarbeit
Nach der Ausbildung stellte ihn sein Dozent vor die Alternative, nach Afrika zurückzukehren oder eine Afrikaner-Gemeinde in Europa zu betreuen. Beides wollte Akko nicht. So sandte Elim ihn von Hamburg in eine Tochtergemeinde im Dorf. Nach zwei Jahren zählte die Gemeinde dreimal so viele Besucher. Türken liessen sich taufen. Victor Akko hatte viele Mahlzeiten mit ihnen verbracht und sich ihren Fragen gestellt.
Zusätzlich zur Arbeit im Dorf betreute der Afrikaner in der Elim-Kirche mitten in Hamburg Jugendliche. Später konnte er dies vollzeitlich tun. Akko hat zwei Jugendgruppen zusammengeführt, die eine aus Einheimischen und die andere aus Ausländern bestehende Gruppe. Der Durchbruch zur Einigung geschah durch ein Wunder: Ein Muslim wurde von schweren Rückenschmerzen geheilt.
Viele Sprachen – eine Gemeinde
Die Gottesdienste der Elim Christengemeinde werden in Englisch, Französisch, Russisch und Farsi übersetzt. Der Aufwand für Übersetzer und die benötigte Technik ist nicht zu unterschätzen. Die Freikirche im Hamburger Stadtteil Barmbek-Süd, wenige Kilometer vom Stadtzentrum, zählt derzeit über 1300 Besucher in drei Gottesdiensten. Von den 200 Kindern stammen über 150 aus Migrantenfamilien. Die Jugendlichen treffen sich am Samstagabend. In manchen Monaten zählt man insgesamt 150 Erstbesucher.
Afrikaner und Iraner angestellt
Mit der Anstellung von Nicht-Europäern hat Elim ein Signal gesetzt: Die 1926 gegründete Pfingstgemeinde beschäftigt acht Pastoren: fünf Deutsche, einen Iraner und neben Akko einen weiteren Afrikaner. «Wenn Zugewanderte vorn stehen, macht das Eindruck.» Die Gemeindeleitung lernt Spannungen auszuhalten. «Wir sind überzeugt von der Schönheit des Miteinanders, das Kulturen verbindet. Gott will es», sagt Akko. Auch wenn die dauernde Abstimmung verschiedener Leitungsstile hohe Aufmerksamkeit erfordert und Kraft kostet.
Anstösse zum interkulturellen Miteinander
Die Erfahrungen mit Migranten sind gemischt. Manche suchen die Gemeinde, von der sie am meisten profitieren können, und tragen nichts bei. Elim fördert die Gemeinschaft unter ihnen. Kleingruppen funktionieren bei mehreren Nationalitäten, nicht aber bei Iranern – Wegen Spitzeln im Auftrag der Islamischen Republik herrscht zu viel Misstrauen. Auch hier ist die Neigung von Migranten zu spüren, sich nur mit Landsleuten abzugeben; bei ihnen hoffen sie ein Netz für den Aufbau ihrer Existenz aufzuziehen.
Pastoren vernetzen
Victor Akko trifft sich mit 40 Migrantenpastoren in Hamburg. Sie zum Miteinander zu bewegen, war nicht einfach – jeder sucht das Seine aufzubauen, oft unter prekären Umständen. «Jeder Pastor will Deutsche erreichen. Ich fragte sie: Wie denn, wenn ihr sie nicht kennt?» In Diskussionen und Gebetszeiten ist man einander näher gekommen. Gemeinsames strahlt stärker: Am Pfingstmontag 2009 wurden in einem Hamburger Park 100 Personen aus verschiedenen Gemeinden getauft.
Secondos hin- und hergerissen
Die Arbeit mit der zweiten Generation, den Secondos, wird nach Akkos Erfahrung bisher vernachlässigt. Sie sind hin- und hergerissen zwischen den Kulturen. Manche verlassen die Gemeinde auch, weil ihre Eltern für sie nicht glaubwürdig sind. In alldem wird deutlich: Leiter von Gemeinden, die ganz oder teilweise aus Zuwanderern bestehen, brauchen Training, um in komplexen multikulturellen Situationen Verständnis aufzubauen und geistliche Einheit zu gestalten.
Datum: 19.10.2012
Autor: Peter Schmid
Quelle: belivenet.ch