Brücken des Vertrauens in Nordkorea

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Ziege

Das ostasiatische Land Nordkorea bedroht mit seinen Raketen, die nuklear bestückt sein könnten, die Region. Letzte Woche wurde ein weiteres Missile testweise ins japanische Meer geschossen. Das Regime Nordkoreas wird wegen seiner Unberechenbarkeit gefürchtet. Der Staat hatte sich unter seinem Gründer, dem stalinistisch geprägten Diktator Kim Il Sung, vom Ausland abgeschottet. Kein anderes Regime der Welt schliesst seine Untertanen derart von der Aussenwelt ab.

In der nationalistischen, pseudo-religiösen ‚Dschudsche‘-Ideologie wurde Selbstgenügsamkeit zum obersten Grundsatz erhoben. Doch das Land, in dem der Einzelne alles für die Nation zu geben hat, ist nach dem Zerfall des Ostblocks und der Einstellung der sowjetischen Hilfe immer tiefer in eine lähmende Wirtschaftskrise gerutscht.

Hungersnöte

Nach 1994 kamen durch mehrjährige Dürreperioden und Überschwemmungen Hungersnöte dazu. Heute lassen Kälte und Erschöpfung ein Drittel der 21 Millionen zählenden Bevölkerung als hungertodgefährdet erscheinen. Fast jede Familie hat Verwandte, die Hungers gestorben sind. Auch Beamte leugnen heute nicht mehr, dass seit 1995 über zwei Millionen Nordkoreaner umgekommen sind.

Hilfe aus der Schweiz

Diese Notlage hat das Schweizer Missionswerk ‚Campus für Christus‘ Mitte der 90-er Jahre veranlasst, ein Hilfsprojekt in Nordkorea zu starten. Das Engagement seiner Leute habe sich gelohnt, sagt Hanspeter Nüesch, Leiter von Campus Schweiz, im Gespräch mit Livenet. Heute „kennen alle im Land das Hilfswerk Campus für Christus“. Ein ranghoher Diplomat habe dies in einem Gespräch bestätigt. Ein guter Ruf gehe Campus voraus, sagte er zu Hanspeter Nüesch, „weil ihr das Herz mit uns geteilt habt, nicht nur die Güter“. Beamte des strikt gottlosen Staates sprächen den ganzen Namen des westlichen Hilfswerks aus.

Im Juli 2002 besuchte der Staatschef Kim Jong Il, der Sohn von Kim Il Sung, zum ersten Mal eine Musterfarm von Campus. Das staatliche Fernsehen zeigte in der Tagesschau einen zehn-minütigen Bericht, allerdings ohne die Schweizer Helfer zu nennen. (Neben Campus sind viele grosse Hilfswerke im Land tätig, und Staaten haben Millionen Tonnen Reis geliefert.)

Brücke über den Abgrund des Misstrauens

Hanspeter Nüesch plädiert nach mehreren Nordkorea-Reisen und Kontakten mit Diplomaten und ranghohen Funktionären dafür, das Regime nicht zu verteufeln, sondern den ursprünglichen idealistischen Ansatz des Sozialismus (‚alle für einen, einer für alle‘) zu würdigen. Trotz allen ideologischen Fassaden und der totalitären Struktur des Regimes gelte es, die Menschen zu sehen. „Wir sollten unsere Güter mit ihnen teilen und sie nicht vorweg dämonisieren.“

Diplomaten des Regimes hätten den Christen aus dem Westen das Vertrauen ausgesprochen. „Auch die Nordkoreaner haben hohe Ziele im Leben; sie brauchen Freunde“, betont Nüesch. Jenseits aller ideologischen Fixierungen blickten die Nordkoreaner bei Begegnungen den Ausländern tief in die Augen, erzählt er, und mehrfach hätten sie ausgedrückt, man sehe es den Augen der Schweizer an, dass sie gute Menschen seien...

Landwirtschaft, Medikamente und Kleider

Campus konzentriert sich auf die Landwirtschaft, doch im Dezember wurde nach einem Hilferuf aus dem frierenden Nordkorea auch eine grosse Ladung Kleider in China beschafft und verteilt. Die Campus-Leute waren dabei, als die Kinder in den Waisenhäusern und Heimen von Sariwon (500 Kleinkinder von 0-4 Jahren und 250 Vorschulkinder) die Kleider anziehen durften.

Jürg Bühlmann leitet seit Anfang 2000 das Campus-Projekt im Land; er ist im Februar mit seiner Frau wieder ausgereist. Derzeit betreibt Campus sieben Farmen im hügeligen Gebiet, wo Ackerbau nur beschränkt möglich ist (80 Prozent der Landflächen sind gebirgig). Eine achte Modellfarm für Gras- und Ziegenzucht soll dieses Jahr im Nordosten des Landes entstehen.

Die Campus-Mitarbeiter sind dem Landwirtschaftsministerium unterstellt; deshalb haben sie etwas mehr Bewegungsfreiheit als die anderen in der Regel nahtlos überwachten Ausländer. (Jedes Team, das sich im Land bewegt, hat einen Fahrer, einen Übersetzer und einen ‚Koordinator‘ bei sich.)

Besseres Futter, gesündere Ziegen

Auf den Farmen wird zum einen Futterbau betrieben. In 15 Versuchsgärten wurden verschiedene Grassorten aus der Schweiz und Nordkorea geprüft, um die für die sauren Böden geeigneten Arten zu finden. Bauern aus der Region werden geschult, damit sie mit besserem Futter mehr Milch erzeugen können. Haben sie für den Winter genug Futter, können sie sich fürs nächste Jahr höhere Ziele stecken.

Das zweite Hauptziel, die Steigerung der Milchproduktion, erreichen die Helfer durch verbesserte Ziegenzucht. Die Eiweissüberschüsse des Sommers dienen durch Joghurt- und Käseproduktion der Ernährung in der folgenden kalten Jahreszeit. Joghurt kann einfach transportiert werden und ist leicht bekömmlich. Die sieben Farmen stellten letztes Jahr 450 Tonnen Joghurt und 31 Tonnen Käse her.

Das Projekt findet Anklang bei der einheimischen Bevölkerung: Mit Know-How von Campus wird bereits an etwa 200 Orten Joghurt erzeugt. Die Mengen kennt Stefan Burckhardt, im Campus-Büro in Zürich für das Projekt zuständig, nicht. Die Regierung in Pjöngjang will die Milchverarbeitung weiter fördern.

Drittens geben die Schweizer auch wichtige Anstösse im Stallbau. Neue Ställe werden auf drei Seiten geschlossen und mit Dampfabzug gebaut; darin erkranken nur noch zwei von hundert Ziegen an Lungenentzündung. Heute überleben auch in Bergregionen 19 von 20 Jungtieren.

Schwerpunkt: Wissen vermitteln

Direkt profitieren laut Campus-Angaben über 12'000 Personen von der Landwirtschafts-Hilfe. Das Schweizer Hilfswerk will vor allem Wissen vermitteln und Nordkoreaner befähigen, unter einfachsten Umständen das Land effizient zu bebauen. Die Mehrheit der Nordkoreaner lebt in Städten; die ländlichen Gebiete wurden vernachlässigt. Aber eine Familie im Dorf darf 100 Quadratmeter privates Hofland bepflanzen. Viele haben 1-2 Geissen, daneben Kaninchen, Hühner und Enten.

Hoher Aufwand

Die Nordkorea-Hilfe ist vom Aufwand her das zweitgrösste Projekt von ‚Campus für Christus‘ Schweiz. Letztes Jahr gab das Hilfswerk eine halbe Million Franken für die laufenden Arbeiten, für Transporte, Automieten usw. aus. Darin nicht eingeschlossen sind die Mitarbeiterlöhne, welche persönliche Freundeskreise decken.

Ein grosser Container mit Babynahrung, Medikamenten und Spitalbetten, gespendet vom deutschen Hilfswerk ‚humedica‘, konnte 2002 ins Land gebracht werden. ‚Campus‘-Leute überwachten die Verteilung vor Ort.

Nordkoreanern leben mit Schweizer Bauern

Im Jahr 1995 hatte das Hilfswerk erste Hilfsgüter geliefert. Seit 1997 sind Schweizer im Land tätig, und im selben Jahr kamen erstmals Nordkoreaner für ein mehrmonatiges Landwirtschaftspraktikum in die Schweiz. Dieses Jahr sollen acht Praktikanten während vier Monaten Schweizer Luft schnuppern und bei einer christlichen Bauernfamilie leben. Campus möchte auch einer Gruppe von Tierärzten eine Weiterbildung in der Schweiz ermöglichen.

Die Grenzen der Arbeit sind mit den verfügbaren Finanzen und dem knappen Mitarbeiterstamm gegeben. Das nordkoreanische Landwirtschaftsministerium hat nicht viele Übersetzer. Auch wenn der Glaube an Christus nicht vermittelt werden darf - für Hanspeter Nüesch lohnt sich das Engagement, „denn wir können den Menschen in Nordkorea glaubwürdig dienen“.

Webseite: www.cfc.ch/nordkorea

Datum: 13.03.2003
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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